Enorme Hitze und WaldbrandgefahrUnterwegs zwischen durstigen Bäumen
VOGELSBERGKREIS (lmg). Unser Wald. Diverse Baumarten und mittendrin unzählige Mikroorganismen, Pilze und Tiere. Er dient als Quelle der Erholung, sorgt für Arbeitsplätze und liefert zugleich noch wichtige Bau- und Brennstoffe. Doch Dürre, Hitze und Käferplagen belasten ihn enorm. Wie besorgniserregend ist der derzeitige Zustand des Waldes und wie hat er den diesjährigen Sommer überlebt? Ein Besuch im Unterholz.
Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und beim Laufen knistern die vertrockneten Blätter am Boden. An manchen Bäumen kann man schon die Blätter in ihren herbstlichen Farben erkennen. Eine wahre Idylle im Schwalmtaler Wald. Doch es hat Gründe, warum bereits Mitte August gelb-orange Blätter an den Ästen hängen. Den Bäumen fehlt Wasser.
„Dadurch, dass sich die Vegetationszeit verlängert hat, besteht auch ein höherer Bedarf an Wasser. Da es in den dürren Sommermonaten aber relativ wenig regnet, können die Bäume ihre Blätter nicht mehr ausreichend versorgen. So kommt es zu einem verfrühtem Laubabwurf“, erklärt Rolf Fischer, Revierleiter für den Bereich Schwalmtal.
Folgen sind unter anderen, dass der Baum „in seiner Vitalität, in seiner Lebenskraft geschwächt wird“, was zur Folge hat, dass er anfälliger für Krankheiten und Schädlinge wird. „Im Extremfall stirbt er ab“, so Fischer.
Es gibt noch mehr Zeichen, an denen man die Auswirkungen des Klimawandels im Wald erkennen kann. Besonders Monokulturen aus Nadelbäumen sind von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen. Fischer steigt in sein Auto und fährt ein Stück. Nach einer kurzen Zeit hält er an, steigt wieder aus und zeigt auf vertrocknete und mit Borkenkäfern befallende Fichten.
Auch das liegt an den Auswirkungen des Klimawandels, betont der Revierförster und erklärt: Die ursprüngliche Heimat der Fichte ist der Norden, sie ist dieses Klima nicht gewöhnt. Durch die steigende Temperatur sind die Bäume der Hitze ausgesetzt. Sie kommen mit der Trockenheit nicht so gut klar wie andere Bäume. Sie sind geschwächt und deshalb auch extrem anfällig für Krankheitserreger und Insektenbefall. Besonders Borkenkäfer fühlen sich in der durch Trockenheit geschwächten Fichte wohl und vermehren sich dort in Massen.
Auswirkungen von Wetterextremen auf den Wald
Der Wald als solches ist robust, sagt Fischer, doch die immer heißer werdenden Sommer belasten das Ökosystem enorm. Und wer denkt, mit ein bisschen mehr Regen sei das Problem gelöst, der irrt. Der Regen, der diesen Sommer runter kam, bringe den Wäldern keinen Nutzen. Möglicherweise jungen Bäumen, aber auch nur kurzfristig, sagt Fischer. Das Wasser sei dafür nicht tief genug in die Erde gesickert, um die Wurzeln der Bäume zu erreichen. Genauso wenig hilfreich sei auch ein starker Regenschauer. Bei einem so extremen Regen würde das Wasser auf der Oberfläche abfließen. Es hätte gar keine Chance, durch den dürren, porösen Boden zu sickern.
„Ideal wäre hier ein leichter Landregen“, erklärt der Experte. Ein Landregen würde die Erde so aufweichen, dass das Wasser idealerweise in den Boden eindringen kann. Dafür müsse es aber erst einmal einige Wochen regnen, betont Fischer. Vor Herbst sei dies nicht zu erwarten.
Um den Wald vor diesem Wetter zu schützen, muss man bereits jetzt langjährige Entscheidungen treffen. Wie wird das Wetter in den nächsten Jahrzehnten aussehen und welche Bäume halten dem Klima, welches dann herrscht, stand? Genau mit solchen Fragen beschäftigen sich Forstrevierleiter schon seit Jahren. Ihre Aufgabe ist es, an einem Wald zu arbeiten, der auch noch in hundert Jahren dem Klima gerecht wird.
„Wer breit streut, rutscht nicht“
Um den Wald zu schützen wird besonders Wert auf Mischwälder gelegt. Gemischte Laubwälder seien ideal. „Je gemischter ein Wald ist, um so stabiler ist er.“ Die Bäume ergänzen sich dann gegenseitig, wie der Förster erklärt. Das Auto bleibt stehen. Fischer geht ein wenig in den Wald hinein und auf die Suche. Esche, Hainbuche, Feldhorn oder auch die Elsbeere sind die Baumarten, die er gezielt ansteuert. Sie können besonders gut mit der Trockenheit umgehen und dem sich aufheizenden Klima standhalten. „Wer breit streut, rutscht nicht“, sagt Fischer.
Revierleiter Rolf Fischer zeigt eine vitale Hainbuche. Foto: lmg
Fichten hingegen seien dafür eher ungeeignet. Fischers Meinung nach hat die Fichte in den Vogelsberger Wäldern keine Zukunft mehr. Fichten kommen ursprünglich aus dem Gebirge und würden hier auch gar nicht von Natur aus wachsen, sagt er. Der Baum hat mit unserem Klima hier zu kämpfen. Durch die Hitze und den Wassermangel wird die Fichte geschwächt und ist zudem ein leichtes Ziel für Pilze und Parasiten.
Um die Mischwälder weiter aufzustocken, finden jährlich mehrere Aktion zur Bepflanzung der Wälder statt, wo unzählige neue Setzlinge gepflanzt werden. Doch auch die kleinen Setzlinge sind der extremen Hitze ausgesetzt. Konnten sie dem heißen, dürren Sommer überhaupt standhalten? Das kommt ganz auf den Standort an, berichtet Fischer. Je nach Lage hat jeder Setzling ja andere Voraussetzungen gegeben. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Bäume natürlich gewachsen sind oder ob sie von Förstern gepflanzt wurden. Der Unterschied hierbei ist, dass die natürlich gewachsenen Bäume eine bessere Chance zu überleben haben, da sie von Anfang an ihre vollen Wurzeln ausbilden können und sich ihrem Sandort anpassen.
Auch Lebewesen leiden unter diesem Sommer
Nicht nur der Wald, sondern auch seine Bewohner haben mit der enormen Hitze zu kämpfen. „Auch wenn die meisten Tiere relativ mobil sind und in Ecken ausweichen können wo es Wasser gibt, ist dies keine Dauerlösung“, sagt Fischer und fährt an eine bestimmte Stelle im Schwalmtaler Wald. Er stoppt mit seinem Auto direkt neben einem Tümpel. Um das Problem zu beheben ist dieser Tümpel gegraben worden, an dem sich nun die Tiere ihr Wasser holen können.
Ortswechsel. Durch die immer heißer werdenden Sommer steigt natürlich auch die Waldbrandgefahr. Das bestätigt Lauterbachs stellvertretender Stadtbrandinspektor Tony Michelis. „Man merkt, dass es schon ein deutlicher Unterschied ist zu den Vorjahren“, sagt er. Es sei eine „erhebliche Erhöhung“ der Waldbrandzahl hier im Landkreis zu spüren.
Allein dieses Jahr kam es schon zu 87 Bränden im Landkreis Vogelsberg. Die Anzahl der hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren verdoppelt. 2021 waren es bis zum 31. August 42 Brände, 2020 gab es in diesem Zeitraum 54 Einsätze und 2019 bis dato 48.
Zur Erklärung: Bei Wald und Flächenbränden wird, so der Kreis, nach den Einsatzstichworten F Wald 1 und F Wald 2 alarmiert. Das bedeutet, dass hier keine Differenzierung zwischen Wald- und Flächenbränden vorgenommen wird.
Die Feuerwehr Lauterbach Mitte selbst verbuchte auch einige solche Einsätze. Mehrere kleine in der Stadt Lauterbach, im Schlitzerland, Richtung Fulda, im Raum Bad Hersfeld und sogar in Dillenburg war die Feuerwehr im Einsatz.
Ein Waldbrand beansprucht viel Zeit – bis zu mehrere Tage, denn wenn die Flammen gelöscht sind, bedeutet es nicht, dass der Brand gelöscht ist. Es befinden sich weiterhin Glutester im und am Boden, die einen neuen Brand entstehen lassen können. Zusätzlich wird ein Waldbrand oftmals durch seine Lage und Umgebung erschwert. Versperrte Wege, teilweise Gebirge, und wenn man dann auch noch zu Fuß unterwegs ist, müssen die Feuerwehrleute frühzeitig ausgewechselt werden, weil es sonst zu anstrengend wird.
Lauterbachs stellvertretende Stadtbrandinspektor und stellvertretender Wehrführer Lauterbach Mitte Tony Michelis. Foto:lmg
Vorbereitung auf den Ernstfall
Um auf genau solche Szenarien vorbereitet zu sein, übt die Feuerwehr einmal im Jahr diesen Ernstfall. Bei dieser Übung wird geschult, wie auf längere Strecke Wasser befördert wird und auch wie ein Feuer aus der Luft mithilfe eines Hubschraubers gelöscht wird.
Aufgrund der hohen Anzahl der Waldbrände dieses Jahr gab es keine Übung. „Die Übung macht sich zwar bewehrt, aber bei den derzeitigen Ernstfall-Situationen übt man natürlich auch.“
Der Wald ist für uns ein Ort der Erholung, für viele Pflanzen- und Tierarten ist er Lebensraum. Die Bedeutung des Waldes an sich – und seine Zerbrechlichkeit – scheint den Menschen nicht immer bewusst zu sein. Um die akute Gefahr eines Waldbrands zu reduzieren, da sind sich Förster Fischer und Feuerwehrmann Michelis einig, gibt es ein paar einfache Tricks. Kein offenes Feuer in Waldnähe, nicht an unerlaubten Stellen grillen und keine Zigaretten wahllos wegschmeißen. Die beiden bitten schließlich noch wachsam zu sein und im Zweifel die 112 zu wählen, falls man etwas verdächtiges im Wald bemerkt, was ein Brand sein könnte.
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