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CDU-Stadträtin Anita Schlorke ernannt - Kritik und leichte Skepsis von der OppositionInklusionsbeauftragte statt Behindertenbeirat in Alsfeld

ALSFELD (ls). Ein Behindertenbeirat soll es nicht werden, aber so ganz ohne Ansprechpartner sollen Sozialverbände, Vereine und ganz allgemein Menschen mit Behinderung in Alsfeld nun doch nicht bleiben: Es soll eine Inklusionsbeauftragte geben. Dem bereits angekündigten Antrag der SPD kam Bürgermeister Stephan Paule zuvor und ließ per Magistratsbeschluss die CDU-Stadträtin Anita Schlorke dazu ernennen. Die Opposition ist verwundert, zeigt leichte Skepsis und Kritik.

Mit der Forderung nach einem Behindertenbeirat hat es begonnen, doch nicht nur einmal wurde ein solcher Beirat von der CDU/UWA-Koalition in Alsfeld abgelehnt, zuletzt erst Anfang September. Anfang des Monats hatten sowohl die SPD-Fraktion als auch die ALA-Fraktion im Stadtparlament einen Beirat für Menschen mit Behinderung gefordert, nachdem zuletzt die Diskussionen über die Barrierefreiheit des Alsfelder Marktplatzes für Diskussionen zwischen den Sozialverbänden und der Stadt geführt hatten.

„Die jüngsten Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Verein ‚Barrierefreie Stadt Alsfeld‘ haben die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit nochmal deutlich gemacht“, sagte Walter Windisch-Laube von der ALA Anfang des Monats dazu. Nach regen Diskussionen im Parlament scheiterte der Antrag allerdings erneut.

Warum es auch weiterhin keinen Behindertenbeirat geben wird

Ein städtischer Beirat sei zusätzliche Bürokratie, außerdem seien Menschen mit Behinderung wahlberechtigt und ein Beirat sei, so argumentierte Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule, für Menschen ohne Wahlberechtigung gedacht, um ihnen eine Stimme zu verleihen – mit den Sozialverbänden der Stadt stehe man allerdings immer in Kontakt. Bereits im September sollte es ein Treffen zwischen verschiedenen Vereinen und Organisationen gemeinsam mit der Stadt geben, erklärte Paule zu diesem Zeitpunkt.

Genau dieses Treffen gab es nun am vergangenen Montag, wie die Stadt in einer Pressemitteilung mitteilte. Neben Paule hatten die Vertreter der Stadtverwaltung und Mitglieder vom Verein „Barrierefreies Alsfeld“, der Lebenshilfe und der Multiple-Sklerose-Gruppe „Albatros“ teilgenommen. Dabei sei der Wunsch gewesen einen festen Ansprechpartner für die Belange von Menschen mit Behinderung und für Barrierefreiheit zu haben – kein Beirat also, sondern eher ein Inklusionsbeauftragter, der als Mittler zwischen den einzelnen Verbänden und Vereinen dient, gleichzeitig die Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Stadtpolitik aufrecht erhält.

Anita Schlorke wird zur Inklusionsbeauftragten ernannt

In der Sitzung habe es bereits einen Kompromissvorschlag gegeben: Ein Magistratsmitglied könnte Inklusionsbeauftragter werden – und die Umsetzung ging denkbar schnell: Bereits an diesem Mittwoch teilte die Stadt mit, dass CDU-Stadträtin Anita Schlorke „nach einem Beschluss des Magistrates durch Bürgermeister Stephan Paule zur Inklusionsbeauftragten der Stadt Alsfeld ernannt“ wurde. Schlorke sei damit nun die Hauptansprechpartnerin in allen Fragen rund um Inklusion und Barrierefreiheit.

Anita Schlorke: „Ich bin gern bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, weil ich mich schon privat und im Ehrenamt mit entsprechenden Fragestellungen befasse. Ich will jederzeit mit Stadtpolitik und Verbänden, aber auch mit anderen Institutionen, wie dem Inklusionsbeauftragten des Vogelsbergkreises, die Themen voranbringen, die Menschen mit Behinderungen umtreiben.“ Foto: Stadt Alsfeld/Paule

„Wir sind schon einmal einen Schritt weiter in die richtige Richtung“, erklärte Eckhard Hermann vom Verein „Barrierefreies Alsfeld“ auf Rückfrage von OL. Zwar habe man sich eine neutrale Person als Ansprechpartner gewünscht, doch alles in allem habe man einen gemeinsamen Weg gefunden.

SPD überrascht, aber positiv gestimmt

Damit kam die Stadt der Ankündigung der SPD zuvor, die bereits im letzten Parlament ankündigte, dass sich die Stadtverordnetenversammlung im Oktober mit einem Inklusionsbeauftragten beschäftigen werde. Einen entsprechenden Antrag hatten die Sozialdemokraten auch bereits formuliert, der wird jetzt allerdings zurückgezogen. Dabei wollte die SPD-Fraktion eine „Person wählen lassen, die aus der Mitte der Menschen kommt, für deren Belange Er oder Sie sich einsetzen und stark machen soll“.

Wichtig sei der Fraktion gewesen, dass die Position nicht von jemanden aus den politischen Reihen besetzt werde, da dem Bürgermeister im Bedarfsfall auch widersprochen werden müsse. Mit der nun ernannten CDU-Stadträtin ist die politische Unabhängigkeit nicht geglückt, dennoch freut sich auch SPD-Fraktionsvorsitzender Achim Quehl, dass etwas in diese Richtung passiere. Trotz allem sind die Sozialdemokraten verwundert über die schnelle Entscheidung. „Ganz schnell ging das und ohne das Parlament, also ohne politische, demokratische Diskussion. Daher stellen sich die Mitglieder der SPD-Fraktion auch die Fragen: Warum jetzt so überhastet? Wir sind noch im selben Monat, in dem man der Meinung war, man hat in der Vergangenheit genug für Menschen mit Handikap getan“, heißt es in der Stellungnahme.

Der SPD-Antrag habe bei der Position auch auf einen unabhängigen Inklusionsbeauftragten abgezielt. Im sei allerdings bewusst, sagte Quehl, dass ein Magistratsmitglied auch die Vorteile habe, dass es direkt an vielen Entscheidungen beteiligt sei und somit die Belange von Menschen mit Behinderung direkt miteinbeziehen könne.

„Aufgrund der öffentlichen Diskussion um unseren Antrag für den Inklusionsbeirat (der abgelehnt wurde) haben wir natürlich viel Unterstützung gespürt. Ob diese Unterstützung dem Bürgermeister jetzt ins Gewissen geweht hat und er sich mit seiner Koalition nun doch für mehr Unterstützung und Gehör der Alsfelder Bürger mit Beeinträchtigungen stark macht oder was es auch immer war, ich weiß es nicht“, erklärte Quehl. Dennoch sei es positiv, dass endlich Bewegung in die Diskussion komme.

„Ich glaube aber, dass die Position sehr gut zu Anita Schlorke passt und dass sie sich gut für die Belange der Menschen einsetzen wird. Was das Parlament und die Verwaltung dann daraus machen, das wird man sehen“, erklärte Quehl und blieb zugleich skeptisch: Man dürfe mit Blick auf die CDU-Zugehörigkeit nicht zu viel erwarten. Die SPD habe sich eine parteiunabhängige Person von Außen gewünscht, die dem Bürgermeister auch mal widersprechen kann und Vorschläge mache, die dem Verwaltungschef nicht gefallen, wenn nicht ausreichend getan werde. Das allerdings dürfte als Magistratsmitglied der Koalition schwierig werden.

Einen ersten Arbeitsvorschlag hat die SPD auch schon: Ähnlich wie zuvor schon die ALA schlägt die Fraktion vor, die Homepage der Stadt endlich mit leichter Sprache zu versehen – so wie es gesetzlich vorgesehen ist.

ALA kritisiert den Kompromiss

ALA-Chef Michael Riese kritisiert den Kompromiss. Es sei das gute Recht der Alsfelder mit Handikap, einen Behindertenbeirat mit demokratischem Mandat zu haben, „etwas ganz anderes ist das Angebot eines städtischen Behindertenbeauftragten, den Bürgermeister Paule jetzt als vermeintlichen Kompromiss anbietet“. Eine solche Behindertenbeauftragte habe kein Mandat der behinderten Menschen, sondern sei ein Mitarbeiter der städtischen Verwaltung unter der Regie des Bürgermeisters oder ein Vertreter des Magistrats – also der Verwaltungsspitze.

„Entsprechend möchte Paule einer solchen Beauftragten auch kein Rede- und Antragsrecht in den städtischen Gremien zubilligen. Man sieht schon, woher der Wind weht“, erklärte Riese weiter. Der Bürgermeister verwahre sich gegen den Vorwurf, die Stadtverwaltung und er hätten kein Ohr für die Belange der behinderten Menschen. „Da mag er hier und da Recht haben. Aber es ist viel schlimmer: CDU-Bürgermeister Paule und seine Fraktion haben kein Gespür für Demokratie.“

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