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Besinnliche Gedanken aus der OL-RedaktionZeitenwende unterm Weihnachtsbaum

REGION (jal). Weihnachten. Da nimmt man sich eigentlich schon immer vor, innezuhalten, auf das vergangene Jahr zu blicken und dankbar für das zu sein, was man hat. Doch bis vor ein paar Jahren fiel das unserem Autor gar nicht so leicht. Das hat sich in diesen Zeiten geändert. Besinnliche Gedanken aus der OL-Redaktion zu Heiligabend.

Ich glaube, mein Rekord liegt bei Mai. Das war der frühste Zeitpunkt, an dem ich jemals ein Weihnachtsgeschenk gekauft habe. Es war ein Messerset aus Solingen. Aus irgendeinem Grund lieben meine Eltern diese altmodischen Brotzeitmesser, die früher die Scherenschleifer an der Haustür verkauft haben. Solche Messer sind heute gar nicht mehr leicht zu bekommen, sie sind aus der Mode. Also schlug ich zu, als ich eines Frühlingstages ein ganzes Set davon online fand – im unumstößlichen Wissen daran, dass sich meine Eltern sieben Monate später total darüber freuen würden.

Weihnachten ohne Geschenke, damit könnte ich nichts anfangen. Ich bin aber mittlerweile in einem Alter angekommen, in dem mir das Schenken mehr Spaß macht als das Beschenktzuwerden. Menschen, die ich wirklich mag, eine echte Freude zu machen, sie zu überraschen – darauf kommt es in diesen Tagen für mich an. Ich finde nichts trauriger als Leute, die Sätze sagen wie, „wir schenken uns nichts“, oder „was wir brauchen, kaufen wir uns selbst“. Beim Schenken geht es für mich nicht darum, etwas Brauchbares oder besonders Teures zu ergattern – sondern die eine Sache zu finden, über die sich der Beschenkte wirklich von ganzem Herzen freut. Das kann mal die hochwertige Kaffeemaschine sein, es kann aber genauso gut die etwas kitschige Holzspieluhr in Orgelform sein, die leise „Stille Nacht, heilige Nacht“ vor sich hin klimpert. Erlaubt, oder besser gesucht ist das, was dem Gegenüber gefällt.

Sie merken also schon, mir geht es nicht darum, den Konsum an Weihnachten zu verteufeln. Bräuche und Sitten haben sich immer schon geändert. In der Bibel ist nichts von einem Weihnachtsbaum zu lesen, von Adventskranz und dem 24. Dezember als Datum erst recht nicht. Das kam alles später.

Zwischen Krisenmodus und Konsum

Auch wenn ich an Weihnachten also keine tiefreligiösen Gefühle hege, so bedeutet mir das Fest dennoch viel. Nicht nur des Schenkens wegen, sondern auch wegen der guten Möglichkeit, auf das vergangene Jahr zurückzublicken. Das viel beschworene Innehalten, das Denken an all das Leid in der Welt, was es abseits der bunten Weihnachtsbäume und Lichterketten gibt, fand ich aber immer ziemlich abstrakt. Es fiel mir daher auch alles andere als leicht.

Das, so merke ich, hat sich geändert.

Krisenmodus ist das Wort des Jahres geworden. Auch wenn ich das Wort etwas schlicht und alles andere als außergewöhnlich finde, so passt es doch absolut auf dieses Jahr. Rekordinflation, der anhaltende Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Zeitenwende, Angst vor explodierenden Heizkosten – und dann auch noch Krieg in Nahost. Krisen und Kriege gab es auch in anderen Jahren viele auf der Welt. Aber sie sind für uns Menschen in Mitteleuropa massiv realer geworden, haben sich in unser Bewusstsein gedrängt.

Mit dieser Entwicklung ist auch die weihnachtliche Bitte um Frieden in Welt für mich von der frommen Gutmenschen-Floskel, die man halt so dahinsagt, zum realen Wunsch geworden, den ich nun viel besser verstehen kann.

Vielleicht liegt auch deshalb in diesem Jahr neben all den ausgefallenen und für mich dazugehörenden Konsum-Kleinigkeiten ein besonderes Kuvert unter unserem Weihnachtsbaum. Inhalt: Die Urkunde über eine im Namen des Beschenkten getätigte Spende an Ärzte ohne Grenzen. Ich bin mir sogar sicher, dass ich damit etwas Gutes tue und sich der Adressat des Geschenks mindestens darüber genauso freuen wird, wie ich.

Die gesamte OL-Redaktion wünscht Ihnen und Ihren Familien, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest.

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