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Q wie Qualifikation in der Schule – Gedanken einer SchülerinDie Qual der Wahl auf dem Weg zum Abitur

VOGELSBERGKREIS.Es kommt ein Moment im  Leben junger Menschen, an dem sie sich entscheiden müssen: Wohin soll die Reise gehen? Das kommt in der Schule spätestens bei der Frage nach den richtigen Leistungskursen in den Oberstufen-Jahren vor dem Abitur: jenen Kursen also, in denen die persönlichen Interessen und Stärken sich wiederspiegeln sollen – oft genug jene Interessen, die später auch zum Beruf führen. Heißt das, man muss sich mit 16 festlegen, was man im Leben tun will? Jessica ist 16, steht vor der Wahl und stöhnt: „Q wie Qualifikation“ macht das Leben schwer. Sie erzählt von sich.

Mittlerweile ist mehr als ein halbes Jahr vergangen und wir haben uns allmählich an den Oberstufenrhythmus gewöhnt. Hin und wieder irrt man zwar planlos durch die Schule um die richtige Räumlichkeit zu finden oder verwechselt ab und zu Inhalte des Stundenplans – im Großen und ganzen hat man jedoch endlich begriffen, dass der Unterricht 90 Minuten lang andauert und die Zeit bis zum Abitur förmlich rennt. Diesbezüglich sind allerdings bereits schon bald wichtige Entscheidungen zu treffen. Festzuhalten bleibt, dass es „damals“ vor gar nicht als so langer Zeit, als die Rede von der weiterführenden Schule war, wesentlich mehr entschlossenere Gesichter vorzufinden waren, als es nun der Fall ist. Damals wusste ich zwar noch nicht welche Schule ich besuchen würde, wusste jedoch trotzdem ganz genau welche Leistungskurse ich wählen würde: Deutsch und Politik. Erst später erfuhr ich, dass dies eigentlich gar nicht möglich ist und so begann die große Qual der Wahl der Leistungskurse.

 „In der Qualifikationsphase wird es ernst!“

„In der Qualifikationsphase wird es ernst!“ – zur Zeit hört man diesen Satz in der 11. Klasse täglich – fünf Mal. „In der Qualifikationsphase seid ihr für euch selbst verantwortlich“ wird oftmals noch hinzugefügt. „In der Qualifikationsphase…“ Das Wort mit Q definiert wohl kurz und prägnant die nächsten zwei anstrengenden und entscheidenden Jahre unserer Schullaufbahn. Seit man eins und eins zusammenzählen kann, gab es stets ein Ziel auf das es hinzuarbeiten galt. Die Grundschule war hierbei wohl das angenehmste Übel – vergleichbar mit einem Bankräuber, der seine Beute wieder nett und höflich zurück gibt. Im Alter von sieben Jahren hatte man salopp gesagt manchmal einfach keine Lust seine Hausaufgaben zu erledigen. Da konnten selbst einmal vier schriftliche Divisionsaufgaben zu einer zeitraubenden Angelegenheit werden und die Leseübung auf S.4 in Schriftgröße 48 wurde nur wehmütig heruntergeleihert. Knapp neun Jahre später ist eine durchaus vergleichbare Situation vorzufinden Bei 159 Seiten von Lessings Ideendrama“ Nathan der Weise“ kann man sich glücklich schätzen ein Drittel ohne mehrfaches Lesen verstanden zu haben und auch die liebe Mathematik schöpft ihre volle künstlerische Vielfalt aus. Das es hier neben dem eigenen Können auch um Verständnis geht, ist vorerst irrelevant. Tatsache ist, dass man beinah vor der ersten großen Etappe, dem Abitur, steht und nun möglichst viel Eigenverantwortung unter Beweis stellen muss.

Diese Selbstständigkeit wird spätestens ab dem Sommer mit dem Eintritt in die Qualifikationsphase erwartet. Hierbei ist Qualifikation ein merkwürdiges Wort. Vor allem wenn man in Mitten dutzender Entscheidungen steht und darauf bedacht ist sein soziales Umfeld nicht zu vernachlässigen. Mit Qualifikation wird häufig ein Wettkampf verbunden. Wenn man das Abitur allerdings als großen Wettkampf ansieht, steigt der Druck regelrecht. Es geht schließlich nicht um Leben und Tod. Das soll nicht heißen, dass das Abitur völlig unwesentlich ist. Vielleicht liegt der Gewinn jedoch in einer gesunden Mischung aus Lernen und Entspannen, wobei Verbissenheit unpassend ist. Ohne für die Allgemeinheit zu sprechen, bleibt zu sagen, dass wir zwei intensive Jahre auf das Abitur hinarbeiten müssen und jeder sein ganz persönliches Ziel im Auge hat.

Ein Ziel ist logischerweise mit Bemühung, Strategie und Ehrgeiz verbunden. Diese drei Komponenten haben sich im Laufe der Schullaufbahn allerdings mal als mehr, manchmal aber auch als weniger effektiv bewiesen. Hat man sich damals in der Grundschule oft um ein gutes Zeugnis bemüht, war der Interpretationsraum mancher weniger wichtigen Fächer der Mittelstufe schon etwas weitläufiger. Dieser freie Spielraum verschwindet jedoch allmählich. Je näher die zwölfte Klasse rückt, desto mehr versteht man wie der Hase läuft. Geradeaus und ohne Umwege. Er trifft die richtigen Entscheidung um an sein Ziel zu kommen und das ist im Prinzip eigentlich auch schon die Basis für ein gutes Abitur – oder nicht?!

Aber was ist die richtige Entscheidung?

Leider weiß man häufig nicht, was die besten Entscheidungen sind und trifft daher grundlegend Falsche, um im Nachhinein auf die richtige Lösung zu kommen. Dies kann jedoch gelegentlich zum Problem werden, wenn man die richtige Lösung zu spät findet. Das mag alles ein wenig dramatisiert klingen, hört man jedoch ein paar wenige Menschen über die Wahl der Leistungskurse reden, scheint ehrlich gesagt sogar ein Weltuntergang angenehmer. Leistungskurse fordern Leistung. Logisch – das verrät die Begrifflichkeit. Was ist jedoch, wenn die persönlich Höchstleistung keine Kombinationsmöglichkeit ist? Das ist salopp gesagt ein Problem. Es ist sinnvoll die Fächer zu intensivieren, in denen man gut ist. Deshalb fällt die Entscheidung eines Leistungskurses bei guter Leistung und kombinierbaren Fächern leicht. Sucht man jedoch einen mehr oder weniger effektiveren Ersatz und hat nur begrenzte Fächerkombinaten zur Auswahl gestaltet sich die Situation schon schwieriger. Persönliches Pech ist eine Volkskrankheit und macht auch vor Schülern aus der Einführungsphase keinen Halt. Nun ist man oftmals damit beschäftigt tagelang zu jammern, da man so fixiert auf seine Wünsche ist, dass mal alles andere grundsätzlich ablehnt. Zum Glück werden daher sogenannte Hospitationen angeboten. Nach Absprache hat man die Möglichkeit in Leistungskurse hineinzuschnuppern, mit den „Betroffenen“ zu sprechen und sich ein eigenes Bild über die verschiedenste Kurse zu bilden.

Die Hospitationsphase dauert bei uns zwei Wochen an und hat schon den ein oder anderen dazu bewegt neue Stärken an sich zu entdecken. Es ist sicherlich nicht schlecht viele verschiedene Eindrücke zu sammeln um eine positive und zufriedenstellende Entscheidung treffen zu können. Ob das jedoch ein gutes Abitur garantiert, sei momentan noch fraglich. Schließlich ist alles eine Sache der Einstellung. Ich selbst bin mir beispielsweise noch gar nicht sicher darüber im Klaren, welche Leistungskurse ich belegen werde. Vielleicht Deutsch und Mathe oder auch Englisch. Jedes Fach hat seine Vor- und Nachteile – man muss sie nur gekonnt ausnutzen und das Beste daraus machen. Eine Prise Ehrgeiz und ein wenig Ruhe sind hierbei sicherlich förderlich und auch der Spaßfaktor ist nicht außer Acht zu lassen.

Denn im eigentlichen Sinne ist das Abitur eben auch nur wie eine Grippe. Der Virus breitet sich schleichend aus, bis er urplötzlich wie ein Räuber über dich herfällt. Übliche Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und möglicherweise auch Dehydration treten auf. Man verbringt in der akutesten Phase den Großteil seiner Zeit innerhalb der eigenen vier Wände und konzentriert sich auf das wesentliche.“ Ich leide an Abitur“, könnte schon bald der Leitsatz für Antibiotika lauten. Trotz des langanhaltenden Krankheitsprozesses, bleibt zu sagen, dass jede Grippe irgendwann ein Ende findet. Überlebt und wohl auf, bleibt dann nur noch der stolze Satz zu sagen: „Ich habe mein Abitur!“ Bis dahin heißt es Kräfte sammeln, Augen auf und durch.

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Johanna Fecho, 15 aus Schotten meint:

Ich habe das Problem, dass ich mich bezüglich der Leistungskurse berufsspezifisch orientieren möchte, da ich der Meinung bin, dass fachliche Begrifflichkeiten und Erfahrungen hilfreich für das berufliche Leben sein können. Schon seit langem interessiere ich mich für Medizin und möchte daher in diesem Bereich arbeiten. Daher habe ich mir fest vorgenommen einen Biologie-Leistungskurs anzustreben. Aufgrund begrenzter Kombinationsmöglichkeiten fällt mir die Wahl des zweiten LK’s allerdings ein wenig schwer, weswegen ich die Hospitationswoche dazu nutzen werde um ausreichende Eindrücke sammeln zu können.

Von Jessica Haak

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