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Kein Luftreinhalteplan "nach derzeitigen Stand der Luftschadstoffbelastung" nötigLuft in Alsfeld hat sich deutlich verbessert

ALSFELD (ls). Der Lockdown ist längst vorbei, die Schellengassen-Baustelle offen, der Verkehr fließt wieder und jetzt zeigt sich: Alsfelds Luft ist eigentlich gar nicht so schlecht, wie gedacht – und ein angeordneter Luftreinhalteplan ist nach derzeitigen Stand der Luftschadstoffbelastung wohl auch nicht nötig.

Seit mittlerweile vier Jahren hält sich nun schon die Meldung über Alsfelds schlechte Luft. Damals hatten Naturschutzverbände Alarm geschlagen, nachdem eigene inoffizielle Messungen hohe Stickoxidwerte zeigten. Nur zwei Monate später starteten offizielle Messungen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG).

Nach kurzer Zeit zeigte sich: Die Einzelwerte der Monate sind zu hoch, doch für endgültige Maßnahmen sei die Überschreitung eines Jahresmittelwertes von 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft (µg/m³). Den hatte Alsfeld dann in 2019 erreicht – zumindest an der Messstelle am Ludwigsplatz: Jeden Monat des Jahres – mit Ausnahme von Oktober, November und Dezember – wurde der Grenzwert von 40 µg/m³ überschritten. Dass Alsfeld also geradewegs auf einen angeordneten Luftreinhalteplan zusteuerte, zeichnete sich schon im November 2019 ab, als diese Maßnahme vorgestellt wurde.

Alsfeld bekommt einen Luftreinhalteplan

Ende 2020 sollte der Plan dann eigentlich fertig sein, doch dann trafen drei Dinge aufeinander: Auf der Schellengasse, also die Straße wo die beiden Stickoxid-Messstellen platziert wurden, wurde im Zuge der Sanierungsarbeiten voll gesperrt. Genaue Messungen waren damit hinfällig und zusätzlich dazu wurde in den neuen Asphalt ein „Airclean Granulat“ eingearbeitet. Dabei handelt es sich um ein Betongranulat aus Titandioxid, einer Verbindung aus Titan und Sauerstoff, durch das einfach ausgedrückt die Stickoxide in der Luft gemindert werden sollen.

Fast zeitgleich begann außerdem die Corona-Pandemie samt Lockdown, durch den ohnehin weniger Verkehr auf den Straßen floss. Das bewog den Alsfelder Bürgermeister Stephan Paule dazu, eine weitere Grenzwert-Überschreitung anzuzweifeln, wodurch möglicherweise wohl kein Luftreinhalteplan für die Stadt nötig sei.

Stickoxidbelastung ging 2020 deutlich zurück

Damit sollte Paule recht behalten, denn Alsfelds Luft ist scheinbar doch nicht so schlecht wie gedacht, was einen Luftreinhalteplan unwahrscheinlicher macht. Wie Diplom-Meteorologin Dr. Diana Rose vom HLNUG auf Anfrage mitteilt, lagen die Jahresmittelwerte beider Messstellen der vergangenen zwei Jahre deutlich unter dem Jahresmittelwert von 2019. Zum Vergleich: 2020 lag Alsfeld I bei 23 µg/m³ und Alsfeld III bei 20 µg/m³; 2021 lag Alsfeld I bei 25 µg/m³ und Alsfeld III bei 23 µg/m³. Und auch die aktuellen Mittelwerte der letzten zwölf Monate liegen bei 30 bzw. 26 µg/m³ und damit deutlich unter dem Grenzwert.

Die Werte beider Alsfelder Messstellen in 2019. Quelle: HLNUG

„Während der Baumaßnahmen beziehungsweise der ersten Corona-Lockdowns 2020 gingen die Konzentrationen gegenüber 2019 zurück. Nach Abschluss der Baumaßnahmen stiegen sie wieder an, deshalb lag der Jahresmittelwert 2021 auch höher als 2020“, erklärte Rose. Zur Erinnerung: Der erste Bauabschnitt der Schellengassen-Sanierung, der direkt an den der Messstelle Alsfeld I entlang führte, endete im August 2020, nachdem die Bauarbeiten im April starteten. Die Gesamtmaßnahme wurde erst im Oktober 2021 beendet.

Mit Blick auf die Werte des aktuellen Jahres zeige sich, dass die Stickoxid-Belastung deutlich geringer sei als noch vor der Pandemie in 2019. „Das heißt, in den letzten zwei Jahren hat sich die NO2-Belastung in Alsfeld offensichtlich deutlich reduziert“, sagt die Diplom-Meteorologin. Das beobachte man allerdings auch an allen anderen hessischen Messstellen. Was in Alsfeld ursächlich für die sinkenden Werte sei, lasse sich nicht allgemein festmachen, denn „verschiedene Emissionsminderungen liefen parallel ab“, wodurch sich die einzelnen Effekte nicht voneinander trennen lassen.

Die Werte beider Alsfelder Messstellen in 2020. Quelle: HLNUG

Aus Sicht des HLNUG seien grundsätzlich reduzierter Verkehr, durch Homeoffice-Möglichkeiten beispielsweise, oder neue, bessere Fahrzeuge als Erklärung denkbar. „Inwiefern der besondere Asphalt einen messbaren Beitrag hat, lässt sich nicht beurteilen“, sagt Rose und betont nochmals, dass hier mehrere Effekte überlagert seien.

Die sinkenden Werte bringen aber einen positiven Effekt mit sich: die Luft wird besser, ein Luftreinhalteplan ist aus Sicht des Hessischen Umweltministeriums nach „derzeitigen Stand der Luftschadstoffbelastung“ nicht nötig. „Bisher kam es nur einmalig zu einer Überschreitung des NO2-Immissionsgrenzwertes. Insofern war es ein glückliches Zusammentreffen, dass die Stadt Alsfeld die bereits geplante Sanierung der Schellengasse als Anlass für den Einbau von stickoxidminderndem Asphalt nutzen konnte“, erklärt Amrei Pfeiffer vom Umweltministerium.

Messungen werden fortgeführt

In der Regel sei der Verkehr der Hauptverursacher der Belastung. „Seitdem ab September 2017 alle Neuwagen auch im Realbetrieb die Einhaltung des Stickoxid-Abgasgrenzwertes nachweisen müssen, sinken die Stickstoffdioxidbelastungen an den Straßen deutlich“, erklärt Pfeiffer. Daher dürfte, so erklärt es Pfeiffer, auch ein „vergleichbares Verkehrsaufkommen wie vor der Pandemie in Alsfeld nicht zu neuen Grenzwertüberschreitungen führen“, denn die Anzahl der Neuwagen erhöhe sich ständig.

Die Werte beider Alsfelder Messstellen in 2021. Quelle: HLNUG

Zwar seien die Werte in Alsfeld wieder gestiegen, würden aber deutlich unter dem Grenzwert liegen, was einen Luftreinhalteplan zunächst erst einmal nicht nötig macht. Die Messungen gehen an den Stellen aber erst einmal weiter. Dadurch kann eine Grenzüberschreitung – auch eine drohende Grenzüberschreitung – des Wertes sofort erkannt werden. „Dann würden die Planungen auch wieder aufgenommen“, heißt es aus dem Umweltministerium.

Bei der Stadt selbst scheint man sich übrigens über die bessere Luft zu freuen. „Aus städtischer Sicht wird die Verringerung der Stickoxidbelastung begrüßt. Gleichzeitig gilt es die Entwicklung auch weiterhin im Auge zu behalten und nach Möglichkeit positiv zu beeinflussen. Wir brauchen nicht nur eine Unterschreitung von Grenzwerten sondern ein langfristiges und positives Zusammenspiel zwischen Verkehr, Mensch und Umwelt“, erklärt Erster Stadtrat Berthold Rinner.

Lesen Sie hier auf der Sonderseite alle Artikel zu Alsfelds Luft, der Stickoxidbelastung und dem Luftreinhalteplan.

Ein Gedanke zu “Luft in Alsfeld hat sich deutlich verbessert

  1. Wenn man jetzt noch hinbekäme, dass der Verkehr ordentlich fließt, also sprich eine ordentliche Ampelschaltung, dann wäre die Luftqualität sicherlich noch zu verbessern. Aber das scheint seit Jahren ein unlösbares Problem zu sein.

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