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Kolumne: "Rike's Report" am Samstag: Omis sind anstrengend - Enkel auch.„Bist 900 Jahre, wirst aussehen du nicht gut.“

Das Wort „Großmutter“ ist ein Substantiv. Es bedeutet „Mutter des Vaters oder der Mutter“ oder in unserer Umgangssprache auch soviel wie „alte Frau“. Synonyme für Großmutter sind laut Duden zum Beispiel: Omi, Omama, Babuschka, Mütterchen, Alte oder Olle. Macht man einen Streifzug durch das Internet, findet man spannende Informationen: Omas tun Enkelkindern gut. Großmütter stärken Partnerschaften. Und: Taylor Swift wohnt wie eine alte Frau. Vor allem letzteres hat in mir etwas ausgelöst: Wieso sollten Männer oder die Uni mein heutiges Thema sein, wenn es etwas viel tolleres gibt? Genau: Meine Oma.

Zunächst sollte ich zugeben, dass mein jüngeres Ich mit der Ü70-Generation nicht viel anfangen konnte: Meine Oma kann tollen Kuchen backen, mein Opa weiß alles, bei meinen Großeltern gibt es nach dem Zähneputzen noch Süßigkeiten – mein Verhältnis zu den Eltern meiner Eltern beschränkte sich auf derartige Empfindungen. Doch je älter ich wurde, desto stärker wurde mir bewusst: Langsam und langweilig sind eindeutig nicht die passenden Attribute für Rentner. Denn als ich in meine erste eigene Wohnung zog, waren Omis Koch-Tipps plötzlich überlebenswichtig und das handwerkliche Wissen meines Opis das rettende Licht am Ende des Tunnels. Und trotzdem: Gelegentliche Telefonate, seltene Treffen – ich lebte mein Leben und meine Großeltern das ihre. Dies änderte sich erst, als ich im letzten Jahr erneut meine Heimat wechselte und sich somit die Autofahrt zu meiner „Alten“ auf wenige Kilometer reduzierte: Aus „Bis in ein paar Wochen“ wurde auf einmal „Bis Samstag“.

Inzwischen sehe ich meine Großmutter jede Woche – und ich muss sagen, dass ich nicht mehr darauf verzichten möchte. Denn inzwischen ist mir deutlich klar geworden: Ganz so tatterig und von der Außenwelt abgeschnitten ist die alte Dame doch nicht! Und das stellt sie auch gerne immer wieder unter Beweis: Als wir neulich gemütlich bei Kaffee und Kuchen in ihrem Wohnzimmer saßen und die neuntausendeinhundertundzweite Folge von „Sturm der Liebe“ anschauten, starrte ich lediglich gedankenverloren auf den Fernseher – da meine Oma sowieso alles Geschehene kommentiert, war selbst Hinschauen unnötig. Erst ein Streit zwischen zwei der Hauptfiguren riss mich aus der Trance. Kurze Zusammenfassung: Schwester Eins erniedrigt Schwester Zwei verbal, indem sie intime Details der Affäre zwischen Schwester Eins und dem Ehemann von Schwester Zwei ausplaudert. „Böse Frau“, dachte ich kurz und wollte zurück in meinen Halbschlaf fallen. „Na also der würde ich aber mal ordentlich ins Gesicht schlagen!“ rief meine Oma just. Äh wie bitte? Ich guckte sie an. Sie grinste nur und meinte: „Naja Entschuldigung. Aber guck Dir das doch an, so ein Biest.“

Stricke, Kochen, nervige Handwerker loswerden - das Repertoire einer Großmutter ist unerschöpflich.

Stricken, Kochen, nervige Handwerker loswerden – das Repertoire einer Großmutter ist unerschöpflich.

Ich glaube, dass wir jungen Leute oft den Fehler machen zu vergessen, dass unsere Großeltern auch mal jung waren – die Zeiten waren natürlich anders, aber: Auch für sie gab es einen ersten Kuss, ein Das-Erste-Mal-Betrunken-Sein und ein nächtliches Rausschleichen aus dem Elternhaus. Und von all der Erfahrung, die sie in den verschiedensten Momenten ihres Lebens gesammelt haben, von denen können wir lernen. Beispielsweise weiß ich nun, wie man Handwerker zum Gehen bewegt, die partout die Wohnung nicht verlassen wollen: Entspannt an meinem Tisch frühstücken, meinen Kaffee trinken und vor allem eins: Schwätzen, schwätzen, schwätzen. Wäre ich meine Oma gewesen, hätte ich gewusst was zu tun ist: „Da musst Du einfach sagen dein Freund kommt gleich vorbei, er soll mal schneller essen und seine Arbeit fertig machen!“ – meinen klitzekleinen Einwand, dass ich gar keinen Freund hätte der mich besuchen könnte, erntete lediglich hochgezogene Augenbauen. Doch nicht nur für den besten Käsekuchen der Welt und lästige Handwerker hat die gute alte Dame ein Rezept parat. So bestätigte sie mir neulich am Mittagstisch eine These, die Frauen weltweit beschäftigt: Sind alle Männer gleich? Meine Oma sagt: Ja. Zumindest, was das Frühstück angeht.

Wahnsinnig glücklich darüber, dass meine neuste Errungenschaft (Flirt-App Ahoi, Sie erinnern sich…) morgens zum Bäcker geht, Croissants, Brötchen und Kuchen holt, Spiegeleier brät und ich Kaffee ans Bett bekomme, saß ich also freudig grinsend bei Eier, Kartoffeln und Spinat (Oma: „Das isst du doch so gerne, mein Schatz – und viel mehr Essen ohne Fleisch gibt es ja eh nicht.“). Die Euphorie blieb natürlich nicht lange verborgen – und irgendwie ließ ich mir dann doch ein paar Details über den vergangenen Morgen aus der Nase ziehen (Oma: „Weißt Du denn überhaupt wie alt der ist? Hast Du das nachgefragt?“). Hätte ich doch den Mund gehalten! „Soso. Naja dann hat er sich Mühe gegeben, weil es der erste gemeinsame Morgen war. Das wird weniger, das macht der nur am Anfang, ich weiß das. Da sind alle Männer gleich.“. Und damit nicht genug! Mein Onkel fühlte sich scheinbar alles andere als auf den Schlips getreten, und machte seinem Geschlecht alle Ehre: „Ja ist bei den meisten Männern so. Heute holen sie dir noch Frühstück, beim nächsten Mal gibt es nur noch Kaffee und irgendwann musst Du für ihn zum Bäcker laufen.“ Na Bravo! Wenn das nicht Mut macht, dann weiß ich auch nicht.

Ich gebe natürlich zu: Auch meine liebe Omi kann anstrengend sein. Sehr anstrengend. Aber: Wer kann das nicht? Wenn ich mich von ihr verabschiede und sie mir mit den Worten „Ich hoffe ich hab dich nicht zu sehr genervt, ich alte Frau, wirklich schrecklich“, und mir einen Kuss auf die Wange drückt, würde ich ihr am Liebsten auf die Finger hauen. Viel zu oft erlebt man junge Menschen, für die ihre Großeltern nur eine offene Geldbörse bedeuten, ein leckerer Kuchen zum Geburtstag und wenn es sein muss alle paar Monate einen Abstecher zum Kaffeetrinken.

Denjenigen sage ich: Hirn einschalten und Backen zusammen kneifen, ihr undankbaren ***********! Backt Plätzchen, geht spazieren und schaut um Himmels Willen „Um Himmels Willen“, wenn es eure Ollen glücklich macht. Und an die älteren Herrschaften da draußen: Noch sind Sie nicht tot, erleben Sie was, solange es Ihnen möglich ist – nehmen Sie den Krückstock in die Hände und stürzen Sie sich ins Leben. Denn schon Yoda wusste: „Bist 900 Jahre, wirst aussehen du nicht gut“. Und: Wer sagt, dass alle Enkel schlimm sind? Geben Sie den kleinen, jungen und unerfahrenen Dingern eine Chance – und beweisen Sie, dass Aristoteles nicht mit allem Recht hatte, als er sagte: „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“

 

In diesem Sinne, ein schönes Pfingstwochenende mit ihrer Familie!

Ihre Rike

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