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Diskussionsveranstaltung mit Thomas Schwarze und Swen Bastian über die "Schule von Morgen"„Unterrichtsausfall, Überlastung und Lehrermangel müssen angepackt werden“

VOGELSBERG (ol). Mit Thomas Schwarze, dem designierten Minister für Schulen und Bildung im Regierungsteam der SPD Hessen, diskutierte der heimische SPD-Landtagskandidat Swen Bastian in Reuters gemeinsam mit Lehrerinnen und Lehrern, Gewerkschaftsvertretern und Interessierten über die „Schule von Morgen“.

In der Pressemitteilung der SPD Vogelsberg heißt es, Schwarze, der für die SPD das Kultusministerium führen soll, ist Schulleiter einer großen Gesamtschule in Wiesbaden-Biebrich und durch seine Arbeit in landesweiten Facharbeitskreisen bis in den Vogelsbergkreis vernetzt.

„In Hessen liegt bei der Bildungspolitik nach 19 Jahren Desinteresse von CDU-geführten Landesregierungen so manches im argen“, sagte der Landtags-Direktkandidat Swen Bastian in seinem Eingangsstatement. Die Lehrerversorgung sei allen Sonntagsreden zum Trotz nicht überall gewährleistet, wie das Beispiel der Gudrun Pausewang-Schule in Maar deutlich zeige. Berufsschulen würden gerade in den ländlichen Regionen vor großen Herausforderungen stehen und werden vom Land im Stich gelassen, wenn es gelte, mit innovativen Lösungen die Fachklassen vor Ort zu erhalten. Und bei der Digitalisierung fehle der Landesregierung in Hessen eine zukunftsfähige Strategie. Umso mehr freue es ihn, so Bastian, dass mit Thomas Schwarze, dem Leiter der Wilhelm-Heinrich-von-Riehl-Schule, ein ausgewiesener Pragmatiker, neuer Hessischer Minister für Schulen und Bildung werden solle.

Diskussionen mit anwesenden Lehrern

„Es ist nicht wahr, was momentan von der Landesregierung zum Thema Schule behauptet wird“, räumte Schwarze gleich zu Beginn mit „manchen Halbwahrheiten“ auf. In Hessens Schulen würden Lehrer fehlen: Die CDU habe sich 19 Jahre lang nicht um die Lehrerversorgung gekümmert. Überlastung und Unterrichtsausfall seien die Folgen, skizzierte Schwarze.

„Endlich hört uns einer zu, das ist oft die Reaktion bei meinen vielen Gesprächen mit hessischen Lehrerinnen und Lehrern“, erklärte Schwarze, „Integration, Digitalisierung und die Vorbereitung auf eine veränderte Arbeitswelt sind die Hausaufgaben, welche die CDU in Hessen nicht erledigt hat. Wir werden unsere Schulen modernisieren und die Lehreraus- und -fortbildung reformieren. Heute sind die Wartezeiten auf einen Referendariatsplatz zu lang, der Lehrermangel ist hausgemacht.“ Schwarze führte weiter aus, das Hessen das Bundesland ist, in dem die Herkunft und der Geldbeutel der Eltern immer noch stark über die Bildungschancen der Kinder entscheidet, hier müsse dringend mehr für die Chancengerechtigkeit getan werden.

Der heimische SPD Landtags-Direktkandidat Swen Bastian mit Thomas Schwarze, dem designierten Minister für Schulen und Bildung im SPD-Regierungsteam, bei der Diskussionsveranstaltung in Lauterbach-Reuters. Foto: Matthias Weitzel

Einen breiten Raum soll in der Diskussion mit den anwesenden Lehrerinnen und Lehrern die oft bemühte Lehrerversorgung von 105 Prozent eingenommen haben. „Was nützt mir eine 105 Prozent Abdeckung auf dem Papier, wenn die Fachkombinationen nicht stimmen? Was nützten mir Deutschlehrer, wenn an meiner Schule Bedarf an Mathelehrern herrscht?“, so die übereinstimmende Kritik der Teilnehmer. „Wir brauchen in Hessen dringend eine vorausschauende, moderne Personalplanung an den Schulen, die ich einführen werde“, erklärte Schwarze.

Er sehe sich als Mann der Basis und wolle zu einem wertschätzenden Umgang mit den Lehrerinnen und Lehrern und den anvertrauten Schülerinnen und Schülern zurückkehren. Wenn man Bildungsgerechtigkeit erreichen wolle, dann müsse man dazu alle mitnehmen, die in unseren Schulen tätig seien. Das fange bei einer gleichen Bezahlung im Eingangsamt bei Lehrern an.

Schulen soll mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden

Nach Ansicht der SPD sei es dringend nötig, die Lehrer von unterrichtsfremden Aufgaben zu entlasten. „Die Zentralisierung der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die Schulämter ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können, vieles wird vom Kultusministerium in Wiesbaden zentral vorgegeben“, kritisierte Schwarze, „das wollen wir ändern, denn die Schulen vor Ort wissen am besten, was gut für die Schülerinnen und Schüler ist“. Hier gebe es keine einheitlichen Lösungen. Schwarze wolle den Schulen die notwendigen Freiheiten geben, Dinge vor Ort praxisnah zu entscheiden. Gerade in den ländlichen Regionen sei ein wohnortnahes breit gefächertes Angebot und der Erhalt auch kleiner Schulstandorte wichtig.

„Am 28. Oktober besteht die Möglichkeit, Unterrichtsausfall, Überlastung und Lehrermangel in Hessen abzuwählen. Es ist Zeit für den Wechsel, das spüren auch die Menschen im Land. Es ist höchste Zeit, dass den Schulen in Hessen wieder die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die sie verdienen und aktuell mehr denn je brauchen.“, so Swen Bastian zum Abschluss des Fachgesprächs.

Schwarze und Bastian während der Diskussionen. Foto: Matthias Weitzel

Ein Gedanke zu “„Unterrichtsausfall, Überlastung und Lehrermangel müssen angepackt werden“

  1. Meine Bekanntschaft mit sozialdemokratischer Bildungspolitik in Hessen reicht in die Zeit gegen Ende der 1970er Jahre zurück. Damals hatte die Partei im „SPD-Land Hessen“ gerade ihre absolute Mehrheit verloren und hielt sich mit Hilfe des Koalitionspartners FDP gerade so an der Macht, während die CDU stärkste Partei im Wiesbadener Landtag wurde. Es war die Zeit des „roten Filzes“ und der polarisierenden Bildungsreformen. Förderstufe, Gesamtschule und Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre sowie die Abschaffung des Fachs Geschichte trieben die Eltern der „bürgerlichen Mitte“ auf die Barrikaden.
    Die „geburtenstarken Jahrgänge“ überfluteten die Schulen. Man baute dysfunktionale Bildungsfabriken mit teilweise über 2000 Schüler*innen. Die durchschnittlichen Klassengrößen lagen (gefühlt) bei 35. Privatschulen und Internate wurden zu „Fluchtburgen der Pädagogik“ hoch stilisiert (vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40349648.html), in denen es noch menschlich zugehe, Zucht und Ordnung herrschten und traditionelle Unterrichtsinhalte gepflegt würden.
    Die alte Lehrerautorität war dahin. In den stark verjüngten Lehrerkollegien verdrängte Freizeitkleidung den grauen Einreiher und taubenblauen Faltenrock. Wenn die Kinder nicht über Tisch und Bänke gingen, machte sich der Junglehrer Vorwürfe, die emanzipatorischen Unterrichtsinhalte nicht richtig umgesetzt zu haben. Auch an den Gymnasien wich akademische Strenge einer wankelmütigen Beschwichtigungspädagogik. Im Unterricht rebellierte die Jugend, zu Hause und in Elternversammlungen rebellierten die Eltern, weil ständig nur rebelliert und diskutiert werde. Gleichzeitig griff „sexuelle Befreiung“ um sich. In der Jugendherberge brachte der Junglehrer seine Schülerinnen mit einem Kuss auf den Mund zu Bett, während an der Odenwaldschule und anderen „reformpädagogischen“ Traditionsinternaten aus der Wandervogel-Ära mehr gevögelt als gewandert wurde.
    Das „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit verblasste unter dem Eindruck von Ölkrise und steigenden Arbeitslosenzahlen, und die Finanzierung der vielen kurz zuvor aufgelegten Reformen erwies sich als schwierig. Es begann eine rigorose Beschränkung der Stellen im Bildungswesen (Lehrerarbeitslosigkeit!), deren Folgen heute noch spürbar sind.
    Wer all dies „im Hinterkopf“ hat, glaubt den hier geäußerten bildungspolitischen Flötentönen kein einziges Wort. Ja, es mag im Bildungswesen „manches im argen“ liegen. Aber niemand, der einen gewissen zeitgeschichtlichen Horizont hat, würde darauf vertrauen, dass eine SPD-geführte Landesregierung es besser machen würde.

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