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Besuch in Brasilien, wenn die Straßen am heißesten sindCarneval: Tanz, Funk und Caipirinhas

VOGELSBERGKREIS. 22 Jahre ist sie alt, aus Feldatal und hat gerade spannende acht Monate in Mittel- und Südamerika hinter sich: Michelle Ricarda Bauer. Als Sprachenstudentin verbrachte sie ein Auslandssemester in San José, Costa Rica, nutzte den Aufenthalt aber auch für ausgedehnte Ausflüge nach Mexiko, Nicaragua und war zuletzt ein paar Monate in Brasilien. Dort besuchte sie Freunde von einem früheren Schüleraustausch – und konnte unter anderem brasilianischen Karneval live erleben: laut, bunt und enorm freizügig. Michelle berichtet für Oberhessen-live. Teils eins: Carneval in Brasilien.

Carnaval in Brasilien. Heißes Pflaster, heiße Mädels in knappen Anzügen alles glitzert während wir den brasilianischen Latinas beim Samba Tanzen zuschauen. So, oder eben auch nur so ähnlich läuft der brasilianische Carnaval ab. Im März habe ich diesen zum zweiten Mal miterleben dürfen, und zum zweiten Mal wurde mir bestätigt: So, wie so manches im Fernsehen dargestellt wird, ist es eben doch nicht immer. Carnaval ist in Brasilien immer fünf Tage lang. Der Carnaval findet wie in Deutschland auch jedes Jahr im Februar oder März statt. Dieses Jahr war er mit dem 28. Februar besonders spät.

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Eintrittskarte T-Shirt: Michelle (l.) mit ihrem Freund Sebastian und der Freundin Zayra auf dem Bloco Cabrorro in Ouro Preto.

Insgesamt habe ich nur zwei Tage direkt auf einer Carnaval-Veranstaltung verbracht. In meiner Stadt gab es zum Beispiel jeden Abend Musik und Tanz bis ein Uhr nachts. Und dann musste hier schon aufgehört werden, da die Nachbarn sich beschweren. Den zweiten Tag Carnaval waren wir in Raul Soares, einer kleinen Stadt in Minas Gerais, dem Staat in dem ich wohnte. Hier konnte man sich T-Shirts für die sogenannten „Blocos“, also Blöcke, kaufen. 20 Reais kostete eins, also gut sieben Euro, und dafür gab es Freibier und später Vodka und Co.

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Lebendig bunt: ein Umzug auf dem Carnaval in Raul Soares.

Einen richtig abgegrenzten Bereich gab es jedoch nicht oder eine Show, in Raul Soares wurde locker auf der Straße gefeiert, und die Autoboxen beschallten sich gegenseitig. Hauptmusik natürlich: Funk. Eine Art brasilianischer Hip Hop mit zumeist sexistischem Inhalt. Dabei wird der Rhythmus und die Tanzvorgabe im Singen angegeben, und die Hintern der Frauen wackeln nur was das Zeug hält. Auf einer deutschen Party könnte man sich so etwas überhaupt nicht vorstellen. So einige Tanzeinlagen von Männlein und Weiblein erinnern da doch schon an ganz andere Aktivitäten. Aber so ist es nun einmal: Brasilien.

Der Alkoholausschank war je eine Stunde lang von einem Wagen aus, zum Schluss gab es dann noch einen kleinen Umzug in Kostümen. Das war es auch schon mit dem Carnaval in Raul Soares. Klein aber fein, der Spaßmacher ist man hier selber. Von tanzenden Sambamädels fehlte hier jedoch weit und breit jede Spur. Am dritten Carnavaltag, dem Sonntag, fuhren wir nach Ouro Preto zum Carnaval, den besten meiner Gegend und einer der besten Brasiliens. Da wir keine Unterkunft bekamen, fuhr meine Gastmutter mit dem Auto, und wir wollten darin auch übernachten.

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Ausgelassene Partynacht auf dem Carnaval in Ouro Preto, auf dem Bloco Cabrorro.

Ouro Preto hat jeden Tag viele verschiedene der sogenannten Blocos anzubieten. Jedoch kann man auch auf den prall gefüllten Straßen der antiken Stadt feiern. Jede Straße hat hier ihr eigenes Thema und Musikrichtung. Die Schwulenstraße ist die partyreichste Straße und spielt nahezu ausschließlich Funk. In der Stadt gibt es auch verteilt auf größeren Plätzen kostenlose Konzerte von Amateurkünstlern. Wir haben uns jedoch für einen Bloco mit bekannten Künstlern Brasiliens entschieden. Der Bloco Cabrorro mit Anitta, Mc Sapao und einer Band, die berühmte Funk Stücke kopiert. Einlass war ab 14 Uhr. Ein riesiges Konzertgelände, auf welches man nur mit entsprechendem T-Shirt, Bändchen und Chipkarte kam. Der Preis lag mit 140 Reais diesmal auch entschieden höher.

Tausende Boxen, mit Bier oder Wasser gefüllt, bestimmten das Bild des Konzertgeländes. Dazu kurze Hosen und die gelben Shirts der Veranstaltung, von den Mädels zerschnitten und vernäht in allen Variationen. Nach gut einer Stunde fing die erste Band an zu spielen, und die Brasilianer waren sofort in Stimmung. Es wurde getanzt, gelacht, Fotos gemacht und nachdem die ersten betrunken waren, spritzten dann auch im Minutentakt die Bierfontänen. Später rückte dann auch noch ein Feuerwehrauto an und bespritzet die Menge mit Wasser. Die Gelegenheit nutzten meine beste Freundin und ich gleich, um uns das Bier aus den Haaren zu waschen. Betrunken zu werden, war für mich an diesem Abend übrigens unmöglich. Kaum hatte man eine Dose Bier leer getrunken, machte sich die Blase auch schon wieder bemerkbar. Und bei geschlagenen 20 bis 30 Minuten Wartezeit an den Dixi-Klos wurde es irgendwann so unerträglich, dass ich lieber die Show genießen wollte, und ich hörte also auf zu trinken.

Die Shows und die Stimmung waren super, die letzte Show ging bis 23 Uhr. Um in dieser Stadt an Carnaval nur 200 Meter voran zu kommen, braucht man fast eine halbe Stunde, und wenn man sich nicht an den Händen hält, geht man in Null Komma Nix verloren. Zum Glück war es bei meiner Gastmutter und ihrem Freund auch gerade fertig mit der Feierei, die beiden waren auf der Straße geblieben, und somit sind wir nach Hause gefahren und waren gegen zwei Uhr morgens wieder in meiner Stadt Ponte Nova.

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Warten auf die Party: Ouro Preto am Morgen.

Und auch in Ouro Preto: Nicht die geringste Spur von Samba-Mädchen. Montag ruhten wir uns ein bisschen aus, abends nahmen wir dann den Nachtbus nach Rio. Dort habe ich dann mit meinem Freund bei meiner Gastschwester Malu übernachtet. Sie wohnt auf der Ilha do Governador, Insel des Gouverneurs, und leider war es an Carnaval ziemlich schwierig auf das Festland zu kommen, da die Fähre nicht fuhr und die meisten Busse durch die Favelas fahren, wo sie erst kürzlich ausgeraubt wurde. Da ich mich in Rio nicht mehr so gut auskannte, haben wir also beschlossen, auf der Insel zu bleiben und uns den Carnaval hier anzuschauen. Dieser hat mir aber nicht so gut gefallen, wahrscheinlich auch weil ich nicht besonders in Partystimmung war an diesem Tag und an den Umzügen selbst nicht teilgenommen habe.

Jedoch hat einer meiner Freunde, der ein Auslandssemester in Sao Paulo gemacht hat, direkt am Carnaval in Rios Straßen teilgenommen. Die Blocos finden hier jeden Tag in einem anderen Viertel statt und sind umsonst. Man kann also jeden Tag von Bloco zu Bloco schlendern und Party machen. Mit einer der größten und besten Blocos ist der „Bola Preta“, er findet in der Nähe der Metrostation Largo do Carioca in der Nähe von Lapa statt. Besonders schön an den Blocos ist, dass Menschen aus verschiedenen Stadtvierteln in Gruppen mit sehenswerten Mottokostümen sich an der Feierei beteiligen. Für Musik ist auf den Blocos natürlich auch gesorgt, teilweise gibt es Bühnen mit Musik, aber auch Musikgruppen, die mit Trommeln und Lieder für eine Show sorgen.

Auch in Rio gibt es die Möglichkeiten, sich die typischen bunten T-Shirts zu kaufen, oft als Special Angebot, sogenannte Carnaval Kits. Diese bestehen aus einem Umhängebecher, dem T-Shirt, manchmal Armbändern und einem Angebot von zwei bis drei Caipirinhas und Shots. Der Preis variiert zwischen 4o und 60 Reais. Jedoch sind auch in den Straßen Rios nicht unbedingt die heiß begehrten Samba-Mädels anzutreffen. Unsere Insel und ganz Rio waren unheimlich verdreckt, da die Müllmänner die Gelegenheit genutzt hatten, einen Streik anzufangen.

Quarta de Cinzas: Und alles ist vorbei

Auf der Insel war der Carnaval nicht besonders groß und von kleinen Umzügen geprägt. Jedoch bekam die Sambaschule der Ilha do Governador den vierten Platz auf dem Umzug in Rio, was mich noch zu einer kurzen Erklärung zu den Samba Mädchen kommen lässt: In Sao Paulo und Rio gibt es die sogenannten „Escolas de samba“, Samba Schulen. In Sao Paulo ist dieser Umzug am Freitag, in Rio von Samstag bis Mittwoch. Am darauffolgenden Samstag werden dann in Rio nochmal die zehn besten Samba Schulen in einem finalen Lauf vorgestellt. Diese Shows spielen sich übrigens auf dem „Sambodromo“ ab, der Carnavalsstraße, die nur für die großen Umzugswagen in Rio gedacht ist, mit entsprechenden Tribünen für die Gäste. Und das ist genau der Ort der vielen tanzenden Samba Mädchen, die man immer im Fernsehen zu Gesicht bekommt und die auch in Brasilien eine riesige Attraktion sind. Davon haben wir jedoch nichts gesehen, denn die Tickets muss man sich schon lange im Voraus besorgen, da sie ohnehin schon unglaublich teuer sind.

Am Mittwoch ist dann, genauso wie in Deutschland auch, Aschermittwoch (Quarta de Cinzas) und der Carnaval ist zu Ende. Witzigerweise war, als wir am Samstag in Cabo Frio ankamen, um Strandurlaub zu machen, immer noch Carnaval bis zum Sonntag. Die ganze Stadt hatte Urlaub und feierte über eine Woche Carnaval. Aber dann war auch Sonntag endgültig Schluss und wir kamen zu unserem wohlverdienten Strandurlaub. Darüber und mehr aber dann später.

Von Michelle Ricarda Bauer

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