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KOMMENTAR zur Diskussion um Abgaswerte in AlsfeldAlle Seiten sollten mal schön tief durchatmen

ALSFELD (jal). Mit einiger Verzögerung nimmt die Lokalpolitik die Diskussion um die Abgaswerte in Alsfeld auf. Das ist gut so. Dennoch sollten alle Seiten mal tief durchatmen – denn jede hat ein kleines bisschen Recht. Ein Kommentar von Juri Auel.

Es war schon ein klein wenig skurril. Da tauchte vor zwei Wochen plötzlich das Alsfelder Rathaus auf den großen Nachrichtenseiten der Republik auf. Doch es ging nicht um Tourismus, hübsche Fachwerkhäuser oder einen Hessentag, den man wieder einmal abgeben musste, weil man pleite war. Nein, es ging um schlechte Luft. Stickoxide, um genau zu sein. Alsfeld, so die Nachricht, hat die schlechtesten Werte in ganz Hessen. Vor Wiesbaden. Vor Kassel. Und sogar vor Frankfurt.

Zwar sprach man kurz darüber in der Stadt, vielleicht schaute man am Abend auch die Hessenschau, in der Alsfeld zu sehen war – doch der ganz, ganz große Aufschrei, die Empörung in der Bevölkerung, blieb aus. Vielleicht erklärt das, warum sich die Lokalpolitik erst mit einiger Verzögerung des Themas angenommen hat und die verschiedenen Parteien nun Presseerklärungen versenden, in denen sie ihren Standpunkt zu der Materie deutlich machen.

Und vielleicht war die Reaktion der Bürger diesmal ein gar nicht so schlechter Gradmesser dafür, wie man mit dem Problem umgehen sollte. Denn das Thema saubere Luft ist wichtig – das steht außer Frage. Nur ist die Situation in Alsfeld nicht mit der in Peking oder Delhi zu vergleichen. Hier lässt es sich durch die Gassen schlendern, ohne dass einem sofort die Augen brennen. Die Abgaswerte sind ein Problem, dem man nicht gleichgültig begegnen und um das man sich kümmern – aber dessentwegen man nicht in Panik verfallen sollte.

Michael Riese von der ALA hat Recht, wenn er den Umweltaktivisten dankt, die auf Initiative der Deutschen Umwelthilfe die Luft in Alsfeld untersucht und so die Diskussion erst angestoßen haben. Das ist ihre gesellschaftliche Aufgabe als Umweltschützer – da kann man von manchen Praktiken des Geldverdienens der Deutschen Umwelthilfe halten, was man will.

Sollten sich die schlechten Werte bestätigen, besteht Handlungsbedarf

Es stimmt aber auch, dass Alsfeld jetzt vor allem erst einmal eines braucht: verlässliche Daten. Die Messungen der Aktivisten waren dafür zu kurz. Es ist gut, dass das Hessische Umweltamt angekündigt hat, sich selbst ein Bild der Lage machen zu wollen. OL wird bei Zeiten nachfragen, was bei der Untersuchung herausgekommen ist.

Sollten sich die schlechten Werte bestätigen, besteht Handlungsbedarf. Doch dabei darf es nicht zu übereiligen Kurzschlusshandlungen kommen. Parkplätze am Stadtrand und Fahrverbote für große Geländewagen, wie von der ALA gefordert und von der CDU und UWA abgelehnt – oder gar Fahrverbote für Diesel-Autos generell – sind in einer Kleinstadt wie Alsfeld definitiv der falsche Weg. Das würde die Stadt aktuell deutlich unattraktiver machen – für Arbeitnehmer von außerhalb, für Touristen und für ihre eigenen Bürger. Denn aktuell hängen die Menschen auf dem Land noch an ihren Autos, obwohl es ja schon Sammeltaxis und dergleichen gibt.

Und ob wie von der ALA gefordert im Schneckentempo 30 durch die Stadt zu tuckern die Situation spürbar verbessert, darf auch zumindest bezweifelt werden. Zumal böse Zungen ja behaupten, bei der Alsfelder Ampelführung bräuchte es kein solches Limit, damit man nicht vom Fleck komme.

Die Alsfelder Alicestrasse. Foto: ol

Dennoch ist es nicht verkehrt, Mobilität in der Stadt neu zu denken. Mehr Fahrradwege und Elektro-Busse sind eine gute Idee – doch die Bürger müssen das Angebot auch wollen und annehmen. Sie müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln und selbst den Wandel ihrer Stadt vorantreiben. Weg vom Auto, hin zum Fahrrad. Das ist ein längerer Prozess. Ob eine Umgehungsstraße der richtige Weg ist, lässt sich schwer sagen. Zwar würden die LKW verschwinden, doch sind schon genug Städte förmlich ausgestorben, nachdem eine Umgehung um sie herum führte.

Zu guter Letzt ist da natürlich noch die Autoindustrie. Auch sie muss dazu beitragen, das Problem auf lange Sicht zu lösen. Die EU und Deutschland müssen den Autobauern mit dermaßen harten Strafen drohen, wenn sie bei Abgastests schummeln oder die Grenzwerte nicht einhalten, dass die gar nicht anders können, als sich an die Regeln zu halten. Denn die Technik für zumindest einigermaßen saubere Diesel und Benziner gibt es durchaus. Man muss sie nur konsequent einsetzen.

OL-Umfragen sind nicht repräsentativ. Sie können nur ein Mal abstimmen. Ihre IP-Adresse wird bei der Teilnahme gespeichert. 

6 Gedanken zu “Alle Seiten sollten mal schön tief durchatmen

  1. @Beobachter (1) Ja natürlich, aber glauben sie das man irgendwelche Menschen bei solchen Projekten mitarbeiten lässt? :-) Der normale Bürger kann halt nur seine Meinung äußern.

  2. Das Problem ist die Ampelschaltung! Es gibt eine Studentenstadt, wo an den Ampeln Geschwindigkeitsanzeigen angebracht sind. Wenn man sich an die angezeigte Geschwindigkeit hält, steht man maximal nur an einer roten Ampel.
    Der Spritverbrauch und Abgaswert steigen immer bis ins Maximum, wenn an einer grünwerdenden Ampel Gas gegeben wird. Gerade in Alsfeld versucht manch einer noch schnell über die Kreutzung zu kommen … schnell noch mal Gas geben, damit man nicht stehen bleibt …
    Auch mehr Fahrradwege können eine Stadt sicherer machen. Aber dazu braucht es sehr gutes Fachwissen und Beobachtungsgabe, wie der Verkehr abläuft.

  3. @T
    Könnten Sie sich vorstellen, bei der Optimierung der Ampelschaltungen mitzuwirken?

  4. Mit der Ampelschaltung könnte man einiges machen vermute ich mal! Die ist nämlich in Alsfeld eine Katastrophe! Es gibt definitiv zu viele Ampeln auf engen Raum. Dazu die absolut irrsinnige Schaltung. Wie kann es sein das ich grün bekomme und nach 100 Meter die nächste Ampel wieder auf rot umspringt?! Das hat nichts mit Verkehr am laufen lassen zu tun. Es müssten sich nur mal die richtigen Personen darum kümmern, und nicht nur die, die hinter ihrem Schreibtisch sitzen und kaum selbst durch Alsfeld fahren! Und so geht es auch weiter mit mehreren Verkehrsplanungen. Siehe Grünpfeil, zwar schön aber rechtlich nicht korrekt das er an diesen Ampeln hängt! Abgesehen davon verhält sich da jeder falsch!

  5. Bei den Stickstoffwerten tief durchatmen!?
    Sorry, den konnte ich mich einfach nicht verkneifen.
    Ein sehr guter Kommentar!
    Oder wie ein Alsfelder Lehrer mal zu uns sagte, traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast ;)
    Vielleicht sollten oppositionelle Parteien mal über sinntragende und für Wirtschaft UND Umwelt geeignete Vorschläge erarbeiten, anstatt immer nur zu schimpfen und mit absurd-radikalen Lösungsansätzen zu winken.
    Fakt ist dass Tempo 30 wie in vielen Beispielen bewiesen keine Lösung darstellt, (außer vielleicht der Option zu Blitzen was der Gemeinde Geld einbringt) da oft geschaltet werden muss und durch hohe Drehzahlen eben auch hohe Verbrauchswerte bzw. Abgaswerte erreicht werden… Die Optimierung der Ampelschaltung wäre hier doch ne super Idee!

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