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Norbert Hansen ist seit 16 Jahren ehrenamtlicher Stadtarchivar in AlsfeldDer Mann, der Alsfelds Vergangenheit bewahrt

ALSFELD (akr). Wer Fragen zur Vergangenheit in Alsfeld hat, der ist bei Dr. Norbert Hansen an der richtigen Adresse. Seit mittlerweile 16 Jahren ist der 83-Jährige als ehrenamtlicher Stadtarchivar im historischen Beinhaus tätig, auch wenn er sich selbst gar nicht als Archivar bezeichnet. Ein Gespräch mit einem Mann, der Alsfelds Vergangenheit bewahrt.

Historische Dokumente wie Bürgerlisten, Zeitungen, Sitzungsprotokolle, Auswandererkarteien aus dem 19. Jahrhundert, Amtsbücher, Urkunden, eine Archivbibliothek mit Büchern rund um Alsfeld: das ist nur ein kleiner Ausschnitt an alten Schätzen, die sich auf drei Etagen im kleinen Archiv im Beinhaus verbergen. Mittendrin: Dr. Norbert Hansen, der 83-Jährige ehrenamtliche Stadtarchivar, der zwischen den ganzen gestapelten Kartons, Akten und zahlreichen Büchern nicht den Überblick verliert.

Hansen ist seit mittlerweile 16 Jahren die Anlaufstelle für alle, die Fragen zur Vergangenheit in Alsfeld haben und seit zehn Jahren trägt er auch offiziell den Titel „ehrenamtlicher Stadtarchivar“ – auch, wenn sich der im Ruhrgebiet geborene Hansen selbst gar nicht als Archivar bezeichnet. „Ich bin ganz weit weg davon zu sagen, dass ich ein Archivar bin“, lächelt er. Hansen sieht sich ganz einfach als Ehrenamtlicher. Denn ein gelernter Archivar ist er nicht, sondern Diplom-Ingenieur für Maschinenbau. Fast 30 Jahre arbeitete er in einem Alsfelder Unternehmen, ehe er im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand ging.

Das Stadtarchiv im Beinhaus.

Mit dem Ende seiner Berufstätigkeit wuchs auch Hansen Interesse an Historischem. Ein kleines Faible von ihm ist die Archäologie. „Es ist faszinierend, was im Untergrund alles zu finden ist. Dinge, die man jetzt erst ausgräbt, obwohl sie sich gerade einmal vielleicht einen Meter tief unter dem Pflaster verbergen und die Stadtgeschichte bedeuten“, erzählt er in Anlehnung an die Marktplatzsanierung, bei der einige historische Funde zum Vorschein kamen.

Aus dem Ruhestand ins Stadtarchiv

Als er 2003 in den Ruhestand ging, wusste Hansen noch nicht, was sich in dem Stadtarchiv eigentlich so alles verbirgt. Er wusste nur, dass es eins gibt, da er schon öfters daran vorbei gelaufen war. Eines Tages ging er einfach mal hinein und fragte seinen Vor-Vorgänger, ob er vielleicht irgendwo Hilfe benötige. Das war aber nicht der Fall. „Das war meine erste Begegnung mit dem Stadtarchiv“, erzählt der 83-Jährige.

Zwei Jahre später, als auch Michael Rudolf zum ehrenamtlichen Stadtarchivar ernannt wurde, bot Hansen im Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister Herbert Diestelmann wieder seine Hilfe an – und dieses Mal wurde sie angenommen. So kam es dann im Jahr 2005 dazu, dass Hansen, der zu dem Zeitpunkt übrigens auch Vorsitzender der Kulturgemeinde Alsfeld war, als ehrenamtlicher Stadtarchivar anfing, auch wenn er offiziell erst seit 2011 den Titel trägt.

Wenn der 83-Jährige von seiner Arbeit im kleinen Stadtarchiv erzählt, merkt man ihm an, wie viel Freude ihm dieses Ehrenamt bereitet – besonders, wenn er Menschen bei der Beantwortung von Fragen rund um die Alsfelder Geschichte behilflich sein kann. Das ist nämlich seine Hauptaufgabe. „Diese kleine Einrichtung ist eine Institution für Bürger“, erklärt er. Viele Menschen kämen auch vorbei, um etwas über ihre Vorfahren zu erfahren oder wegen Bauunterlagen von ihren Häusern – um nur einige Beispiele zu nennen.

Norbert Hansen ist in Essen geboren und lebt mittlerweile seit 45 Jahren in Alsfeld.

„Man muss um die Ecke gucken“

Nicht selten handelt es sich dabei um ziemlich knifflige Anfragen, die sich nicht auf Anhieb beantworten lassen. „Oft ist es wie ein Puzzle“, lacht er. Verschieden Teile müssen zusammengefügt werden, um ein Ganzes zu ergeben. „Der direkte Weg ist oft nicht vorgezeichnet, man muss um die Ecke schauen. Ich versuche immer die früheste Quelle zu finden“, erklärt der Ehrenamtliche. So findet sich dann beispielsweise dort, wo man als erstes nachschaut, schon der nächste Hinweis. Selbstständiges und systematisches Arbeiten, logisches Denken – damit komme man schon weit. Erfahrung sei dabei natürlich auch hilfreich, und genau davon konnte er in all den Jahren schon viel sammeln.

Es sind aber nicht nur Menschen aus Alsfeld oder der Umgebung, die das Stadtarchiv aufsuchen und die Hilfe des Stadtgeschichtsdetektivs in Anspruch nehmen. Die meisten Anfragen kommen nämlich tatsächlich von auswärts, nicht nur aus Deutschland oder Europa, sondern auch aus Israel oder den USA. Dabei geht es oft um jüdische Vorfahren, denn in Angenrod bestand eine jüdische Gemeinde, im 19. Jahrhundert die größte im Altkreis Alsfeld. „Es ist wirklich interessant und man lernt eine Menge“, schwärmt der Hobby-Historiker.

Doch es ist eben auch sehr zeitaufwendig. Die drei Stunden in der Woche, in denen das Archiv für die Anliegen der Menschen geöffnet hat, reichen bei weitem nicht aus. Es gibt nämlich immer etwas zu tun. Hansen macht deshalb vieles noch außerhalb der Öffnungszeiten oder aber von Zuhause aus. „Ich habe die Zeit dafür und es ist einfach schön, den Menschen zu helfen“, erzählt er und lächelt: „Es hält ja auch den Kopf fit. Solange es noch geht, mache ich weiter.“

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