Studienfahrt nach England – Spannende Erfahrungen in Gastfamilien – Viele Eindrücke„Fish and Chips“ mit einer Prise Desorientierung
LONDON/VOGELSBERGKREIS. England: Regen, fish & chips, und das war’s? Dieses Klischee will untersucht werden; das tat eine Gruppe Vogelsberger Schülerinnen und Schüler. Unter ihnen die junge Autorin Jessica Haak, die für Oberhessen-live lebendige Eindrücke von einer spannenden Zeit wiedergibt – die erst einmal mit Verwirrung begonnen hat.
Gemeinsam mit einundzwanzig Mädchen, zehn Jungs, drei Lehrerinnen und nicht zu vergessen unserem Kultbusfahrer Thorsten begaben wir uns in das Land des Regens, des Smalltalks und der roten Doppeldeckerbusse. Wir verbrachten vier abwechslungsreiche und vor allem auch alternative Tage in England und konnten somit das ein oder andere Klischee widerlegen oder eben auch bestätigen. Tagtäglich wurden wir somit mit den verschiedensten Eindrücken konfrontiert und mussten diese bei unserer Ankunft erst einmal langsam verarbeiten.
Ein Streich folgt dem nächsten
Erwähnenswert ist in erster Linie, dass unser Reiseveranstalter wohl genauso gut Überlebenstrips wie Studienfahrten organisieren könnte, wenn Selbstständigkeit das Synonym für Organisation ist. Es ist erstaunlich welche maßgeblichen Veränderungen sich binnen einer Minute ereignen können. Man braucht 90 Mal so viel Zeit, um eine Klausur zu schreiben. Daraus resultierend erhält man 1000 Wörter mit ein paar dutzend Sätzen. Dennoch gibt es Menschen, die die Fähigkeit besitzen mit nur einem Satz die komplette Aufteilung hinsichtlich der Gastfamilien zu verwerfen. Folglich werden zuvor gebildete Zimmergrüppchen auseinander geworfen, Familien ver- und getauscht – es ist ein wahres Fest der Verwirrung und Unwissenheit. Nachdem der erste Schock verdaut war, bezog ein jeder seine Gastfamilie. In meinem Fall hätte man wirklich meinen können, es sei der erste April, denn es schien als folgte ein Streich auf den nächsten.
Spannende Skyline: abendlicher Blick in London.
Meine zwei Zimmergenossinnen und ich waren sichtlich über den Zustand unserer Unterkunft geschockt und auch die Verpflegung war die nächsten Tage leider nur mangelhaft. Der Teppich war winterlich angehaucht, denn über ihm hatte es anscheinend schon öfter Fussel, Staub und Dreck geschneit und auch das Bad bot eine völlig neue Vegetationszone mit bislang unentdeckten Lebewesen.
Doch was nicht passt, wird passend gemacht, und so überstanden wir unsere Gastfamilie mit reichlich Selbsthumor und mitternächtlichem Käsekuchen. Unsere Gastmutter war durchaus höflich, redete viel, meistens jedoch mehr mit ihrem Telefon als mit uns. Dennoch blieb die Kommunikation nicht aus. Schließlich mussten wir den Taxifahrern erklären, dass wir genauso wenig wissen in welche Richtung sie fahren müssen, wie sie selbst.
Freundliche Helfer auf der Straße
Auch wenn auf der Rückfahrt zu den Gastfamilien stets der Wunsch nach einem plötzlichen Stau und somit der Zeitverzögerung bestand, ist bemerkenswert wie schön England eigentlich ist. Die zahlreichen alten Bauwerke sind in einem fabelhaften Zustand und die Menschen sind weltoffen und trotzen dem Wetter häufig mit ihrer positiven Ausstrahlung.Oftmals haben wir Passanten nach dem Weg gefragt , da die Karten und vor allem die „Underground“ für uns nicht ganz ersichtlich waren.
Erstaunlich war jedoch, dass wir stets Hilfe bekommen haben und ab und zu in ein kleines Gespräch verwickelt wurden. Es ist schön zu sehen, dass sich fremde Menschen für andere Menschen interessieren und ihnen schlichtweg behilflich sein wollen. Obwohl das Schätzverhalten der Engländer nicht immer ganz logisch war, fanden wir immer zu unserem Ziel. Ob es nun fünf oder eben doch sieben Meilen bis zum nächsten Platz sind macht um ehrlich zu seinen keinen großen Unterschied. Wenn man sich in einer fremden Stadt aufhält, möchte man möglichst viel sehen und das erreicht man am Besten zu Fuß.
Feine filigrane Geigen treffen auf lebensfrohe Dudelsäcke
Läuft man entlang der Themse, läuft man gleichzeitig durch verschiedene Gefühlswelten. Tausende Eindrücke prasseln wie der der Regen auf Kopf und Kleidung ein. Feine filigrane Geigen treffen auf lebensfrohe Dudelsäcke. Schaut man nach oben ziehen weiche dicke Wölkchen ihre Bahnen, schaut man nach unten, sieht man akkurat bemalte Kaugummis auf den Brücken Londons haften. Links sieht man die Sankt Pauls Kathedrale, rechts das London Eye und dazwischen dutzend interessante Gebäude – jedes mit einer anderen Geschichte.
Auf eigene Faust unterwegs: eine Gruppe Mädchen, unter ihnen auch Jessica (2.v.l.).
Im Greenpark trifft man auf handzahme Eichhörnchen, die förmlich zu der Mc Donalds Generation der Waldtiere zählen. Neben Brotkrümmel wird gerne der eine oder andere Keks akzeptiert. Am Buckingham Palace kommt es zur festlichen Wachablösung. Die Pferdegarde und die zahlreichen Schaulustigen untermalen dieses majestätische Spektakel. Am Trafalgar Square bekommt der Ausdruck „Großstadtdschungel“ eine ganz neue Nuance.
Hier am größten öffentlichen Platz Londons tummeln sich nicht nur zahlreiche Menschen, sondern auch drei Löwen und seit einem Jahr der fünf Meter große blaue Hahn. Man kann ruhig einmal stolz sein, wenn man bedenkt, dass der das Werk der deutschen Bildhauerin Katharina Fritsch ist und auf die patriarchalische Gesellschaft Großbritanniens anspielt. Beruhend auf eigenen Erfahrungen ist jedoch dringend davon abzuraten eine der Löwenstatuen zu besteigen, da das Absteigen durchaus kompliziert sein könnte.
Das Getümmel setzt sich am Picadilly Circus fort und zieht sich in alle Ecken der Stadt fort. Ein weiteres offensichtliches Highlight ist das 135 Meter hohe London Eye. Ein Rundumblick über London ist selbst für Menschen mit Höhenangst ein unbeschreiblich großartiges Erlebnis. Auch wenn man die ersten 50 Meter am liebsten aussteigen möchte, so arrangiert man sich doch ganz schnell mit dem wahnsinnig schönem Stadtportrait. Große Silhouetten zeigen sich erkenntlich und Gebäude um Gebäude verschmelzen langsam zu einem Bild der Vollkommenheit. Abends beendet eine Jack the Ripper Tour durch die Gassen Londons einen anstrengenden und zugleich erzählenswerten Tag.
Blick über die Metropole London.
Neben London besichtigten wir Dover, Canterbury und Stratford-upon-Avon. Dover stand sinnbildlich für den Anfang und das Ende unserer Reise, da sich hier schlichtweg der Hafen befindet. Über den weißen Felsen Dovers kreisen habgierige Möwen, während man in der Ferne die Burg erblicken kann. Unbeschreiblich, welch Ausmaß die Arbeit menschlicher Hände erreichen kann. Wir entflohen den Regenwolken und begaben uns nach Canterbury. In dieser Stadt reihen sich liebevoll kleine Fachwerkhäuser aneinander. Jedes mit viel Liebe und Einzigartigkeit gestaltet.
Da wir freie Zeit zu unseren eigenen Verfügung hatten, beschlossen ein paar Mädchen und ich etwas Essen zu gehen. Neben „Fish and Chips“ standen „Ham, Eggs and Chips“ und Englisches Gebäck auf dem Tisch. Nach dieser Stärkungen begaben wir uns in den Westgate Garden. Entlang dem Fluss Stour wachsen hundert bunte Blumen und Gondoliere und Enten teilen sich brüderlich die Wasserwege. Der Rasen ist gleichmäßig gestutzt und wird von Rosenhecken eingerahmt. Im Zentrum stehen ein paar alte Bäume, dessen Stämme wohl sieben Mal so breit sind wie ich.
Ein wenig Yoga im englischen Garten
Die Sonne lacht uns förmlich an und wir schleichen uns regelrecht durch kleine Blumentore. Ein wenig Yoga lässt das Heimische inmitten Englands erwachen. „Icke liebe dich!“ schallt es aus der Ferne. Berlinerisch hier in Canterbury? Nein wohl eher dezente Sprachübungen inmitten englischer Sorgfalt. Vorbei an der Stadtmauer, dem Stadttor und zauberhaften Häusern geht es zurück zu unserer Gruppe. Hier wird die Vielfalt aller Geschehnisse zusammengetragen und man entdeckt Canterbury noch einmal im Hören.
Neben gepflegten Gärten ist ein weiterer populärer Assoziationspunkt mit England sicherlich die Literatur. Dahingehend ist es unumgänglich sich mit Shakespeare zu befassen. Aus diesem Grund unternahmen wir einen Tagesausflug nach Stratford-upon-Avon, seiner Geburtststätte. Die Sonne ließ Shakespeares Geburtshaus und die Grammar School, in der er einst Schüler war, in einem musischen Licht erstrahlen. Durch die bunten Glasfenster der Holy Trinity Church fielen kleine Regenbögen auf die Grabstätte Shakespeares. Schwäne zogen lange Bahnen auf dem Fluss Avon und erneut lachten uns die Blumen an.
Zwischen historischen Gebäuden und Konfiserie wehte ein zauberhaftes Lüftchen voller Lyrik und Dramatik. Am darauffolgenden Tag begleitete uns wieder die literarische Muse und wir besichtigten eine Rekonstruktion des Globe Theatre. Wo einst Romeo und Julia auf der Bühne repräsentiert wurde, entsteht heute eine Neuverteilung des Dramas mit den Jungs unserer Gruppe. Unser schauspielerisch begabter Theaterleiter entlockt ihnen hierbei das ein oder andere Talent.
Unvermeidlicher Besichtigungspunkt: die berühmte Wachablösung.
Mittlerweile war unser letzter Tag angebrochen und wir verbrachten ihn klassisch mit Einkaufen. Im Disney Store wurden Kindheitsträume wahr, und es gab keine Figur aus Filmen und Geschichten, die hier keinen Platz findet. Man könnte meinen Willy Wonka hätte seine Schokoladenfabrik in das Warenhaus Harrods verlegt, denn süße Gaumenfreuden gibt es hier bis unter die Decke. Eine Herausforderung bildete jedoch nach wie vor das U-Bahn fahren. Trotzdem konnten wir uns glücklich schätzen, dass wenigstens ein paar wenige von uns den Durchblick bewahrten.
Mit den vielen Eindrücken beschäftigt
Ich bewegte mich gewohnt desorientiert und fragend durch die Menge und war eher damit beschäftigt die vielen Eindrücke aufzunehmen. Am Abend machten wir uns bereits auf den Weg nach Hause. Der Bus sprühet förmlich voller guter Laune, da jeder auf seine eigene Art und Weise froh darüber war die Heimreise anzutreten. Not machte, wie bereits die ganze Fahrt über, erfinderisch und so verbrachten ein paar wenige von uns, ihren Schlaf auf dem Busgang.
Auch wenn die Gastfamilien nicht die freundlichsten oder gar hygienischsten waren, so war der Englandaufenthalt umfangreich und schlichtweg schön. Die weltoffenen Menschen sind einfach beeindruckend und die Einzigartigkeit, die jeder von ihnen nach außen trägt, ist mit größtem Respekt zu behandeln. Es gibt unbeschreiblich viele schöne Orte zu entdecken und wenn man gewollt ist den Zauber Englands zu spüren, dann wird man das sicherlich auch tun.
Mit ein wenig Selbsthumor, Offenheit und Freunden wurden selbst kritische Situationen wie Desorientierung erträglich. Schlussendlich lernt man nach kleinen Dilemma sein Zuhause richtig schätzen und das ist es doch, was schlussendlich zählt – denn Zuhause ist es am schönsten!
Von Jessica Haak
Schreibe einen Kommentar
Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.
Einloggen Anonym kommentieren