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„Deutschland verändert sich – Perspektiven für den Mittelstand“ in der Frankfurter JahrhunderthalleVR Bank Hessenland beim Unternehmertreff dabei

ALSFELD/FRANKFURT (ol). In Frankfurter Jahrhunderthalle diskutierten unter dem Titel „Deutschland verändert sich – Perspektiven für den Mittelstand“ neben Bundesfinanzminister Schäuble, Siemens-Vorstandsvorsitzender Kaeser, Grünen-Vorstand Özdemir und Drogerie-Chef Roßmann. Die VR Bank Hessenland war auch in diesem Jahr mit mehr als 50 Vertretern aus Wirtschaft und Politik dabei.

Das geht aus einer Pressemeldung des Geldinstituts hervor. Nach Ansicht des Bundesfinanzministers hat die Zuwanderung Europa in den vergangenen Monaten erschüttert. Sie zeuge davon, dass Europa und vor allem Deutschland viel stärker in die Globalisierung eingebunden seien als bisher geglaubt. Europa befinde sich aktuell in einer Krise. Dabei wollen die Menschen, trotz aller Ängste, ein vereintes Europa, so Schäuble. Es gelte daher, die Bindung der Menschen zu Europa zu stärken. Die Kritik an der Staatengemeinschaft bezieht sich nach Ansicht des Ministers im Kern nicht allein auf die EU, sondern gelte der Globalisierung insgesamt und spiegelt das Gefühl der Menschen, mit dem Tempo der Digitalisierung nicht mehr Schritt halten zu können, wider. Wichtig für Europa sei die Erkenntnis, Probleme nur gemeinsam lösen zu können. Zudem sei beim Thema Digitalisierung ein europäischer Markt notwendig. Einzelne Staaten seien dafür nicht schlagkräftig genug.

Proportionale Regulierung, Einlagensicherung und Eigenkapitalregeln

In Europa und der EU-Kommission finden die Vorteile des deutschen Bankensystems mit seinen drei Säulen immer mehr Zustimmung, bekräftigt Schäuble. Die von Verbandspräsident Bockelmann geforderten proportionalen Regelungen für kleine Kreditinstitute einerseits und große systemrelevante Banken andererseits wertet der Finanzminister als notwendig. Hierfür werde er sich einsetzen. Als Beispiel für verfehlte Rahmenbedingungen nannte Bockelmann die europäische Einlagensicherung, die falsche Anreize setze, statt Prävention zu forcieren. „Eine gemeinsame Einlagensicherung ist nicht die Lösung für die Probleme der Banken in Europa“, so Schäuble. Die Stabilität seiner Banken müsse jedes Land zuerst einmal selbst sicherstellen. Wo Handlungsbedarf bestehe, stelle die europäische Aufsicht nach einheitlichen Maßstäben fest.

Im Hinblick auf die Anpassungen der Basler-Eigenkapitalregeln sagte der Bundesfinanzminister eine intensive Abstimmung voraus. Man dürfe nicht zulassen, dass die Eigenkapitalunterlegung für Kredite an regionale Kunden, die den Banken seit langem bekannt sind, denselben Standards unterliegt, wie anonyme Großkredite. Damit stoße Schäuble ins selbe Horn wie Bockelmann. Nach den morgendlichen Äußerungen des Finanzministers zu den sogenannten Panama Papers bietet sich nach Schäubles Ansicht die Möglichkeit, stärker gegen den Missbrauch von Briefkastenfirmen zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorzugehen. „Also: Bleibe lasse“, riet der Finanzminister.

Digitalisierung und „FinTechs“ im Mittelstandsbanking

Positiv habe Bockelmann die von der EU-Kommission angekündigten Erleichterungen bei Mittelstandskrediten bewertet und dass weite Teile des Mittelstands die Chancen der Digitalisierung aktiv nutzen und immer stärker auf Angebote der Volksbanken Raiffeisenbanken zurückgreifen.

Für die mittelständischen Banken gelte es, nicht jede, aber die besten Innovationen der „FinTech-Branche“ aufzugreifen. Als Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung solcher Innovationen habe Bockelmann die Bezahlsysteme „PayDirekt“ und „Girocard mobile“ genannt, die Kunden deutsche Datenschutzstandards böten. „Die meisten ‚FinTech-Unternehmen‘ werden scheitern. Doch die, die überleben, verändern die Welt“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser zu den Folgen der Digitalisierung für Banken.

Industrie 4.0

Ein maßgeblicher Treiber der Veränderung im Mittelstand sei die Digitalisierung. Wie Deutschland auf die Digitalisierung reagiere, entscheide über die Zukunft der Nation. Davon sei Kaeser überzeugt und zeige sich optimistisch, dass die deutsche Wirtschaft diese Herausforderung meistern werde. Im Zeichen von Industrie 4.0 spiele die Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle. Als besonders innovativ und kreativ hätten sich dabei inhabergeführten Unternehmen erwiesen.

Daher gelte es, diese Eigentümer- und Innovationskultur auch in die Großunternehmen zu integrieren. Die Maxime im Hause Siemens laute folgerichtig: „Handle so, als wäre es dein eigenes Unternehmen“. Nicht die größten und auch nicht die schnellsten Unternehmen würden überleben und den Wandel gestalten, sondern diejenigen, die sich am besten an die sich immer rasanter ändernden Bedingungen anpassten. Die Stärken von Industrie und Handwerk sowie die hohe Reputation von „Made in Germany“ seien gute Voraussetzungen, so Kaeser. Wir müssen nicht ins Silicon Valley fahren, um zu sehen, wie Start-ups funktionieren. „Es gab in Deutschland schon eine Gründungskultur, als es im Silicon Valley noch nicht einmal Garagen gab“, sagte Kaeser.

Menschenrechte und Wirtschaft nicht voneinander trennen

Schäuble habe ferner dafür plädiert, im Umgang mit Russland und der Türkei Klartext zu sprechen. „Wir dürfen Menschenrechte und Wirtschaft nicht voneinander trennen“, so Schäuble und habe dabei auf die Präambel des Grundgesetzes verwiesen. Demnach verpflichten sich die Deutschen dem Frieden zu dienen. Dies habe heute nicht an Aktualität verloren.

Die Unternehmer hätten auch den diesjährigen Wirtschaftstag als ausgesprochen interessante Veranstaltung mit herausragenden Referenten und eindrucksvollen Redebeiträgen beurteilt – aktuell und vor allem: am Zahn der Zeit mit zukunftsgerichtetem Blick aus unterschiedlichen, branchenübergreifenden Perspektiven.

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