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KOMMENTAR zur Wahl-Entscheidung der Alsfelder SozialdemokratenEin Kandidat der SPD hätte der ganzen Wahl gutgetan

MeinungMEINUNG| ALSFELD. Die SPD wird in Alsfeld keinen Bürgermeisterkandidaten stellen. Das ist auf der einen Seite aus Sicht der Partei verständlich, auf der anderen Seite ist es bedauerlich. Für die Demokratie, für Alsfeld – und für Bürgermeister Paule. Ein Kommentar von OL-Chef Juri Auel. 

Das Ringen um den Chefsessel im Alsfelder Rathaus, es wird ein wohl eher unspektakulärer Kampf werden. Denn Titelverteidiger Stephan Paule wird so wie es aussieht lediglich auf einen einzigen Gegner treffen – und zwar sich selbst. Vorausgesetzt natürlich, bis zur Meldefrist am 18. März kommen nicht noch ein unabhängiger Kandidat oder ein Bewerber einer kleineren Partei daher, um dem Bürgermeister sein Amt streitig zu machen. Doch danach sieht es nach der Ankündigung der SPD, keinen Herausforderer zu stellen, gerade nicht aus.

Die Begründung der Sozialdemokraten, niemand passenden gefunden zu haben und sich auf örtlicher Ebene nun neu sortieren zu wollen, klingt auf der einen Seite nachvollziehbar und macht neugierig. Auf der anderen Seite drängt sich schon ein wenig die Frage auf, warum dieser Umbauprozess ausgerechnet so kurz vor einer Wahl stattfinden und die Teilnahme an selbiger damit verhindern muss.

So oder so ist eines Fakt: Eine Teilnahme der SPD an der Bürgermeisterwahl hätte der ganzen Veranstaltung gutgetan. Und zwar nicht, weil es schlicht mehr Spannung verspricht, wenn mehrere Gegner aufeinandertreffen. Kommunalwahlkämpfe stehen in diesem Land eher selten im Ruf, Unterhaltungscharakter zu haben. Der Grund ist vielmehr ein ziemlich naheliegender: Mit der SPD dabei hätte es für den Wähler am Ende eine tatsächliche Wahlmöglichkeit gegeben. Konkurrenz belebt nunmal das Geschäft – diese Binsenweisheit gilt für die Wirtschaft, genauso wie für die Politik.

Blick in das Alsfelder Stadtparlament. Foto: akr

Das Ganze hätte somit nicht nur der Wahl als demokratischem Prozess gutgetan, sondern mit Sicherheit auch Bürgermeister Paule selbst. Er hätte sich im Wahlkampf stärker erklären, seine eigenen Positionen hinterfragen, Selbstreflexion und Kritik von außen in Einklang bringen müssen. Ohne Herausforderer besteht die Gefahr, dass Paule vor allem gut über Paule reden wird – bei Wahlkampfveranstaltungen, die sich mangels Gegenkandidat eh ziemlich surreal anfühlen dürften.

Dabei gibt es durchaus Entscheidungen des Bürgermeisters, die kritikwürdig sind. Die vergeigte Marktplatzumfrage zum Beispiel, die Posse um die Ludwigsplatz-Linden, die nun doch nicht gefällt werden müssen, der Frust vieler Eltern bei der Entscheidung um den Kita-Neubau – um nur einige prominente Fälle zu nennen.

Mit dem Nichtvorhandensein eines politischen Kontrahenten liegt somit bei dieser Wahl mehr als sowieso schon die Aufgabe bei der lokalen Presse, den Bürgermeister an seinen Versprechen zu messen und seine Erfolge und Misserfolge genau unter die Lupe zu nehmen.

Eine bessere Zusammenarbeit im Stadtparlament?

Es ist zudem irgendwie wohltuend zu hören, wenn Nils Bernhardt von der Alsfelder SPD sagt, er stimme mit Paule zwar nicht immer politisch überein, halte ihn jedoch für willens, die Stadt nach vorne zu bringen. Das lässt darauf hoffen, dass nach einer Erneuerung der Alsfelder SPD vielleicht auch die Zusammenarbeit über Fraktionsgrenzen hinweg im Alsfelder Stadtparlament besser funktioniert und alle Fraktionen das Parteidenken mehr als bislang vergessen und gemeinsam etwas für die Stadt bewegen.

Hinzu kommt, dass selbst in den Reihen der Vogelsberger CDU der ein oder andere hinter vorgehaltener Hand murmelt, man habe kein Interesse daran, dass eine so altgediente Partei wie die SPD lokal wie im Bund in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Verständlich, lässt es sich mit den Genossen in der Sache doch angenehmer streiten als mit einer AfD, die bei den Landtagswahlen in der Region zwar gut abgeschnitten hat, in der hiesigen Lokalpolitik jedoch so gut wie keine Rolle spielt und damit einiges an Potential liegen lässt. Noch zumindest.

Auf Bundesebene gibt es erste, zarte Anzeichen, dass die SPD mit ihrer Abkehr von Hartz IV es schafft, aus der Versenkung wieder empor zu kriechen. Bleibt abzuwarten, ob die Energie dieser Transformation vielleicht sogar bis ins beschauliche Alsfeld wirkt.

4 Gedanken zu “Ein Kandidat der SPD hätte der ganzen Wahl gutgetan

  1. Als Juri Auel neulich so in den Hinterlassenschaften seines Studiums der Staats- und Geschichtswissenschaften in Erfurt bälättärtä (https://www.youtube.com/watch?v=_AXHzqGWPH4), da muss ihm nicht nur der Rasierpinsel, der treue Weggefährte aus den unbeschwerten Tagen des Studium fundamentale, ins Klo gefallen sein, sondern auch seine mehrmals lustlos begonnene und nie stringent beendete staats- und verwaltungsrechtliche Hausarbeit „Direktwahlen der Bürgermeister und Landräte in Hessen“. Hierbei hätte er – gestützt auf nur eine einzige zufällig unter älteren Lesezirkel-Heften gefundene Quelle (http://landbote.info/direktwahl/) in Erfahrung bringen können, dass Bürgermeister und Landräte durch die Direktwahl keineswegs an Macht und Profil gewonnen haben. Die wichtigen Entscheidungen fallen nach wie vor in den Parlamenten, und die Bürgermeister sind in das Kollegialorgan Gemeindevorstand/Magistrat so stark eingebunden und vom Wohlwollen der Gemeindevertreter/Stadtverordneten im übrigen so abhängig, dass sie gut daran tun, sich nach allen Seiten um Unterstützung zu bemühen. Gelingt dies nicht, kann man sich das Leben zwar gegenseitig schwer machen, muss sich aber letztlich immer wieder einigen. Notfalls wird das Gemeindeparlament versuchen, den Bürgermeister über ein Abwahlverfahren los zu werden, was aber die Stimmen einer interfraktionellen Mehrheit von zwei Dritteln des Gemeinde-/Stadtparlaments erfordert.
    Was die Qualität der demokratischen Wahlauseinandersetzung oder Debattenkultur in den Gemeinderäten und Rathäusern angeht, war die Einführung der Direktwahl von Bürgermeistern und Landräten durch die Volksabstimmung vom 20. Januar 1991 (75,16 Prozent der Wahlberechtigten in Hessen votierten dafür) ein Rohrkrepierer. Wie viele Bürgermeister-Kandidaten da zur Wahl antreten, ist Jacke wie Hose. Wenn man nicht einen Verwaltungschef brauchte, könnte man auf den Bürgermeister ganz verzichten oder einfach einen ehrenamtlichen Grüßaugust einsetzen. Die wichtigen Leute in den Städten und Gemeinden sind die Köpfe der Partei- oder sonstigen Gruppierungen.
    Vergessen wir also alles, was uns hier über das „Ringen um den Chefsessel im Alsfelder Rathaus“, „mehr Spannung“ durch das Aufeinandertreffen mehrerer Gegner usw. erzählt wird. Ja, es ist leider eine Binse: Mehr Kandidaten zur Auswahl bedeuten nicht mehr Demokratie. Und mit 35 statt 3 Marmeladensorten im Regal schmeckt das Frühstück auch nicht notwendigerweise besser.
    Es geht nicht darum, aus Gründen der Unterhaltung „das politische Geschäft“ zu beleben, sondern die jeweils für die Gemeinde besten Lösungen in Sachfragen zu finden. Und der Vergleich mit der Wirtschaft hinkt: Da geht’s auch nicht um die Konkurrenz an sich, sondern um das beste und preiswerteste Angebot im Wettbewerb.
    Von Fall zu Fall kann man die Debatte darüber, wer die beste Idee hat, die sich obendrein für die Gemeinde am besten rechnet, dann in die ganze Bürgerschaft tragen. Und die im Rathaus vertretenen politischen Gruppierunge können ihre Positionen beziehen und ihre Anhängerschaft mobilisieren. Und dann schaut man mal, wie die Mehrheit der Bürger so darüber denkt und wie man dann über die Alternativen abstimmt. Die Zahl der Kandidaten bei der letzten Bürgermeisterwahl? In dem Zusammenhang völlig irrelevant.

    1. Ich finde Ihre Zustimmung voreilig. Wenn statt nur eines „Lokalmatadors“ mehrere Kandidaten ins Rennen um ein Amt gehen, sieht das zwar „demokratischer“ aus und vermittelt den Wählern das Gefühl, eine Entscheidung treffen zu können. Ich würde natürlich auch immer dem Idealfall den Vorzug geben, dass sich zwei oder sogar mehr wirklich profilierte und attraktive Kandidaten bei einer Direktwahl miteinander messen, deren Vorstellungen unterscheidbar sind und eine echte Alternative darstellen.
      Aber wie ist denn in aller Regel die Situation? Oft kann keiner der Kandidat*innen überzeugen. Oft kennt man die Bewerber*innen nicht einmal bzw. kann sie nur schwer einschätzen. Oder der Gegenkandidat (Zählkandidat) ist so schwach, dass er nur Mitleid erregt. Häufig fehlt es an polarisierenden Themen, etwa neue Windkraftanlagen auf Gemeindegrund, Abschaffung der Straßenbeiträge o.ä.. Wie soll man sich aber entscheiden, wenn da ein Herr X für Fortschritt und Wachstum und ein Herr Y für Wachstum und Fortschritt eintreten?
      Für viele mag eine Rolle spielen, wie gut ein(e) Bürgermeister- oder Landratskandidat*in die Verwaltung/Kommune/Region „repräsentieren“ kann. Doch sind das dann oft sehr äußerliche Kriterien. Klein und dick, aber dafür ehrlich, intelligent, erfahren und sachkompetent wären gegenüber groß und stattlich dann immer noch die besseren Argumente.
      Mein Plädoyer: Überschätzen wir die Amts- und Würdenträger, die Aushängeschilder, nicht zu sehr! Vertrauen wir auf die Kompetenz der Gemeindevertreter und die Transparenz der Sachdiskussion, die aus den Rathäusern in die Kommunen getragen werden. Und wer sich ein wenig Mühe macht und nicht nur eine Liste abnickt, kann bei der Kommunalwahl durch „Panaschieren“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Panaschieren) dafür sorgen, dass in der Gemeindevertreter- oder Stadtverordetenversammlung nicht die größten Lautsprecher nach vorn rücken, sondern quer durch alle Parteien die solidesten und echtesten „Volksvertreter“. Und aktive Teilnahme an der Kommunalpolitik und den Diskussionen über die öffentlichen Belange wäre auch keine sooo schlechte Idee!

      1. Ich kann mich an die Kommunalwahl 2016 in Ulrichstein erinnern, da waren CDU und FDP mangels Personal gar nicht erst mit eigenen Listen angetreten. Bei der Kommunalwahl am 27. März 2011 hatte die CDU noch einen Stimmenanteil von 33,6 Prozent und 8 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung (= zweitstärkste politische Kraft) errungen.

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