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Besuch von der Alsfelder Stipendiatin Karoline LöchelEin Rückblick auf fünf großartige Jahre

ALSFELD (ol). In 2016 ergriffen der Alsfelder Bürgermeister Stephan Paule und der Stadtarchivar Michael Rudolf die Initiative, das „Alsfelder Stipendium“ erneut mit Leben zu füllen. Beide bekamen nun Besuch von Stipendiatin Karoline Löchel zum Erfahrungsaustausch.

2017 war in Alsfeld anlässlich der 500. Wiederkehr an die Thesenveröffentlichung Martin Luthers mit Gottesdiensten, Vorträgen, Ausstellungen, Theaterspiel, Oratorium, Tagung, Kalender- und Buchpräsentation erinnert worden. So aus der Pressemitteilung.

Als die erste protestantische Universität in Marburg durch Landgraf Philipp von Hessen 1527 gegründet und zwei Jahre später, infolge dessen Bildungsprogramms, das Marburger Stipendiatenwesen entstand, gehörte Alsfeld als einer der ersten Orte im Land in den Kreis der hessischen Städte, die sich verpflichtet hatten, junge und fähige Menschen ideologisch und finanziell zu fördern, indem diese ein jährliches Stipendium für ihr Studium erhielten.

Mit der Auflösung des Augustinerklosters in Alsfeld und dem Übertrag der einstigen Einkünfte auf Universität und Stipendiatenanstalt war die Grundlage geschaffen, um Juristen, Mediziner, Historiker, Philosophen und andere Fakultäten im Sinne der Reformation zu fördern.

Die Wirren des 16. Jahrhunderts, die militärischen Auseinandersetzungen und die in Unordnung geratene Verwaltung während der Gefangenschaft Philipps erforderten eine Neugründung des Stipendiatenwesens. Nach Verhandlungen mit den Städten entstand die Stipendiatenordnung des Jahres 1560, die unter dem aus Alsfeld stammenden Rektor Conrad Matthaeus an Universität wie Stipendiatenanstalt eingeführt wurde. Als Marburgs Universität nach dem Tod Ludwigs IV. calvinistisch wurde, orientierte sich das protestantische Alsfeld zur wenig später gegründeten Universität Gießen und förderte dort seine Stipendiaten.

Ein Besuch zum Erfahrungsaustausch

In einem Zeitraum von über 400 Jahren war der Status Alsfelds als „Präsenzstadt“ des Marburger Stipendiums in Vergessenheit geraten. Bürgermeister Stephan Paule und Stadtarchivar Michael Rudolf ergriffen 2016 die Initiative, um das „Alsfelder Stipendium“ zu beleben.

Mit Unterstützung Katharina Schaals und Carsten Linds vom Universitätsarchiv Marburg sowie weiterer Dokumente aus dem heimischen Archiv konnte der Beweis erbracht werden, dass Alsfeld seit Beginn an eine der wichtigen Präsenzstädte des Marburger Stipendiatenwesens war und seit 2017 wieder ist, nachdem Magistrat, Uni Marburg sowie Collegium Philippinum zugestimmt und Alsfeld im gleichen Jahr feierlich erhoben haben.

Alsfelds Stipendiatin Karoline Löchel besuchte anlässlich des fünfjährigen Bestehens des wiederbelebten örtlichen Stipendiums Bürgermeister Stephan Paule und Stadtarchivar Michael Rudolf zum Erfahrungsaustausch, ist sie doch die erste Stipendiatin nach über vierhundert Jahren, die von Alsfeld in Marburg präsentiert wird. Sie berichtete über ihre gewonnenen Eindrücke und gemachten Erfahrungen.

Löchel bewarb sich nach ihrem Abitur an der Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld für das von der Stadt ausgeschriebene Stipendium, zog im Oktober 2017 in das Haus der Stipendiaten ein, den ehemaligen Marstall der Landgrafen in Marburg auf dem Schlossgelände unterhalb der Residenz mit dem einzigartigen Blick auf die Altstadt. Löchel schaut gegen Ende ihres Jura-Studiums mit Freude und Zufriedenheit auf „eine großartige, spannende und erfahrungsreiche Zeit“ zurück und bedankte sich bei den Initiatoren und der Stadt für die Möglichkeit, dieses Stipendium wahrgenommen zu haben.

Sie denkt heute noch gerne an das wunderbare Gefühl, in das Haus eingezogen zu sein, an die Aussicht sowie an die herzliche Aufnahme durch die freundlichen Mitbewohner, die sehr oft aus den übrigen Präsenzstädten stammen und mittlerweile meist enge Freunde geworden sind. Bemerkenswert sei, dass 39 Studierende „unterschiedlicher Fachrichtungen, Weltanschauungen, Religionen und Nationen unter einem Dach“ wohnten und ein „basisdemokratisches Zusammenleben“ praktizierten. Sie selbst lebe im Zimmer mit dem Namen „Neustadt“, ebenso einer Präsenzstadt, und veranlasste, dass das Doppelzimmer der Nicht-Präsenzstadt „Lausanne“ in „Alsfeld“ umbenannt wurde.

Das Leben in der Stipendiatenanstalt

Paule und Rudolf finden es nach wie vor interessant, wie vielfältig das Leben in der Marburger Stipendiatenanstalt ist. Neben wöchentlichen Hausversammlungen in der Vorlesungszeit, in denen grundlegende Belange des Zusammenlebens erörtert, Anträge entschieden, Aufgaben vergeben, Feste und Aktionen wie Public Viewings und anderes mehr organisiert werden, sei es die Vergabe von Ämtern nach Interessen und Fähigkeiten für ein Semester, von denen alle profitierten.

Löchel nannte hier die Führung der Hauskasse, die Pflege des Gartens, die Mithilfe in der Großküche, die Aufrechterhaltung der Bibliothek und die Öffentlichkeitsarbeit, die das Leben dort einzigartig und bunt machten.

Karoline Löchel hob anlässlich ihrer Stippvisite hervor, welche große Rolle das Pflegen der Gemeinschaft als wesentliches Element einer funktionierenden Hausgemeinschaft spiele. Das gemeinsame Essen, das von einer Köchin unter Mithilfe eines Bewohners zubereitet werde, die finanziell unterstützten Hausfahrten zu unterschiedlichen Orten, um sich vor allem zu Beginn des Semesters besser kennenzulernen, die „Mittwochs-Gast-Vortragsreihe“ oder die „Lectio Philippina“ als bedeutende sommerliche Veranstaltung mit diversen Aktionen trügen dazu bei, das Leben im Haus harmonisch zu gestalten und das Miteinander zu fördern.

Überdies verstärkten diverse Arbeitsgemeinschaften das soziale Miteinander und lenkten ein wenig vom manchmal anstrengenden Lernen ab. All das habe ihr das Gefühl der Sicherheit und der Akzeptanz gegeben, was zu Beginn des Studiums sehr wichtig war und was sie durch die Beteiligung in unterschiedlichen Gremien im Sozialen wie Argumentativen gestärkt und ihr den Blick auf das Interdisziplinäre wie Interkulturelle geebnet habe.

Und letztlich war es für sie als ein historisch interessierter Mensch spannend, an einem geschichtsträchtigen Ort zu leben, wobei sie an die Landgrafen, den Aufenthalt Luthers, Zwinglis oder Calvins und viele andere Persönlichkeiten und Ereignisse mehr denkt.

Alsfelds Stipendiatin hat ihr erstes juristisches Staatsexamen im Sommer 2022 geschrieben, wobei die mündlichen Prüfungen noch vor ihr liegen. Ihren Schwerpunkt legte Löchel, studentische Hilfskraft am Institut für Kriminalwissenschaften, auf das „Strafrecht“, schrieb beispielsweise eine Seminararbeit über die „Untersuchungshaft bei Jugendlichen und Heranwachsenden“ und leitet eine Arbeitsgemeinschaft für Studierende des zweiten und dritten Semesters.

Zukunftspläne

Sobald das Studium abgeschlossen ist, möchte Löchel entweder unmittelbar das Referendariat anschließen oder zuvor noch ein Jahr ins Ausland gehen, um „einen aufbauenden internationalen Master“ zu machen. Bürgermeister Paule bot ihr als vielseitig engagierte und motivierte Stipendiatin an, ihre Ausbildung im Sinne einer „Verwaltungsstation innerhalb des Referendariats“ in Alsfeld zu absolvieren.

Das Ende ihres Studiums werde auch das in der „Stipe“ sein, wie sie ihren fünfjährigen Wohn- und Aufenthaltsort liebevoll nennt. „Dann mache ich Platz für den oder die nächste präsentierte Person aus Alsfeld“.

Bürgermeister Paule und Stadtarchivar Rudolf dankten Löchel für die eindrucksvollen Schilderungen und gewannen sie, als Repräsentantin, sobald die Neuausschreibung 2023 erfolgt, vor jungen Bewerbern über die Attraktivität des „Alsfelder Stipendiums“ zu berichten.

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