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Familienbündnis informiert sich über alternative Wohnformen im AlterJetzt zieht es auch Ältere in die WG

VOGELSBERG (ol). Eine WG – ist das nur etwas für Studenten und junge Leute? Schon längst nicht mehr. Denn mittlerweile haben auch „die Alten“ diese alternative Wohnform für sich entdeckt. Zusammen mit anderen Senioren unter einem Dach – und dabei so lange wie möglich selbstständig leben, solche Modelle gibt es auch im Vogelsbergkreis. Horst Helm aus Alsfeld hat so eine Wohngemeinschaft gegründet und auch Jürgen Heel aus Hochwaldhausen betreibt eine Senioren-WG.

Beide waren jetzt zu Gast beim Vogelsberger Familienbündnis und stellten ihre Einrichtungen vor. In der Pressemitteilung des Kreises heißt es, das Familienbündnis wurde von zehn Jahren gegründet und hat zum Ziel, die Region noch familienfreundlicher zu machen. Verschiedene Themen werden in verschiedenen Arbeitsgruppen behandelt. Acht solcher Handlungsfelder gebe es insgesamt, in denen Ehrenamtliche und Hauptamtliche zusammenarbeiten. Um die alternativen Wohnformen ging es nun in einer gemeinsamen Sitzung der Handlungsfelder „Bürgerschaftliches Engagement“ und „Gesundheit und Pflege“ im Sitzungssaal des Landratsamtes.

Seniorenwohnungen für ein weiterhin selbstständiges Leben

2013 war es, als Horst Helm ein leerstehendes Haus in der Nachbarschaft kaufte und umbaute. Es entstanden zwei größere Wohnungen – geeignet für Ehepaare – sowie kleinere Appartements. Alle Wohnungen verfügen über Balkon oder Terrasse, berichtete Horst Helm. Den Senioren stehe weiterhin ein großer Gemeinschaftsraum zur Verfügung, in dem sich bis zu 20 Gäste bewirten lassen. Außerdem gebe es einen Wintergarten und natürlich einen großen Garten.

„Wir sind lediglich der Vermieter“, stellte Horst Helm fest. Betreut werden die derzeit sieben Bewohner – sie alle haben eine Pflege-Einstufung – von der Sozialstation. 20 bis 22 Stunden in der Woche ist zudem eine Präsenzkraft im Haus, die mit den älteren Herrschaften bastelt, Kaffee trinkt oder kocht. Sie übernimmt auch Fahrten zum Arzt oder organisiert den gemeinsamen Einkauf.

Was früher von der Familie aufgefangen wurde, bedarf heute Einrichtungen

In der Senioreneinrichtung von Jürgen Heel in Hochwaldhausen stehe eigentlich die stationäre Pflege im Fokus, trotzdem habe er vier Wohnungen für Senioren eingerichtet, die selbstständig leben wollen. Dabei wird – je nach Wunsch – Unterstützung geboten, die Bewohner können zum Beispiel an den Angeboten der stationären Pflege teilnehmen oder in der Einrichtung essen. „Aber sie können sich zurückziehen und haben damit nicht das Gefühl, im Altenheim zu sein“, sagte Heel.

„Das ist eine gute Alternative“, kommentierte die Seniorenbeauftragte des Kreises und Handlungsfeld-Sprecherin, Rosemarie Müller, am Ende des Vortrags. „Früher wurde das alles in der Großfamilie aufgefangen, deshalb sind wir dankbar, dass es heute solche Einrichtungen gibt.“

5 Gedanken zu “Jetzt zieht es auch Ältere in die WG

  1. @ W. Hinz, nur zur Ergänzung

    Hallo Herr Hinz,
    gerade eben wurde ein Beitrag in ZDF-WISO gesendet, der Ihre Behauptung, die notwendigen Betreuungsleistungen für Senioren-WG-Bewohner würden von den Pflegekassen bezahlt, vollständig widerlegt!
    1. Es gibt kein Angebot an haushaltsnahen Dienstleistungen! Ambulante Pflegedienste halten entsprechendes Personal nicht vor, weil dieses teuer auf Kosten der Einrichtung qualifiziert werden muss, weil mit solchen Betreuungsleistungen nicht viel zu verdienen ist und weil auch Mangel an geeigneten Kräften in diesem Sektor herrscht.
    2. Die Beträge, die die Pflegeversicherung für Betreuungsleistungen der in Rede stehenden Art zur Verfügung stellt, sind viel zu gering. Sie reichen nur für wenige Stunden in der Woche.
    3. Genau das macht es aber gerade für Senioren auf dem Land zusätzlich schwer, entsprechende Anbieter für haushaltsnahe Dienstleistungen zu finden, weil die Anfahrzeiten im Verhältnis zur dann vor Ort noch zu leistenden Arbeitszeit zu lang sind.
    Den gesamten Beitrag, der zudem noch auf die Probleme pflegender Angehöriger eingeht, sich durch Haushaltshilfen, Tagespflege o.ä. zu entlasten, finden Sie unter https://www.zdf.de/verbraucher/wiso/verbesserungen-in-der-ambulanten-pflege-100.html !
    Ich habe das Thema bereits einmal im Handlungsfeld Gesundheit und Pflege des Familienbündnisses Vogelsberg angesprochen (vgl. https://fz35327.blogspot.de/2017/03/alltagshilfen-furnoch-nicht.html), wurde aber von den versammelten Behördenvertretern und Anbietern von Pflegeleistungen vollständig abgebügelt. Gibt’S DOCH alles, haben wir schon, brauchen wir nicht… Die alte Leier, mit der jeder Hinweis auf Lücken in den Versorgungsstrukturen abgewehrt wird. Zugelassen wird nur Zustimmung, Jubel, Eigenlob. Die Wirklichkeit wird systematisch ausgeblendet. Im Vogelsberg ist grundsätzlich alles bestens und dank Landrat Görig und der Groko haben alle alles, was sie brauchen. Und wehe, es sagt jemand etwas anderes…
    Inzwischen kann ich nur noch den Kopf darüber schütteln, welches Maß an Realitätsverlust und Realitätsverleugnung die Vogelsbürger sich bieten lassen. Da hilft nur noch der Vogelsbergsong: Wir sind die Kinder des Vulkans, nana na nananana… Also, wer hat hier was nicht richtig verstanden?

  2. @ W. Hinz

    Hallo Herr Hinz,
    vielen Dank für Ihren Denkanstoß! Es geht mir nicht darum, „immer alles so schwarz sehen“. Ich habe auch nichts gegen die beiden Herren, die in der beschriebenen Veranstaltung ihr Wohn-Angebot präsentiert haben. Ich selbst war 25 Jahre Sozialunternehmer in Hessen und wäre der letzte, der gegen solche privaten Initiativen argumentieren würde.
    Es geht mir um das Verständnis des Vogelsbergkreises von Daseinsvorsorge für die Generation 60 Plus bzw. die Arbeitsweise des Familienbündnisses.
    Das zentrale Problem angesichts des demografischen Wandels, der den Vogelsbergkreis in besonderer Weise betrifft, ist doch nicht, wie man eine Handvoll älterer Menschen, die bereits Unterstützungsbedarf im Alltag haben und an der Grenze zur Pflegebedürftigkeit stehen, in barrierefreien Neubauwohnungen irgendwo am Rand einer Kleinstadt (Alsfeld) unterbringt oder in ein Pflegeheim mit angeschlossenem „betreuten Wohnen“ verfachtet, das in einem entlegenen Dorf namens „Hochwaldhausen“ angesiedelt ist. Es geht darum, der wachsenden Zahl immer älter werdender Menschen so lange es irgend geht ein selbstbestimmten Leben in ihrem vertrauten Wohnumfeld zu ermöglichen und regionale Entwicklungskonzepte auszuarbeiten, die diesem Bedürfnis durch Gestaltung der Wohnquartiere Rechnung tragen. Überall in Deutschland – mit Ausnahme des Vogelsbergkreises – laufen die Planungen auf Hochtouren (Beispiel http://verein.fgw-ev.de/meldungen.html?mid=61). Es geht ganz konkret um neue Wohn- und Wohn-Pflege-Formen im ländlichen Raum. Es geht um Tausende von Menschen im Vogelsberg, um Millionen im gesamten Bundesgebiet. Selbstbestimmtes Leben heißt nicht, sich innerhalb eines Pflegeheims in ein eigenes Appartement zurückziehen zu können. Das kennt man von sog. „Seniorenresidenzen“ schon seit Jahrzehnten. Was ist daran „alternativ“?. Und von einer Senioren-Wohngemeinschaft spricht man erst, wenn die verschiedenen Bewohner sich selbst organisieren, das heißt ihr Leben gemeinsam gestalten und nicht nur unabhängig voneinander ein Appartement anmieten und bei Bedarf zusätzliche Dienstleistungen von außen bzw. ihres Vermieters zubuchen. Genau das ist in den vorgestellten Wohnprojekten der Fall. Es handelt sich bei den vorgestellten Projekten – entgegen der Überschrift – weder um alternatives Wohnen noch um Wohngemeinschaften (siehe http://www.xn--wir-fr-uns-eg-0ob.de/resources/Wissenswertes+zu+Senioren-WG.pdf), sondern um den üblichen Etikettenschwindel, den ich seitens Kreispolitik und Kreisverwaltung seit langem beobachte. Nichts, was von dieser Seite propagiert wird, ist durch den fachwissenschaftlichen Diskurs abgedeckt. Man lebt im Kreishaus offensichtlich in einer eigenen Filterblase. Was außerhalb des Vogelsbergkreises vor sich geht, nimmt man nicht zur Kenntnis.
    Schauen Sie sich doch einmal das Regionalentwicklungskonzept 2014-2020 des Vogelsbergkreises an (http://www.vogelsberg.de/images/Wirtschaft-Entwicklung/2015/VulkanAktiv-REK2014-2020RegionVogelsberg.pdf). Da finden Sie keinerlei Planungen für alternatives Wohnen bzw. Wohn-Pflegearrangements, sondern nur Überlegungen, wie man durch geschicktes „Standortmarketing“ den Eindruck ausreichender Versorgungsstrukturen erwecken könnte. Man verkauft seit Jahren des Kaisers neue Kleider, und die Vogelsbürger merken nichts.

    Den Satz: „Ich bin von diesen privaten Wohngemeinschaften begeistert und bin froh, dass es so etwas bei uns gibt.“ würde ich mir noch mal gründlich überlegen. Sie haben wohl nicht richtig hingesehen. Genauso wie Familienbündnis und Kreispolitik. Auch Ihre Aussage: „In diesen private WG’s zahlen sie eine ganz normale Miete. Die zubuchbaren Leitungen bezahlt die Pflegekasse.“ würde ich auf den Prüfstand stellen. Das Seniorenheim Heel berechnet für ein „Senioren-WG-Zimmer“ von 10 bis 35 m² zu einem Mietpreis zwischen 294,- € und 765,- € pro Monat (http://www.seniorenheime-heel.de/senioren_wohngemeinschaft/preise.html). Das entspricht einem Quadratmeter-Preis von 29,40 Euro für das kleinste bis 21,85 Euro für das größte Zimmer. Wenn Sie das für eine „normale Miete“ halten, kann ich Sie nur mit dem Satz zitieren: „Es kann ja auch jeder machen [sehen] wie er es will.“
    Die gesetzliche Netto-Altersrente in der Bundesrepublik liegt unter 770 Euro (https://www.geldtipps.de/rente-pension-altersvorsorge/gesetzliche-rente/durchschnittliche-altersrente-liegt-unter-770-euro). Allein ein Menü-Service („Essen auf Rädern“), den die Pflegeversicherung nur bei spezifischem Mehrbedarf bezahlt, kostet um die 180 Euro monatlich (bei Fa. Heel 165,- Euro). Ziehen Sie mal die Kosten für Miete und eine warme Mahlzeit pro Tag von der Netto-Rente ab. Da bleibt kaum noch was übrig. Mein Rat also: Genau hin und nicht alles so rosig sehen! Optimismus ist meistens ein mangel an Information.

  3. Hallo Herr Lange,ich glaube sie haben das Betreuungskonzept nicht verstanden.Sie reden von“privat zubuchbaren Leistungen“ die sich nicht jeder leisten kann.Sie reden von „Luxus-Betreuungsarrangement“.In diesen private WG“s zahlen sie eine ganz normale Miete.Die zubuchbaren Leitungen bezahlt die Pflegekasse.Mein Nachbar wohnt seit 20 Jahren in seiner Mietwohnung und wird vom Pflegedienst betreut.Aber er ist sehr einsam.
    Ich bin von diesen private Wohngemeinschaften begeistert und bin froh dass es so etwas bei uns gibt.Es kann ja auch jeder machen wie er es will.Also nicht immer alles so schwarz sehen.

  4. Ich finde das gut. Auch alte Menschen sind Menschen, die genauso ein Recht auf würdiges Leben und Selbstbestimmung haben wie andere auch.

  5. Wenn ich es richtig sehe, haben hier zwei Privatunternehmer ihr Nutzungskonzept für eine größere, zuvor leer stehende Immobilie bzw. die Erweiterung eines Pflegeheims um einige Wohnungen mit zubuchbaren Betreuungsleistungen vorgestellt. Ein gewisser Bedarf an solchen Angeboten (Wohnen Plus) mag durchaus vorhanden sein. Hier bestand offensichtlich ein Interesse des Familienbündnisses/der Kreispolitik daran, öffentlich darzustellen, dass es „solche Modelle“ auch im Vogelsbergkreis gebe. Das wissen wir also jetzt.
    Es gibt aber auch so etwas wie die Pflicht des Staates bis hin zum Landkreis und den einzelnen Kommunen, die Versorgung der Bevölkerung – zum Beispiel im Alter – mit geeigneten Versorgungsstrukturen/den notwendigen Einrichtungen sicher zu stellen (Daseinsvorsorge). Privatwirtschaftliche Angebote als „gute Alternative“ zu loben und dankbar zu sein, „dass es heute solche Einrichtungen gibt“, wie die Seniorenbeauftragte des Kreises, Rosemarie Müller, hier zitiert wird, hat ja wohl mit den in einer alternden Gesellschaft zu schaffenden Versorgungsstrukturen rein gar nichts zu tun. „Früher wurde das alles in der Großfamilie aufgefangen…“ Ach ja, und heute fangen das zwei Privatunternehmer mit ein paar Seniorenwohnungen auf, die sich wahrscheinlich einschließlich der privat zubuchbaren Betreuung kaum ein Rentner aus eigenen Mittel leisten kann? Und der Landkreis sagt: Vielen Dank! Wie schön, dass es das auch im Vogelsbergkreis gibt?
    Kommunale Daseinsvorsorge sieht anders aus. Das kann man in den benachbarten Landkreisen sehr anschaulich studieren. Im Vogelsbergkreis gibt es lediglich Veranstaltungen der oben beschriebenen Art, die als Werbeveranstaltungen für Privatunternehmen vielleicht gerade noch durchgehen. Aber was machen denn diejenigen Senioren, die sich nicht einfach ein Luxus-Betreuungsarrangement kaufen können, das ihnen die Illusion von Selbständigkeit vermittelt. Was machen denn die vielen alten Leute, die noch „selbständig“ in ihren nicht unbedingt seniorengerechten Häusern und Wohnungen leben, aber zunehmend auf Unterstützung (haushaltsnahe Dienstleistungen) angewiesen wären, um noch weitgehend eigenverantwortlich in den eigenen vier Wänden schalten und walten zu können? Die möchten vielleicht gern in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und nicht irgendwo an den Stadtrand oder ein Dorf ohne Infrastruktur umziehen, von den Kosten mal ganz abgesehen. Hört endlich auf, nur immer um die Lebensrealitäten herum zu reden und Euch um die Pflichten kommunaler Daseinsvorsorge herum zu drücken! Wo sind denn die Pflege-Wohngemeinschaften oder Anbieter von lebensweltnahen Dienstleistungen, die der Normalrentner bezahlen kann? Wo ist die Pflegeversicherung, die den tatsächlichen Bedarf abdeckt, statt mit einem lächerlichen Teilkasko-Modell nur Almosen an Pflegebedürftige und pflegende Angehörige zu verteilen? Rentner, wehrt Euch! Wählt keine Parteien, die diesen Mist als „Fortschritt“ ausgeben, während sie es der Pharmaindustrie und diversen anderen Interessenverbänden erlauben, das Gesundheitssystem nach Strich und Faden auszuplündern! Siehe
    http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/200658/lobbyismus-in-der-gesundheitspolitik?p=all

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