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Bürgermeisterkandidat Jürgen Laurinat: "Schlitz ist kein einfaches Terrain für Unternehmer"Viele Versäumnisse gelte es aufzuarbeiten

SCHLITZ (ol). Das Wohl des ansässigen Gewerbes bestimmt das Wohl einer Region. Diese Binsenweisheit ist nicht neu. Umso unverständlicher findet es der Schlitzer Bürgermeisterkandidat Jürgen Laurinat, dass im Schlitzerland so wenig dafür getan wird, damit sich Unternehmen hier ansiedeln – und wohlfühlen. Um sich ein Bild aus nächster Nähe zu machen, besuchte er die Firma CC Bäuml an ihrem Standort in Rimbach.

In der Pressemitteilung des Bürgermeisterkandidaten heißt es, der Weg aus der Kernstadt heraus gestaltete sich für das Schwerlast-Unternehmen vor zwei Jahren äußerst holprig. Fast habe Bäuml der Kommune Schlitz sogar ganz den Rücken gekehrt und sich in Hünfeld niedergelassen. Der Grund sei maßgeblich das einladende Entgegenkommen dort gewesen, das im Gegensatz zum Prozedere der Schlitzer Verwaltung stand.

„Ich weiß, dass hier Firmen vom Erwerb bis zur Genehmigung des Flächennutzungsplanes bis zu sieben Jahre mit Warten verbringen. Hünfeld bot die Umsetzung der Formalitäten in zehn Tagen an“, erklärte er. Der zuständige Sachbearbeiter kündigte Bäuml sogar an, dass sich die Verarbeitung um zwei Wochen verschieben könnte, da er im Urlaub sei. Solcherlei Kooperation könne sich wohl niemand in Schlitz derzeit vorstellen.

Mängel in der Kommunikations-Infrastruktur

Laurinat bemängelt vor allem, dass man als investitionswilliger Unternehmer das Gefühl, in Schlitz herzlich willkommen zu sein, durchweg vermisse. „Ich frage mich, ob man die Unternehmen hier überhaupt haben will“, sagte Laurinat. „Diese Trägheit ist heute nicht mehr zeitgemäß. In einer Wirtschaft, die auf Service gebaut ist, kann man sich sowas einfach nicht mehr leisten. Wir haben in vielen Dingen versäumt, mit der Zeit zu gehen.“ Damit spreche er unter anderem die immer noch „eklatanten Mängel“ bei der Kommunikations-Infrastruktur an.

Ein lückenloses Mobilfunknetz, schnelles Internet und gut ausgebaute Straßen seien für jede Unternehmerin und jeden Unternehmer die Voraussetzungen für eine Firmenansiedlung. „Herr Bäuml hat mir von Missständen wie dem Ausbau und der Beleuchtung der Industriestraße und dem Fehlen von schnellem Internet berichtet. Die Probleme wurden bereits vor einem halben Jahr angesprochen, doch auf eine Stellungnahme der Behörde wartet er bis heute“, so Laurinat.

Die Gewerbetreibenden anhören, ihnen respektvoll auf Augenhöhe begegnen – das wolle Jürgen Laurinat als Bürgermeister umsetzen. „Als Unternehmer weiß ich, wie man sich vorkommt, wenn man merkt, dass es der Stadt nur um die Gewerbesteuer geht. Da würde man am liebsten die Zelte abbrechen“, erklärte der Bürgermeisterkandidat.

Der Wunsch: Offenheit, Transparenz und Präsenz

„Mit den Gewerbetreibenden zu kommunizieren, sie zu beraten, aktiv und vor Ort – das ist Teil eines erfolgreichen Miteinanders von Wirtschaft und Verwaltung. Dann finden wir auch heraus, welche Unternehmen hierher passen, wie wir die entsprechenden Gewerbegebiete klug planen und entsprechend ausweisen“, forderte Laurinat. Die Firma Bäuml sei sehr innovativ auf ihrem Gebiet. Das sehe man daran, wie erfolgreich in Rimbach bereits gewirtschaftet werde. Man habe sich in einer Marktlücke erfolgreich etabliert, in der das Unternehmen mit den ganz Großen der Branche zusammenarbeite. CC Bäuml besitze drei der geländegängigsten Zugmaschinen der Welt, übernehme bei der Begleitung von Sondertransporten mit hochmodern ausgestatteten Begleitfahrzeugen Aufgaben, die sonst Polizeisache seien. Ein echtes Highlight sei das neuste Begleitfahrzeug, das das Hinweisschild 360 Grad um das Fahrzeug herum positionieren könne.

Begleitfahrzeug mit 360 Grad schwenkbaren Hinweisschild. Foto: Jürgen Laurinat

Die 1.000 Quadratmeter der neuen Halle seien nach kurzer Zeit schon komplett an Speditionsunternehmen vermietet gewesen. Für Volker Bäuml stelle sich die Frage, ob er demnächst weitere Hallen bauen werde, wenn die Nachfrage nach Kapazitäten weiter so steige. Auch hier seien sich Laurinat und Bäuml einig: „Die Unternehmen benötigen Expansionsflächen, die es Unternehmerinnen und Unternehmern ermöglicht, schnell und strategisch auf die Beschaffenheiten die Märkte zu reagieren.“

Gewerbe in der Kernstadt erhalten

Die Entwicklung sei für Laurinat bedenklich: „Wir sind auf dem besten Weg, aus Schlitz eine Schlafstadt zu machen, gerade wenn man die Idee umsetzt, über ISEK aus den freien gewerblichen Flächen im Kernstadtbereich Wohnraum zu schaffen. Diese Umnutzung ist nicht wieder rückgängig zu machen, wir brauchen aber kreativen Einzelhandel und Gewerbe in der Innenstadt“. Als Teil des Fuldaer Speckgürtels lasse man die Chancen ungenutzt.

Die Kooperation mit Fuldaer Unternehmen, der Verwaltung und weiterer Organisationen, der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs, die Nutzung freier Schaufenster zu Verschönerung des Stadtbildes – Laurinats Liste an Maßnahmen sei lang. Es gehe für ihn darum, das ansässige Gewerbe zu halten und zu fördern und nach außen hin dadurch die Region attraktiv für den Zuzug von Familien und Unternehmen zu machen. Damit ziele er auch auf junge Unternehmensgründerinnen und Unternehmensgründer und habe eine klare Meinung zur aktuellen Haltung der Stadt: „Die absolute Zahl der so genannten Startup Unternehmen ist deutschlandweit in letzter Zeit zwar gesunken, die Zahl der Gründungen aus Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist aber drastisch gestiegen. Es gilt deshalb, sich auch auf diese Unternehmen einzustellen und die Nähe zu den umliegenden Universitäten zu suchen. Zu behaupten, dass Startups für das Schlitzerland keine Rolle spielen, ist eher ein Zeichen für schlechte Unternehmensberatung und Versäumnisse der kommunalen Politik.“

Für Jürgen Laurinat gebe es viel aufzuarbeiten und neu zu gestalten. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister wolle er durch intensive Gespräche zu Bedürfnissen und Zielen mit den hiesigen Gewerbetreibenden eine Kehrtwende einläuten. Denn Ideen habe der erfahrene Unternehmer zuhauf im Aktenkoffer, den er gerne im Rathaus öffnen wolle.

4 Gedanken zu “Viele Versäumnisse gelte es aufzuarbeiten

  1. Das geschlossene Gelände der ehemaligen Brauerei ist die ideale Veranstaltungslocation für kleine Feste und Märkte (Bauern-Märkte, „Oktoberfest“, Kram- und Trödelmarkt, Adventsmarkt, Foodtruck-Festivals usw.). Vor allem könnte man die Marktstände/-Hütten gleich vor Ort einlagern. Durch soziale Projekte könnte man vielleicht auch Fördertöpfe anzapfen, etwa für ein „Tafel-Restaurant“, in dem ehrenamtliche Helfer gespendete Lebensmittel verarbeiten, für einen generationenübergreifenden Treffpunkt, eine Kontaktstelle für Hilfspartnerschaften/Alltagshilfe/Fahrdienste usw.
    Für ein Museums-Eckchen, das der Schlitzer Brautradition gewidmet ist, sollte auch noch ein Plätzchen gefunden werden. Eventuell in Kombination mit einem Ausschank, Kleinbrauerei o.ä.

  2. Laurinats Ideen zum Thema Altstadt und Nutzung des alten Brauereigeländes (https://www.youtube.com/watch?v=PJhpa1Yooco) finde ich sehr gut. Bei letzterer ginge vielleicht noch mehr, z.B. kulturell und sozial. Ein Kunst- und Antiquitätenmarkt, Bücher-Antiquariat, Kleine Theater-Bühne (Puppentheater?), Musik-Kneipe, Fahrradwerkstatt, Reparatur-Cafe usw.

  3. Das klingt nach einem sehr dynamischen Programm, zumindest was die Förderung der heimischen Wirtschaft angeht. Aber in einer Stadt wie Schlitz dürfte es eine Fülle weiterer Probleme bzw. Aufgabenfelder geben. Die Stadt lebt zu einem erheblichen Teil auch vom Tourismus. Hier dürften längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sein, um das oberhessische Rothenburg bekannt und für Gäste noch attraktiver zu machen. Im Altstadtbereich fehlt m.E. eine attraktive, vielfältige Gastronomie.
    P.S.:
    Ich liebe das Städtchen sehr und hoffe, dass im historischen Teil Wohnnutzung inklusive wohnortnaher Versorgung und Gewerbeflächen deutlich getrennt bleiben.

  4. Ja, da tritt einer an, dem „Made in Schlitzerland“ Weltgeltung zu verschaffen. Gut, dass das Einläuten der Kehrtwende erst nach der Bürgermeisterwahl stattfinden soll. Sonst wählen die Bürger statt eines Bürgermeisters am Ende gar noch einen Unternehmensberater und wundern sich dann, dass der sich nur darum bemüht, dass ansiedlungswillige Unternehmer sich wohl fühlen. Drum Leute: Wenn es läutet, schaut genau nach, wo die Glocken hängen. Und schaut mal, ob in dem Aktenkoffer der guten Ideen, der gerne im Rathaus geöffnet werden soll, nicht auch wieder nur lauter Akten drin sind. Die Widerstände der Bürokratie entfalten ihre Wirkung erst, wenn man wirklich etwas verändern will. Und da ist so ein kleiner Bürgermeister auch kein Garant für den galoppierenden Fortschritt.

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