Kurz vor Premiere der Mondfahrt: Regisseurin Johanna Mildner gibt Einblicke in Hintergründe der Wintermärchen„Kunst und Kultur hilft unserem Wohlbefinden – gerade auch in so schwierigen Zeiten“
ALSFELD – Elf Jahre leitet Johnna Mildner bereits die traditionsreiche Alsfelder Marktspielgruppe und hat das Wintermärchen zu einem festen Bestandteil der Kulturszene werden lassen. Woher kommt der Erfolg? Woher kommen die vielen Darstellerinnen und Darsteller – und die Ideen? Mit Gespräch mit OL-Autor Axel Pries – die beiden sind seit vielen Jahren gute Bekannte – gewährt die 46-Jährige kurz vor der Premiere der Reise zum Mond Einblicke in ihre Ideen und das Wachsen einer Wintermärchen-Produktion.
Frage: Das Weihnachtsmärchen heißt jetzt Wintermärchen. Wie kommt das eigentlich?
Mildner: Ich denke, dabei geht es nur um eine Marketingsache. Das TouristCenter hat es Wintermärchen genannt, aber für mich war das immer das Weihnachtsmärchen. Die Änderung hat sich eingeschlichen, weil es auch in Sommerstück gab – wir haben ja auch mal im Klostergarten gespielt – und dann wurde immer von Sommer und Winter gesprochen. Dabei wurde die Aufführung zum Wintermärchen, aber für mich ist es das Weihnachtsmärchen.
Frage: Welchen Stellenwert hat denn jetzt das Weihnachtsmärchen im Vergleich zu den Klosterspieltagen, die vor zehn Jahren für viel Aufsehen gesorgt haben?
Mildner: Ja, das war so, aber für viele Leute ist das Weihnachtsmärchen heute so ein fester Begriff, dass teilweise im Sommer schon gefragt wird, was wir denn in diesem Jahr machen. Das ist natürlich eine sehr schöne Entwicklung. Wir hätten jetzt ja schon das zwölfte Weihnachtsmärchen, aber wegen Corona sind es nur elf Inszenierungen geworden, wovon eine nur online zu sehen war. Es ist toll, dass das Theater jetzt so bekannt ist, dass wir niemandem mehr erklären müssen, was wir hier machen. Gießen, Marburg und Fulda, das sind die großen Bühnen drum herum, aber in Alsfeld können wir durchaus mithalten, und den meisten Leuten ist bewusst geworden, dass wir hier eine schöne Qualität anbieten, die mit den in den anderen Stadt- und Landestheatern vergleichbar ist.
Frage: In diesem Jahr geht es auf den Mond, letztes Jahr ging es in den Wald. Man kommt rum bei euch. Was ist der tragende Gedanke, wenn Jenny Wagner und du ein Stück entwerft? Mildner: Erster Gedanke ist, dass wir möglichst etwas anderes machen als im Jahr davor, und wir fragen uns: Was würden wir gerne mal machen? Es fängt ja damit an, dass es auch uns Spaß machen muss – das gebe ich hier mal zu – und dass wir uns etwas ausdenken, was wir schon immer machen wollten. Es muss natürlich auch zur Besetzung passen: Wie viele Schauspielerinnen und Schauspieler haben wir zur Verfügung und brauchen wir? Welches Alter. haben wir, welche Typen? Gibt es besondere Wünsche? Das versuchen wir alles mit einzubeziehen.
Wie war das beispielsweise in diesem Jahr?
Da kann ich dir zwei schöne Geschichten erzählen. Bei der Reise zum Mond liegt das Märchen „Peterchens Mondfahrt“ zugrunde, und da hat Johann Kraus, einer von unseren Schülern, schon vor mehreren Jahren als Kind mal nach gefragt, ob wir das mal spielen könnten, weil er die Geschichte so schön findet. Nächstes Jahr macht er Abitur, und bei seiner wahrscheinlich letzten Aufführung als Schauspieler erfüllen wir diesen Wunsch. Und dann kam auch unsere Inge Zuschlag, die das Bühnenbild herstellt, und sagte: Oh, ja! Ich möchte mal was anderes machen als immer nur Wald. Und unsere Kostümbildnerin Ruth Henkel sagte dann: Ja! Mal ganz andere, besondere Kostüme würde ich auch gerne mal entwerfen!
Du bedienst dich für die Stücke bei bekannten Märchen, aber ich habe den Eindruck, dass du dabei freier geworden bist und – mit der Jenny Wagner – eigenwilliger schreibst. Stimmt das?
Ja… Wir haben jetzt eigene Titel, es könnte sein, dass es nächstes Jahr wieder Originaltitel aus den Märchen gibt. Das hat sich jetzt einfach so ergeben. Die Freiheit nehmen wir uns natürlich. Es wird alles mögliche neu verfilmt, auch Peterchens Mondfahrt gibt es mehrfach, da nehmen wir uns auch die Freiheit. Und wir passen die Handlung an die Zeit an. Das fängt an mit der Frage: Warum eigentlich nur Peterchen? Er nimmt ja seine Schwester Anneliese mit, die im Original eine relativ kleine Rolle spielt. Die beiden haben gleichberechtigte Rollen, und es ist die Reise zum Mond mit Peterchen und Anneliese.
Elf Märchen habt ihr bisher auf die Bühne gebracht – welches ist dein liebstes gewesen?
Das ist ja immer das, was man gerade aktuell macht: Das ist das Liebste. Ich freue mich total auf die Reise zum Mond. Von den gewesenen Märchen mochte ich total gerne Schneeweißchen und Rosenrot. Das war mein erstes liebstes, denn es war sehr poetisch.
Seit du die ersten Klosterspiel-Aufführungen gemacht hast, die dann in das Weihnachtsmärchen übergingen, hast du Generationen von Darstellerinnen und Darstellern erlebt – einige von den Kindern sind bei dir auf der Bühne erwachsen geworden. Gehen dir die Darsteller nie aus? Ist es heute leichter oder schwieriger geworden, welche zu finden?
Es kommen immer wieder neue zu uns, wobei ich spannend finde, wie die Zusammensetzung im Verhältnis der Jungs und Mädels ist. Ein paar Jahre lang hatten wir einen Überschuss an Jungen, das ist im semiprofessionellen Theater eher ungewöhnlich. Dann sind die aber fast alle gleichzeitig weggegangen. Jetzt freuen wir uns, dass der Lorenz Rüdiger wiedergekommen ist. Er war ein Jahr im Ausland, studiert jetzt in Fulda und hat angeboten: Ich wäre gerne wieder dabei. Jetzt hat Lorenz eine von den Erwachsenen-Rollen. Er ist auf unserer Bühne groß geworden und ist heute unser Dienstältester von den jugendlichen Darstellern. Vielleicht erinnerst du dich an die Aufführung von Hair, als wir damals einen Aufruf gestartet haben. Da musstest du richtig graben und werben, aber heute kommen die meisten Leute zu mir und sprechen mich an. Es gibt regelmäßig Abgänge, aber es sind immer genügend Leute da.
Wir haben das Weihnachtsfest, und das ist auch ein Wunschfest. Johanna, du hast einen Wunsch frei für eure Märchenaufführungen. Welcher wäre das?
Ich wünsche mir einfach, dass wir das noch lange weitermachen können, dass Kunst und Kultur keine Steine in den Weg gelegt werden, und dass wir uns nicht immer erklären müssen, warum wir das machen. Wir machen das ja nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen. Kunst und Kultur hilft unserem Wohlbefinden – gerade auch in so schwierigen Zeiten. Wir können nicht die Welt retten, aber wir tun gut, und das ist auch wichtig.
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