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Lesung mit Astrid Ruppert und Traudi Schlitt im Rahmen der Interkulturellen Woche„Endlich wieder Kultur“

VOGELSBERG (ol). Es sind Alltagsgeschichten. Wir alle kennen sie. Aber die wenigsten von uns bringen sie zu Papier. Astrid Ruppert und Traudi Schlitt schon. Beide – die Homberger Schriftstellerin und die Alsfelder Kolumnistin – haben ihre Alltagsgeschichten jetzt einem interessierten Publikum vorgestellt.

Im Rahmen der ersten Interkulturellen Woche im Vogelsbergkreis konnte Stephanie Kötschau, Beauftragte für Integration, Inklusion und Gleichstellung, die beiden Autorinnen zu einer Lesung im Sitzungssaal des Lauterbacher Landratsamtes begrüßen. Neben den Gästen im Saal – wegen der Corona-Pandemie war die Anzahl begrenzt – konnte die Lesung auch per Stream verfolgt werden.

In der Pressemitteilung heißt es, Astrid Ruppert aus Homberg ist eine erfolgreiche Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Zudem engagiert sie sich als Flüchtlingsbegleiterin. Zahlreiche neue Erfahrungen hat sie gesammelt, die in ihre Geschichten über den Syrer Ayman eingeflossen sind. Kuriose und witzige Szenen und Begegnungen hat es gegeben, aber auch Momente des Nachdenkens. Zu Muttertag etwa bekam Astrid Ruppert ein Geschenk von Ayman, weil er „seine eigene Familie so sehr vermisste“. Wir alle, so Ayman, könnten so glücklich sein, weil wir unsere Familien um uns hätten. Seit gut fünf Jahren ist die Schriftstellerin in der Flüchtlingsbetreuung aktiv. Ihr Fazit fällt eindeutig aus: „Jeder kann sich einbringen und helfen. Und: Man bekommt auch etwas zurück“, betonte Ruppert bei der Lesung im Landratsamt.

Traudi Schlitt war die zweite Protagonistin des Abends – besser gesagt: Kolumnistin. Denn für ihre humorvollen Kolumnen ist die Alsfelderin bekannt. Es sind die Begegnungen vor der Haustür, die Szenen und Begebenheiten, die alle von uns schon einmal erlebt haben. Traudi Schlitt schreibt sie nieder, alle zwei Wochen erscheint eine neue Kolumne. Für die Lesung im Rahmen der Interkulturellen Woche hatte sie sich Reisekolumnen ausgesucht, in der sie gängige Vorurteile hinterfragte.

Sehr gut an kamen die Beiträge beim Publikum – und sie wurden sogar im europäischen Ausland verfolgt: Freundinnen der Autorinnen saßen in England beziehungsweise auf der griechischen Insel Kreta vor dem Bildschirm.

Astrid Ruppert und Traudi Schlitt selbst genossen den Abend und freuten sich, endlich einmal wieder vor  Publikum lesen zu können. Sie dankten Stephanie Kötschau und Antonia Schäfer vom WIR-Projekt Vogelsbergkreis, die den Abend organisiert hatten. „Es ist schön, dass in der Interkulturellen Woche Kultur wiederbelebt wurde“, so die beiden Autorinnen.

2 Gedanken zu “„Endlich wieder Kultur“

  1. Ich weiß nicht, ob ich diesen Typ der lokaliter Kultur Schaffend*innen unbedingt sympathisch finden soll. Was mich da mit übergroßen, dunkel gerandeten Brillengläsern leicht schnippisch (wie mir scheint) anblickt, sammelt im Alltag vielleicht nicht nur Geschichten und schreibt sie auf. Diese Raum füllende Sorte von DAMEN verursacht auch „Geschichten“ nach Art der erwähnten Alltagsszenen bzw. vielmehr derer, die Loriot mit grämlichem Humor eingefangen hat und die ich hiermit einmal bösartig unterstelle. „Dann lies doch mal was!“ – „Nachher, nachher vielleicht.“ – „Soll ich dir die Illustrierten holen?“ – „Nein, nein, vielen Dank!“ – „Will der Herr sich auch noch bedienen lassen, was?“…
    Astrid Ruppert und Traudi Schlitt scheinen mir ins Licht der Öffentlichkeit zu drängen, auch wenn es nur das am Ende des Krötentunnels ist. Ich vermute dies natürlich nur und stelle mir die Damen morgens am Frühstückstisch vor. In groß geblümten Bademänteln und mit eingedrehten Haarsträhnen. „Ich hätte nur gern ein weiches Ei!“ – „Mein Gott, sind Männer primitiv!“ Als Kinder wurden wir noch angehalten, bei größeren Familienfesten etwas vorzuführen. Zwischen Mittagsmenue und Kaffee und Kuchen oder gegen Abend, wenn die Gäste müde und streitsüchtig wurden. „Nun macht doch mal was!“ hieß es dann. Gemeint war etwas kurz Vorbereitetes, das nach Möglichkeit gegen die Kochkunst der Hausfrau und die Pracht der Kaffeetafel resp. des kalt-warmen Abendbuffets nicht allzu sehr nach unten abstach. Es wurden dann meistens Szenen aus dem Fernsehen nachgespielt. Ohnsorg-Theater oder „Am Fuß der blauen Berge“. Zuweilen debütierte auch ein „Star“-Kind, promotet von dem Zweig der Familie, zu dem es gehörte. Es sang dann irgendein „Achim“ mit zur Decke verdrehten Augen und messerscharfem Knabensopran so lange, bis das Kristall in den Schauvitrinen zu springen begann und abzusehen war, wann der frühe Ruhm ihm zu Kopf steigen und er sich bereits Anfang der Zwanzig eine Assistentenstelle in der juristischen Fakultät erobert haben würde, während wir Normalos gerade mal das Fach gefunden hatten, das wir dann – viele Jahre später – zu Ende zu studieren gedachten.
    So schieden sich zumeist bereits in frühen Jahren die Rampensäue vom mittleren nichttechnischen Dienst. Und doch: Am Ende ist die Pyramide spitz und unbequem daher der Sitz. Die unerfüllten Karriereträume sehr sehr vieler Unterhaltungskünstler*innen enden in den Etagen, von denen nur noch sehr wenige Aufzüge weiter nach oben führen.
    Frage: Wie lässt man enttäuschte Hoffnungen in etwas aus- oder abklingen, was nach allgemeiner Übereinkunft als letztes stirbt? Man transformiert zu Publikum, das sich in der Rolle eines anspruchsvollen Auditoriums oder einer entfesselten Fan-Kurve gefällt und statt der eigener Kreativität den Sachverstand des Rezipienten kultiviert. 80 Millionen Bundestrainer… „Die Medien“ erlauben es uns, hierbei das Gesicht zu wahren und die Highlights heraus zu picken. Ein Beispiel: Gestern Abend brachte HR3 die Wiederholung der Tatort-Folge „Herzversagen“ aus dem Jahr 2004 mit dem alten Frankfurter Team. Hervorragend gemacht und hoch aktuell, indem die Opfergruppe der vereinsamenden Hochbetagten beschrieben wurde, die – für die Mehrheitsgesellschaft nahezu unsichtbar werdend – auch als Tatopfer nicht mehr bemerkt werden. Mal wieder ein Anstoß, aus der eigenen Anonymität heraus zu treten und der Unsichtbaren und Ausgegrenzten in unserer Nähe zu gedenken. Sei es als Vogelsberger Vulkan-Promi oder in der Essensausgabe der Tafel.

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