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Jörg Boschmann hat viele Hobbys – Eines sind kleine, haarige Tierchen zum StreichelnDer mit Meerschweinchen Europameister wird

ALSFELD. So liebevoll wie Jörg Boschmann von seinen Meerschweinchen erzählt, beginnt man zu glauben, dass die kleinen Tierchen mehr sind als Kinder-Streichelobjekte. Dass sie Charakter haben, dass sie anhänglich sein können, und dass sie einzigartig sind. So einzigartig, dass man mit ihnen sogar Preise gewinnen kann. Das hat der Alsfelder nämlich gerade erlebt: Er kann sich Europameister in der Meerschweinchen-Zucht nennen. Den Titel heimste er im Mai in einem kleinen Ort bei Köln ein und setzte so dem ungewöhnlichsten seiner Hobbys die Krone auf. Er tut mehr Ungewöhnliches.

Wer als Kunde im Frisiersalon von Jörg Boschmann in der Marburger Straße sitzt, der ahnt wohl nicht, dass nur wenige Meter entfernt die Treppe hinauf gleich drei Champions leben: „Monarch“, „Prinz Velkan“ und „Now or never“. So heißen die drei Meerschweinchen, mit denen der 51-Jährige gerade in Quadrath-Ichendorf einen Titel holte, von dem die meisten Menschen nicht ahnen, dass es ihn gibt. Aber doch: Es gibt den Bundesverband der Meerschweinschenfreunde, und es gab im Mai die dritte europäische Meisterschaft der Meerschweinchen.

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Mit coolem Pony: „Now or never“ – auch ein Peruaner – auf der Hand des Züchters.

Dann muss man nur noch so viel Leidenschaft wie Jörg Boschmann in die Tierchen legen, und es winken zu Pokal und Urkunde auch Ruhm und Ehre. Das muss reichen, denn reich wird man mit erfolgreichedn Meerschweinchen nicht. Aber das ist es ja auch nicht, was Jörg Boschmann bei seinem Hobby antreibt. „Ich weiß nicht“, sinniert er, „Meine Eltern haben gezüchtet, und ich habe dieses Virus wohl auch abbekommen“.

Mit zwölf bekam er sein erstes Meerschweinchen. Aber es war „Ricky“ vor 20 Jahren, der Schuld daran trug, dass mehr draus wurde. Das lag irgendwie an den langen Haaren, die der „Peruaner“ trug: „Das hat mich als Friseur wohl angesprochen“ Jörg Boschmann begann, sich mit „Ricky“ für die Zucht von Meerschweinchen zu interessieren. Warum auch nicht? Er hat sich schon immer für irgendwie ungewöhnliche Leidenschaften interessiert: Mit 16 Jahren lernte der gebürtige Düsseldorfer den Beruf des Hundefriseurs, sattelte erst mit 18 auf Menschenköpfe um. Er war Springreiter und Reitlehrer, tritt als „La Diva“ in Travestieshows auf. Aber Hunde und Katzen als Tiere zu halten – das war nixht seins. Warum nicht Meerschweinchen züchten, wenn man sich welche hält?

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„Monarch“ ist ein neun Monate altes Glatthaar-Meerschweinchen.

Das muss schon sein: „Die Tiere müssen bei mir schon Kunststückchen machen. Und wenn sie das nicht können, müssen sie Züchterpreise holen.“ Gesagt – und nicht getan. Ein passendes Gegenstück zu „Ricky“ zu finden, erwies sich damals als nicht so einfach. Aber bei der Suche stieß Jörg Boschmann auf die Vereine und Verbände, in denen Züchter zusammenfinden. Er lernte: Die besten Züchter und Züchtungen kommen aus Holland. „Da habe ich viel gelernt“. Heute hat Deutschland die Nase vorn.

Er züchtete Generationen von Meerschweinchen, holte ein paar Deutsche Meister-Titel und hatte irgendwann ein frisch Geborenes auf der Hand, bei dessen toller Zeichnung er sich sagte: „Jetzt oder nie“. Tatsächlich sollte „Now or never“ bei den Europa-Meisterschaften zum Siegerteam gehören. Lohn viele Mühen eines anstrengenden Wochenende.

Für die Meisterschaft fuhr Boschmann mit 15 Tieren nach Quadrath-Ichendorf, einem Stadtteil von Bergheim bei Köln – und Züchter aus 16 Ländern mit 1200 Tieren taten es ihm nach. Es wurde ein stressiges Wochenende: Samstagmorgen in der großen Halle die Tiere einkäfigen, sie den ganzen Tag richten, also beurteilen zu lassen und dann zum Züchterabend, wo am Ende der Alsfelder am häufigsten aufgerufen wurde.“Prinz Velkan“, der elf Monate alte Texel mit Haaren wie ein Wischmop, aber der besten Zeichnung darin, darf sich jetzt zum Beispiel Europas schönstes Meerschweinchen nennen. Der Gesamttitel ging nach Alsfeld – es ist quasi auch ein Weltmeistertitel, denn mehr geht nicht. „Europameister ist das größte, das du im Leben erreichen kannst.“

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Trophäen: Jörg Boschmann hat seine Pokale im Treppenaufgang platziert.

Da steht der Pokal jetzt neben kleineren Trophäen am Treppenaufgang des Friseusalons. 800 Euro hat das Abenteuer gekostet, ein Wochenende Arbeit und Hunderte Fahrtkilometer, aber der Meister sieht richtig zufrieden aus: „So etwas ist doch eine schöne Bestätigung.“

Von Axel Pries

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