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Stadtparlament stimmt erneut gegen den Vorschlag der OppositionWarum es auch weiterhin keinen Behindertenbeirat geben wird

ALSFELD (ls). Auch der wiederholte Versuch von SPD und ALA, einen Beirat für Menschen mit Behinderung in der Stadt einzurichten, ist gescheitert. Durch 18 Gegenstimmen und eine Enthaltung von CDU und UWA in einer namentlichen Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt.

Ein Rückblick in aller Kürze: Schon 2018 hatte die SPD-Fraktion im Alsfelder Stadtparlament den Plan, einen Beirat für Menschen mit Behinderung einzurichten und schon damals zeichnete sich bereits im Ausschuss ab, dass das Vorhaben trotz ALA-Unterstützung keine Mehrheit finden wird. CDU, UWA und Verwaltung argumentierten, dass man schon so in einem engen Austausch mit den Sozialverbänden stehe und es deshalb nicht unbedingt einen eigenen Beirat dafür geben müsse, im Stadtparlament wurde der Antrag kurz darauf mehrheitlich abgelehnt.

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Ein ähnliches Schicksal zeichnete such auch drei Jahre später wieder ab, denn nachdem sowohl die SPD als auch die ALA je einen Antrag auf die Bildung eines solchen Beirats eingebracht haben – beide Fraktionen begründeten ihren Antrag mit den Diskussionen rund um die Begehbarkeit des Marktplatzes, die vom Verein Barrierefreie Stadt Alsfeld kritisiert wurde – meldete sich die Koalition und bekräftigte nochmals ihre ablehnende Haltung gegenüber eines Beirats für Menschen mit Behinderung.

Im an diesem Tag frisch konstituierten Sozialausschuss unter dem neuen, alten Vorsitz von Gerd Hebel, äußerte sich auch Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule im Namen der Verwaltung wieder gegen einen Beirat – was er schon 2018 tat. Und weiterhin klaffen die Meinungen zwischen Opposition und Koalition auseinander.

Ablehnung von CDU, UWA und Verwaltung schon im Ausschuss

„Wir sehen noch immer vorhandene Missstände und sehen aus diesem Grund noch immer die Notwendigkeit, einen solchen Beirat ins Leben zu rufen“, begründete SPD-Chef Achim Quehl den neuen Versuch. Es gebe einfach Menschen mit Handicaps, die im Alltag Probleme hätten, durch die Stadt zu kommen – und der Verein „Barrierefreie Stadt Alsfeld“ schaffe es nicht allein und ohne Rederecht in den Gremien, diese Belange zu vertreten, ergänzte SPD-Stadtverordnete Christa Haidu im Ausschuss. „Die jüngsten Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Verein ‚Barrierefreie Stadt Alsfeld‘ haben die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit nochmal deutlich gemacht“, sagte Walter Windisch-Laube von der ALA, die ebenfalls einen Antrag zu diesem Thema eingerecht hatte.

„Herr Windisch-Laube hat darauf hingewiesen, dass es in den vergangenen Wochen zum Marktplatz nochmal einen Nachklaps gab, der in der Tat eines deutlich machte: Es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen dem, was Stadtverordnetenversammlung entschieden hat und dem, was sich der Verein vorstellt“, erklärte Paule. Die Stadtverwaltung sei immer für jeden da, insbesondere für Themen der Barrierefreiheit und die Belange der Menschen, deren Meinungen immer sehr geschätzt werden. Auch wenn der Gesprächsfaden zu dem Verein zwischenzeitlich abgerissen war, wolle man ihn wieder aufnehmen und habe schon für September ein Termin geplant, im Sommer sei das schon verabredet worden.

Ausschüsse und Gremien in Alsfeld hätten alle Berechtigung, aber einen von der Stadt einberufenen Beirat für Menschen mit Behinderung lehne er ab, erklärte Paule. Das liege mitunter daran, dass solche Beiräte für Menschen gedacht seien, die keine Stimme haben, weil sie nicht an Wahlen teilnehmen dürfen – so wie Kinder- und Jugendliche oder aber Menschen ohne deutschen Pass, für die es das Stadtjugendparlament oder den Ausländerbeirat gibt; oder im Fall des Ausländerbeirats: geben könnte.

Anders sei das beim Seniorenbeirat, der zwar so heißt, aber kein offizieller von der Stadt beauftragter Beirat sei, sondern ein Zusammenschluss von Vertretern unterschiedlicher Interessenverbände. So könne er sich das auch für einen Behindertenbeirat vorstellen. Auch hier könnten sich Sozialverbände zusammentun und als Ansprechpartner fungieren. „Das wäre eine Anregung. Ich befürworte nicht, dass Stadt einen Beirat einrichtet, sonst müssten wir das für andere Interessensvertreter auch machen“, erklärte Paule im Ausschuss.

Dass das auf ehrenamtlicher Basis funktionieren kann, aber nicht unbedingt muss, bekräftigte ALA-Chef Michael Riese. Das, was überall in Hessen schon üblich sei, darum mache man hier in Alsfeld „Heckmeck“. „Ihr Vorschlag in allen Ehren, aber wenn die Verbände selbst artikulieren, dass sie Interesse an so einem Beirat haben, was erzählen Sie uns denn dann hier?“, frage Riese. Und auch Quehl bekräftigte: Nicht für „jeden Strohhalm“ brauche man einen Beirat, aber ein Beirat der politisch gewollt sei, sei ein wesentlich besseres Signal als ein Beirat auf freiwilliger Basis.

Quehl: „Sie haben keine Lust. Sie wollen das nicht und das ist Ihnen zu bürokratisch“

Eine Beschlussempfehlung gab es im Ausschuss nicht, denn aus zwei Anträgen sollte ein gemeinsamer gemacht werden, der am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung stand – und in einer nicht allzu häufigen namentlichen Abstimmung mit 18 Gegenstimmen von CDU und UWA, einer Enthaltung und zwölf Ja-Stimmen von SPD und ALA dennoch mehrheitlich abgelehnt wurde, aber nicht ohne vorab nochmal für Diskussionen zu sorgen.

„Es ist das adäquate demokratische Mittel, damit es Menschen mit Behinderung leichter haben und es ihnen besser geht“, begründete Quehl im Stadtparlament den gemeinsamen Antrag. Wichtig sei dabei das Zeichen, dass ein solcher Beirat politisch gewollt ist, damit zeige man auch soziale Verantwortung, erklärte Quehl und warb darum, aktiv voran zu gehen und aktiv etwas für die Menschen zu tun. Der Rathauschef blieb dennoch dabei: „Ein Beirat ist das falsche Instrument“, sagte er und wurde von Alexander Heinz (CDU) darin bestätigt, der zunächst nochmal daran erinnerte, dass im Zusammenhang mit der Marktplatzsanierung viele Gespräche geführt wurden.

„Dass der Kompromiss nicht jedem gefällt ist so, aber die Einrichtung eines Behindertenbeirats verbessert nicht unbedingt die Barrierefreiheit der Stadt. Bahnhof und Bushaltestellen werden dadurch nicht schneller barrierefrei umgebaut, als es passiert“, sagte Heinz. Auch er habe mit einem Mitglied des Vereins Barrierefreie Stadt Alsfeld gesprochen und man habe ihm gesagt, dass man sich eher einen direkten Ansprechpartner wünsche – und das seien für alle Alsfelder und auch für alle Menschen mit Handicap die Mitarbeiter der Verwaltung und alle Mitglieder des Stadtparlaments. „Alle wie wir hier sitzen, stehen jederzeit zum Dialog zur Verfügung, auch ohne bürokratischen Beirat. Es geht nicht darum, dass ein Beirat lästig ist oder darum, Arbeit fern zu halten. Es geht darum, dass mehr Demokratie geschaffen wird, die aber auch Verpflichtungen mit sich bringt“, sagte Heinz.

Eine Sache war besonders Michael Riese am Ende nochmal wichtig: Es gehe ihm nicht um das Ehrenamt oder das Nicht-Ehrenamt. Es gehe in dieser Kontroverse einzig und allein  darum, dass es für Menschen mit Handicap ein gutes, demokratisches Recht sei einen solchen Beirat zu haben. „Es ist vermessen, ihnen dieses Recht vorzuenthalten.“

Auch Quehl ergriff noch einmal das Wort, bezog sich auf den Redebeitrag von Heinz und auch auf die ablehnende Haltung der Koalition, die vorab in einer Presseerklärung veröffentlicht wurde. Die nämlich habe sich seiner Auffassung nach so gelesen, als seien alle Veränderungen in Sachen Barrierefreiheit wie der Pool-Lift im Erlenbad auf die Kappe der CDU gegangen, was aus seiner Sicht vermessen sei, da der Verein diesen Pool-Lift angeschafft habe. „Ich lese: Sie haben keine Lust. Sie wollen das nicht und das ist Ihnen zu bürokratisch. Sie haben die Mehrheit, das ist mir klar. Aber sie lassen es die Alsfelder auch spüren, dass es so ist“, erklärte Quehl, beantragte eine namentliche Abstimmung und kündigte an, dass sich das Parlament im Oktober mit dem Thema Inklusionsbeauftragter beschäftigen werde.

18 Stimmen gegen den Behindertenbeirat

Gegen den gemeinsamen Antrag der SPD und ALA stimmten: Marco Allendorf (CDU), Reinhard Bambey (CDU), Peter Dörge (UWA), Martin Giese (CDU), Gerd Hebel (CDU), Alexander Heinz (CDU), Hans-Georg Herbst (CDU), Mathis Kruse (CDU), Sarah Kuhla (CDU), Michael Lotz (CDU), Michael Refflinghaus (CDU), Martin Räther (UWA), Alexander Reinsch (CDU), Kurt Schlorke (CDU), Achim Spychalski-Merle (UWA), Patrick Vogel (CDU), Dieter Welker (UWA), Matthias Wilhelm (CDU)

Für den Antrag stimmten: Kerstin Dietrich (ALA), Christoph Stüber (SPD), Christa Haidu (SPD), Ute Koch (SPD), Luis Lämmer (SPD), Axel Möller (SPD), Achim Quehl (SPD), Michael Riese (ALA), Konrad Rüssel (ALA), Anette Schmidt (SPD), Matthias Weitzel (SPD), Ulrike Zwecker (SPD)

Enthaltungen: Carlotta Räther (UWA)

3 Gedanken zu “Warum es auch weiterhin keinen Behindertenbeirat geben wird

  1. „Scusate per il disagio ……. :
    „Entschuldigen sie die Unannehmlichkeiten“…..

    …. welcher ein „Beirat“ ihrer politischen Arbeit im Wege stehen würde …..
    “ Beiräte: Gremien mit beratender Funktion“ ….. sind wahrlich ein Übel ;-)
    Stören sie doch das „Allumfassende“ Wissen der lokalen „Entscheider“ auch Politiker genannt.
    Nun, erstens :
    Bürgermeister Paule ist wahrlich nicht der schlechteste in der Liste der Alsfelder Bürgermeister, ich persönlich befinde ihn sogar als recht integer und eigentlich auch,als in seiner Funktion, nicht übel ;-)
    Nun, zweitens:
    Der eine wie auch der andere der lokalen CDU / UWA Politiker sind für mich absolut nicht (mehr) wählbar !
    Und dadurch auch die CDU/ UWA !

    …… Beratungsresistent/ Selbstüberschätzend / Unsozial ……..und das in dem kleinen Kosmos der “ Lokalpolitik “ !
    Unglaublich !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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  2. Das ist doch immer die gleiche Leier und auch das Demokratieverständnis von Paule und seinen Vasallen: ich mache doch schon alles für den Menschen. Waren übrigens auch die letzten öffentlichen Worte Erich Mielkes vor der DDR Volkskammer: „(…) ich liebe doch alle Menschen (…)“.

    Aber ein Gutes hat es doch: es gab eine namentliche Abstimmung und dank OL sind diese hier auch veröffentlicht. Auf der Homepage der Stadt Alsfeld stehen auch Kontaktdaten und Wohnorte der Stadtverordneten. Also sprecht die Bambeys, Gieses, Heinzes, Schlorkes, Wilhelms… und wie sie alle heißen draußen darauf an. Fragt, warum ein solcher Beirat ein so großes Problem darstellt.

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  3. Nun ist es also doch passiert. Schon wieder. Täglich grüßt das Murmeltier. Wie nicht anders zu erwarten war. Es sind die 18 Hauptbarrieren in Alsfeld aufgelistet. Die Begründungen dafür sind absolut lächerlich und nachweislich falsch. Die Stadt kommt also auch weiterhin ihrer besonderen Fürsorgepflicht nicht nach. Man will das alles wieder mal den Bürgern selbst aufbürden- sich Arbeit und vor allem Geld sparen. Haushalt, Haushalt über alles. Leute, das ist nicht Alsfeld! Ist ja doch auf allen Ebenen der Stadt das gleiche. Das kommende Stadtjubiläum soll dann möglichst auch von den Bürgern und den Vereinen selbst finanziert werden? Pfingstmarktbeschicker, Eisbahnbetreiber – alle haben das satt und ziehen ab. Warum nur? Warum? Leute, werd endlich wach.

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