Blaulicht6

Gedanken eines Feuerwehrmannes„Können Sie mal das Blaulicht ausschalten?“

ALSFELD. „Über manche Einsätze denkt man länger nach. Gestern Abend war so ein Fall“, sagt Carsten Schmidt, stellvertretender Stadtbrandinspektor der Stadt Alsfeld. Der Helfer sah sich veranlasst, einen kleinen Text zu schreiben, den OL hier nun als Gastbeitrag veröffentlicht.

Dienstag, 21:44 Uhr. Schönes Wetter in Alsfeld, man genießt den Wärme, geht noch einmal nach draußen oder macht es sich vor dem Fernseher gemütlich. Ein schriller Klingelton unterbricht das Fernsehprogramm. Wenige Sekunden später hupt auch das Smartphone auf dem Küchentisch. Auf dem Display ist zu lesen: „H1Y-Hilfeleistung klein mit Menschenleben in Gefahr, Bem. Tragehilfe bei laufender Reanimation“. Dieses Stichwort bedeutet für die 14 Feuerwehrmänner und Frauen aus der Kernstadtfeuerwehr Alsfelds die gerade alarmiert wurden, dass es eilig ist. Übrigens das dritte Mal in den letzten 24 Stunden.

Im Fachjargon, „es ist höchste Eile geboten“. Also Schuhe an, Autoschlüssel schnappen und dann geht die Reise los. Eine kleine Sternfahrt aus Altenburg, Eudorf und der Innenstadt beginnt zur Feuerwache. Keine 4 Minuten später tummeln sich die Retter in der Umkleidekabine der Feuerwache, gesprochen wird wenig. Es ist alles festgelegt, alles an seinem Platz. Das macht es einfach.

Ein Kommando unterbricht die angespannte Stille, “ Zwei DLK – Maschinisten die Drehleiter besetzten“. Normalerweise fährt die Drehleiter dem mit 9 Personen besetzten Hilfeleistungslöschfahrzeug hinterher. Bei Tragehilfe fährt sie vorweg. Einsatzleitwagen und Drehleiter rauschen los, dass Hilfeleistungslöschfahrzeug folgt im zwei minütigen Abstand. Lautes Martinshorn durchbricht die Stille des Abends. Sicherlich in der ganzen Stadt zu hören.

Klare und unmissverständliche Ansage des Einsatzleiters

Gut acht Minuten nach dem Alarm steht die Feuerwehr hinter den zwei Rettungswagen und einem Notarzteinsatzfahrzeug. Ein sechsköpfiges Rettungsteam behandelt bereits den Patienten. Der Einsatzleiter der Feuerwehr verschafft sich einen Überblick und teilt seine Kräfte ein. Der Stadtbrandinspektor Daniel Schäfer steigt aus einem Fahrzeug aus. Er hat schon viel gesehen als Berufsfeuerwehrmann in Frankfurt. Ein Anwohner kommt auf ihn zu. “ Können Sie mal das Blaulicht ausmachen, dass von den Rettungswagen auch, dass stört mich“. Kurze Antwort: “ Das machen wir aus wenn wir fertig sind“.

Ich, sein Stellvertreter Carsten Schmidt und in diesem Fall der Einsatzleiter, beobachte, wie eine Anwohnerin versucht, die Szenerie zu filmen. „Oh, ich werde beobachtet“, denkt sich wohl die Frau und versteckt ihr Handy hinter Ihrem Arm. Sie versucht sich über die Gebäuderückseite in eine bessere Kameraposition zu bringen. Es folgt eine klare und unmissverständliche Ansage. Die Einsatzkräfte, die gerade nicht unmittelbar mit dem in Stellung bringen der Drehleiter beauftragt sind, versuchen die Anwohner und Passanten soweit zurückzudrängen, dass der Blick auf den Patienten verwehrt bleibt.

Fragt sich der Einzelne,  „Warum macht die Feuerwehr das? Warum behängt Sie sich mit Anwohnern? Warum schirmt Sie Einsatzstellen von selbsternannten  ‚Youtube, Facebook oder Instergramm-Reportern‘ mit ihrem Smartphone ab?“ Der Grund dafür ist dieses Jahr 70 Jahre alt geworden. Das Grundgesetz Deutschlands. Artikel 1, erster Absatz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie  zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Nach rund 30 Minuten ist der Spuk vorbei, der Rettungsdienst fährt ins Krankenhaus, und der Einsatzleiter Feuerwehr verabschiedet sich bei den Nachbarn mit dem Satz: „Die Show ist vorbei, sie können jetzt reingehen“.

6 Gedanken zu “„Können Sie mal das Blaulicht ausschalten?“

  1. Erst einmal vielen Dank an alle Einsatzkräfte. Da brennt bei 38 Grad Außentemperatur eine Presse und ein Feld bei Hattendorf, wenig später ein Feld bei Berfa. Die Einsatzkräfte leisten großartige Schwerstarbeit unter schwierigsten Bedingungen. Und dann kommt so ein Vollpfosten (ich hätte noch andere Bezeichnungen für solche Subjekte) und mäkelt rum.Und wer für so ein Verhalten Verständnis zeigt wie „Stefan“, fällt in die gleiche Kategorie.

  2. Es ist leider nicht nur in Alsfeld so, dass sich Nuegierige Menschen einfinden, wenn andere in not geraten sind. sei es beim Brand eines Hauses, sei es bei einmem Unfall. Je grausiger das Szenario ist, um so größer ist die Sensasatiosgier der Einzelnen. Heute habe diese verblödeten Zeitgenossen Smartphones um ja alles gleich ins Internet zustellen, damit andere auch ihre Gier nach Sensationen stillen können. Ich weiß nicht, was sich solche Zeitgenossen denken. die Frage ist verblödet die Menschen und haben sie überhaupt keinen Anstand und Respekt mehr?

    Denn Feuerwehrleuten möchte ich sagen, Hochachtung vor der Courage die jetzt an den Tag legt, in dem Ihr Tacheles redet und die Gaffer in die Schranken weißt.

    Bleibt euch und eurer Aufgabe treu.Meine Hochachtung.

  3. Der einzige Kommentar, der mir dazu einfällt ist: Die „Hobbyfilmer“ sollten sich was schämen! Unglaublich! Einsatzkräfte haben nun wirklich ganz andere Sorgen. Mein Beileid.

  4. Sehr gut geschrieben. Sollte vielleicht an eine etwas größere Glocke gehängt werden. Bei Gaffern rollen sich mir die Fußnägel. Für mich eine abartige Spezies, die keine anderen Freuden im Leben hat, als des anderen Leid. Leute, sucht euch ein Hobby!

  5. Unfassbar wie Schaulustige wertvolle Zeit der überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte vergeuden und an anderer Stelle deren Arbeit auch noch behindern.
    Hoffentlich kommt davon niemand mal in die Situation selbst Hilfe zu benötigen.

  6. Alles halb so schlimm mit dem Blaulicht! Habe schon Kollegen der Berufsfeuerwehr erlebt, die im Fahrzeug hinter mir saßen.

    Da kam per Funkt, Blaulicht aus, es blendet uns. Warum soll sich dann ein „normaler“ Bürger anders verhalten?

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