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SPD und ALA im Disput mit Bürgermeister Paule über Wirtschaftsförderung – Bericht und Kommentar zu einer langen, kontroversen SitzungWie viel Wirtschaft ist im städtischen Interesse?

ALSFELD. Die Geschichte zu dieser Sitzung ist schnell erzählt: Nach dem Streit um ausbleibende städtische Förderung für die Klosterspieltage und damit einhergehend um eine mögliche Förderung der Werbe-Website „Erlebnis Alsfeld“ wollten SPD und ALA ganz genau wissen, wie die Stadt mit Werbe-Broschüren und -Portalen verbandelt ist. Man berief eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses am Mittwochabend ein, um Bürgermeister Stephan Paule auf den Zahn zu fühlen – und lud dabei auch Vertreter der Alsfelder Wirtschaft hinzu. Heraus kam ein zweieinhalbstündiger Disput, in dem grundverschiedene Sichtweisen aufeinander prallten. Einziges Ergebnis: die Bitte, man möge die Impressen überarbeiten.

 Es gehe um eine klar sichtbare Trennung zwischen städtischen Interessen und dem Interesse Alsfelder Wirtschaft, stellte Michael Riese (ALA) in einer einleitenden Stellungnahme klar, nachdem Bürgermeister Paule, der städtische ‚Wirtschaftsförderer Uwe Eifert, der Vobitz-Inhaber Torsten Schneider und der Verkehrsvereinsvorsitzende Hartmut Koch Ziele und Aufgaben der Wirtschaftsförderung einerseits sowie des Werbeportals „Erlebnis Alsfeld“ und des Verkehrsvereins erläutert hatten. Wenn die Stadt eine werbende Website haben will, so erklärte Riese beispielsweise, dann müsse sie sie selbst und alleine betreiben – und bezahlen, um alleine Inhalte drauf zu bringen. Wie auch in allen anderen städtischen Belangen.

Michael Riese und der SPD-Fraktionssprecher Swen Bastian waren die Wortführer der kritisch fragenden Seite, und Riese stellte klar: Wirtschaftspolitik bedeute nicht, dass die Politik ein Anhängsel der Wirtschaft sei, sondern die Stadt solle ihren Willen ausdrücken, welches Unternehmensengagement sie wolle und welches nicht: „Sie muss Ja oder Nein sagen! Das ist Wirtschaftspolitik!“ Dabei hätten die Einwohner „Anspruch auf Transparenz und zu sehen: Wer macht was?“

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Überzeugungsarbeit: Torsten Schneider erklärt dem Ausschuss die Arbeitsweise von Erlebnis-Alsfeld.

Riese und Bastian zielten dabei unter anderem auf die städtische Website „Alsfeld.de“ ab, die vor Jahren in Zusammenarbeit mit dem Werbeunternehmen Vobitz entstanden ist, oder auf Broschüren wie „Rund um Alsfeld“, die den Eindruck erweckten, sie seien Produkte der Stadt Alsfeld. Letztere sind Erfindungen und Produkte von Vobitz – was bislang auch vielen Stadtverordneten offenbar nicht bewusst war (welche Beteiligung Vobitz wo hat, geht detailliert aus einem offenen Brief hervor, den Torsten Schneider vor Wochen an sie verschickte). Der rein private Charakter werde nicht erkennbar, so die Kritik – und es sei unstatthaft, wenn der Bürgermeister den Abstand in seinem Grußwort nicht erkennbar mache.

Es gehe darum, so bekräftigte Bastian diesen Ansatz, dass erkennbar werde: „Wo ist Stadt drin, wer ist da sonst noch drin?“ Er kritisierte einmal mehr ein Engagement der Stadt bei dem neuen Werbeportal „Erlebnis Alsfeld“, das mittlerweile von 70 städtischen Unternehmen mit getragen wird. Es gebe schließlich auch andere Werbe-Anbieter in der Stadt.

Bürgermeister Paule hielt entgegen, dass die Kritiker „eine ideale Welt“ wünschten, in der die Stadt im Stil eines Staates viel Geld zur Verfügung habe. „Für praktisches Handeln ist das hanebüchener Unsinn!“ Das Handeln der Stadt und der Wirtschaft seien nicht hundertprozentig voneinander zu trennen, wenn ein Ziel erreicht werden soll: „Sie sind in zahlreichen Punkten aufeinander angewiesen.“ Beispiel sei der Pfingstmarkt, bei dem unter dem Dach der Stadt als Veranstalter gleich drei Unternehmen agieren. Den gemeinsamen Etat verwaltet der Stadthallen-Betreiber Torsten Schneider als ein Beteiligter.

Quintessenz der Sitzung, die nur Auftakt für weitere Diskussion sein soll, ist erst einmal die Bitte von Riese wie Bastian: Wenigstens die Impressen der Websites und Broschüren sollten klar machen, wer welche Beteiligung hält.

Eine der wenigen Fragen aus anderer Ecke stellte fast gegen Ende der FDP-Vertreter Rolf-Peter Stein nach der Feststellung, dass ihn ein Punkt an der Diskussion störe: „Wieso fragt Ihr das jetzt?“ Manche der diskutierten Broschüren gibt es seit etlichen Jahren. „Jetzt fragt Ihr: Was ist das falsch gelaufen?, meinte Stein und folgerte: „Ich sehe hier eine Diskussion, die hochgepuscht wird!“

Der Kommentar:

Rolf-Peter Stein stellte die richtige Frage: warum eigentlich jetzt? Denn sowohl Michael Riese als auch Swen Bastian haben im Kern ihrer Kritik zwar nicht Unrecht: Natürlich gehört grundsätzlich in jede Broschüre und jede Website Aufklärung darüber, wer dahinter steckt. Da gibt es durchaus auch gesetzliche Vorgaben drüber, die gewisse Transparenz sicherstellen sollen. Jede Zeitung in Deutschland enthält ein Impressum. Aber auch diesen Wunsch nach Transparenz kann man showmäßig übertreiben, und so wie ein Impressum nicht enthält, wer welche Gesellschafter-Anteile im Wirtschaftsbetrieb der Zeitung stecken, ist auch die Frage müßig, wie groß der städtische Anteil an der Pfingstmarkt-Seite genau ist. Die Stadt ist beteiligt, geht daraus hervor, verantwortlich für die Seite ist Torsten Schneider. Das ist die relevante Information.

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Die Vorsitzende: Kerstin Dietrich (ALA), hier mit Bürgermeister Paule und dem Stadtverordnetenvorsteher Heinz Heilbronn, leitete die Sitzung.

Aber auch ohne diesen Aspekt erregt das aktuelle Interesse den Argwohn, den der FDP-Mann Stein andeutet: Warum jetzt? Einige der diskutierten Objekte sind etliche Jahre alt – und entstanden, als das Rathaus noch fest in SPD-Hand war. Unter aktiver Mitwirkung von Alt- und SPD-Bürgermeister Ralf Becker etwa entstand die städtische Website „Alsfeld.de“, und die anfängliche Kritik an möglicher Interessenverquickung kam nicht von der Genossenbank im Stadtparlament. Das Stadtparlament hatte überhaupt herzlich wenig damit zu tun. Jetzt auf einmal kehren SPD und ALA die reine Lehre hervor: da ein CDU-Bürgermeister im Amt ist – und nächstes Jahr Wahlen anstehen? „Nachtigall, ich hör dir trappsen!“, sagt dazu ein Sprichwort. Dass es jetzt eben mal Zeit sei, wie Swen Bastian als demokratische Pflicht hervor kehrte, klingt nicht wirklich überzeugend.

So hatte das Ganze etwas von einer Polit-Show, in dem es weniger auf Antworten ankam (die großenteils ja auch lange bekannt sind oder sein könnten) als darauf, kritische Fragen öffentlich zu stellen. Oder anders: Es hatte den Eindruck, dass es darum ging, die CDU-geführte Stadtverwaltung vorzuführen. Unterstellt man dabei tatsächlich politischen Willen nach Aufklärung und nicht nur Wahlkampf-Kalkül, offenbart sich mit den Fragen zugleich eine Haltung, die zumindest auf unserer kleinteiligen Ebene bedenklich wirkt: nach einem grundsätzlichen Gegenüber zwischen Stadt und Wirtschaft in der Stadt. Als hätten beide Seiten – und damit die Einwohner – nichts miteinander zu tun, als sei die Verwaltung nur eine kalte Kontrollinstanz. Das erinnert übrigens an tatsächliche Begebenheiten in den vergangenen Jahren, als dem Vernehmen nach Veranstaltungen bis hin zum Stadtfest auf der Kippe standen, weil den Machern im Weinhaus die Haltung entgegen schlug: Ja, wenn Ihr unbedingt etwas veranstalten wollt, dann seht Ihr auch zu, dass Ihr das hinkriegt. Was geht’s uns an? Soll es das sein?

Letztlich: Natürlich sind Fragen wie die nun gestellten legitim. Aber sie in dieser Art – geballt in einer eigens einberufenen Sitzung – eher unmotiviert zu stellen, bringt Alsfeld einen Beigeschmack, der tatsächlich eine Art „Kollateralschaden“ sein könnte, wie der Vobitz-Inhaber Torsten Schneider SPD und ALA am Ende entgegenhielt: Von außen kommt der Eindruck auf, dass Alsfeld ein zerstrittenes Pflaster ist. Alles wegen ein paar Euro, die die Stadt vielleicht bei Erlebnis-Alsfeld für Werbung investieren könnte.

Axel Pries

5 Gedanken zu “Wie viel Wirtschaft ist im städtischen Interesse?

  1. @Braun: In ganz Deutschland setzen Städte für Ihre Bürger- und Touristeninformationen auf Werbeverlage, die Werbekunden akquirieren und damit das Produkt finanzieren. Überall das gleiche Strickmuster: Herausgeber ein Verlag/Firma und die Inhalte von der Stadt. Nur in Alsfeld soll dies plötzlich falsch sein? Das scheint einzig und allein eine üble politische Kampagne zu sein.

  2. In der Alsfelder Politik geht es nicht nach Sinn oder Unsinn sonder Partei gegen Partei, nach dem Motto koste es was es wolle und wer nicht für uns ist ist gegen uns!

    Besinnt euch mal auf die wichtigen Dinge, macht euch Gedanken was gut für Alsfeld, und nicht was gut für eure Partei ist!

    Bei so einem Schuldenberg gehört Alsfeld eigentlich zwangsverwaltet ganz ohne Politik und Politiker!

  3. Wenn es Verflechtungen zwischen Vobitz und der Stadt Alsfeld gibt so müssen diese rigoros aufgedeckt und abgestellt werden!!!

    ABER wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen!!

    Die Verträge und Vereinbarungen sind doch zu Zeiten eines SPD-Bürgermeisters geschlossen worden und die politische Mehrheit hat sich doch wohl auch nicht geändert warum tun dann SPD und ALA so als hätten Sie nichts damit zu tun.

    Es ist NICHT GUT, wenn der Internetauftritt der Stadt von Privatfirmen frei gestaltet und mit Inhalt und Werbung bestückt werden kann. Rund um Alsfeld sieht offiziel aus und sollte dann behandelt werden wie die HP.

  4. Sehr geehrter Herr Riese, Sie müssen nicht versuchen die plötzliche Aktivität in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der Firma Vobitz, die seit langem, auch zu Zeiten eines SPD-Bürgermeisters, als nicht dem Wahlkampf geschuldet darzustellen. Auch wenn, wie Sie schreiben dass die Ursache immer wieder in städtischen Arbeitsgruppen zur Sprache gekommen sein soll, so wurde dieses damals aber weder von Ihnen noch von der SPD öffentlich gemacht. Warum denn dann plötzlich jetzt? Der mündige Bürger weiß, dass diese Diskussion niemals aufgenommen worden wäre, wenn noch ein Bürgermeister der SPD im Rathaus wäre.
    Bitte verkaufen Sie die Alsfelder Bürger nicht weiterhin für dumm und arbeiten Sie positiv mit dem jetzigen Bürgermeister zum Wohle unserer Stadt zusammen.

  5. Axel Pries möchte in seinem Kommentar den Eindruck erwecken, auf der langen Sitzung des Wirtschaftsausschusses ging es um schlecht gemachten Wahlkampf von SPD und ALA gegen CDU und letztlich um die kleine Frage, wie man ein Impressum gestalten möge.
    Kurzum: Der Berg kreißte und gebar eine Maus?

    Aber Axel Pries hat wohl nicht verstanden, worum es im Kern ging – vielleicht wollte er nicht verstehen, weil es besser passt, ALA und SPD übernähmen den Part der Mießmacher toller Initiativen in der Stadt.

    Die Stadt Alsfeld lässt sich bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Werbung gerne unter die Arme greifen. Man ist sogar ganz besonders stolz darauf, wenn man eine Dienstleistung bekommt, die nichts oder fast nichts kostet. Das ist mal mindestens bei der Alsfelder Webseite so, das ist beim Bürger-Info so. Aus diesen Alimentierungen städtischer Aufgaben erwächst die Gefahr von Abhängigkeiten und Dankbarkeit. Wenn dann auch noch im Zentrum dieses Prozesses ein einziges Unternehmen steht, zugegeben ein sehr rühriges Unternehmen, dann ist das keine gute Entwicklung.
    Dieses Problem hat seine Ursache schon viele Jahre zurück, ist in städtischen Arbeitsgruppen immer wieder zur Sprache gekommen und ist ganz bestimmt also nicht erst jetzt von ALA und SPD erfunden worden, um Wahlkampf zu machen.

    Es muss sich deshalb in der städtischen Politik auf diesem Felde mehr verändern als nur ein Impressum im Bürger-Info, das ein privates, kommerzielles Produkt ist, aber den Eindruck erwecken kann, es sei ein städtisches Angebot. Das Weiß Axel Pries eigentlich, schreibt es aber nicht.

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