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Begegnung in Alsfeld: Erfahrene Wandergesellen zeigen "Aspiranten" was wichtig istMit viel Tradition und ohne Handy unterwegs

ALSFELD (aep). Wandergesellen sind ja gar kein seltenes Bild auf den Straßen – selten aber trifft man gleich fünf von ihnen an einem Ort, wie es Ende vergangene Woche in Alsfeld der Fall war. Das hatte einen Grund: Drei von Ihnen sind ganz frisch auf der Walz, sie reisen noch mit Lehrern. Im Gespräch fällt auf: Dieser uralte Handwerksbrauch pflegt immer noch strenge Sitten.

Gerademal drei beziehungsweise vier Tage sind Kevin, 19, und Philipp, 20, aus der Nähe von Bad Schwalbach unterwegs, erzählen die Wandergesellen im Gespräch zu einem Foto, das eigentlich dazu dienen sollte, ihnen via Online-Aufruf bei Oberhessen-live eine Nachtunterkunft zu besorgen. Die bräuchten sie nicht mehr, sagt Johannes, 22, aus Brandenburg, der Älteste in der Gruppe. Die Nacht hatten sie unter dem Vordach eines Baumarktes verbracht und wollten nun weiterziehen. Nach Göttingen. Aber ein Foto: „Das können wir trotzdem machen“, lacht Johannes. „Ein bisschen PR schadet nicht!“

Als alle sich auf die Mauer des Klostergartens setzen, wird die Hierachie offenkundig: Drei dürfen nicht, müssen stehen. „Das ist so Brauch“, sagt Johannes, „das sind erst einmal nur Aspiranten!“ Dann erzählen er und Alexander, 21, aus Hamburg, wie das so geht mit dem Start in die drei Wanderjahre. Johannes hat eben erst Tage zuvor die beiden Neuen aus Bad Schwalbach abgeholt – am Wochenende hatten die beiden in ihren Heimatorten Abschied gefeiert. Erst in drei Jahren und einem Tag dürfen sie zurückkehren. Für sie begann die Phase der „Losgeh-Tippelei“ unter der Obhut von Johannes.

„Losgeh-Tippelei“ – so nennt man die Zeit, in der er den Aspiranten zeigt, wie man auf der Wanderschaft zurecht kommt: Wo man Unterkunft findet, wo es Arbeit geben könnte. „Ich zeige ihnen alles, was sie brauchen.“ Unterwegs trafen die drei Alexander und Richard, 22, aus Leipzig. Auch Richard ist noch frisch auf der Wanderschaft: gerademal fünf Wochen. Der jüngere Alexander, seit zwei Jahren unterwegs, ist sein Lehrer. Meistens sind die Wandergesellen alleine oder in kleineren Gruppierungen unterwegs – um zum Beispiel als Anhalter größere Chancen zu haben. Gemeinsam kamen sie in Alsfeld an. „Hier gäbe es viel für uns zu tun“, schmunzelt Johannes, der as Dachdecker der traditionsreichen Gesellenvereinigung Roland Schacht angehört. Drei weitere Dachdecker, ein Schreiner reisen gerade zusammen.

Es ist manchmal mühselig, räumen die beiden erfahrenen Hasen ein – besonders im Winter. Immerhin aber seien die Wandergesellen bei ihrer Jahrhunderte alten Reifeübung auch heute immer noch gerne gesehen, wo sie auftauchen – und damit das so bleibt, gilt ein eherner Ehrenkodex. Eine Regel: Verhalte dich so, dass auch nachfolgende Gesellen noch gerne angenommen werden.

Es gibt übrigens noch eine eherne Regel, die manchem jungen Mann oder auch mancher jungen Frau auf Wanderschaft zuerst einmal zusetzen könnte: Handys – egal ob Smartphone oder konventionell – sind verboten. „So schwer ist das nicht“, lacht Johannes. „Wer braucht schon ein  Handy?“

 

3 Gedanken zu “Mit viel Tradition und ohne Handy unterwegs

  1. Vielleicht ist es ja kein Gesell mehr, sondern mittlerweile sogar Meister – und er darf sich ja auch hinsetzen – im Gegensatz zu den 3 mittleren Männern – und er trägt Zylinder, genauso wie der ganz links stehende Mann, der sich ebenfalls setzen durfte *überleg*

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