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Vernissage der Ausstellung "Jüdische Maler und Malerinnen im Selbstporträt"Ausstellung im Haus Speier erinnert an jüdische Künstler

ANGENROD (akr). Es gibt in Alsfeld wohl kaum einen besseren Ort, um Werke jüdischer Künstler auszustellen, als das Haus Speier in Angenrod – und genau in dieser historischen Gedenkstätte werden im Rahmen der Alsfelder Kulturtage noch eine Woche lang Selbstporträts jüdischer Maler und Malerinnen ausgestellt, die während der Nazizeit geächtet, verfolgt und auch teilweise ermordet wurden.

In Angenrod waren um 1880 herum 42 Prozent der Einwohner Juden. Es gab eine prächtige Synagoge, eine Judenschule und einen eigenen Friedhof. In den Jahren nach 1930 verkauften die Angenröder Juden ihre Häuser an Christen – außer die Familie Speier. Sie fand keine Möglichkeit, sich vor den Nazis zu retten, wurden zusammen mit dem Ehepaar Wertheim und den Schwestern Oppenheim 1942 aus ihrem Haus verschleppt und ermordet.

Viele Jahre stand das Haus Speier, das einzige, heute noch stehende und von Anfang an jüdische und in jüdischem Besitz stehende Haus an der Leuseler Straße in Angenrod leer. Es war abbruchreif, nicht bewohnbar. Im Sommer 2014 gründete sich der Verein „Gedenkstätte Speier Angenrod“. Ein Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, dieses historische Denkmal und damit auch das Stück jüdische Geschichte zu erhalten, es vor dem Verfall zu schützen, eine Erinnerungsstätte zu schaffen – und seitdem hat sich einiges getan.

Ab 1990 war das Dach so undicht, das das Haus unbewohnbar, zu einer Bauruine wurde. Fotos: akr

Das Haus bekam einen komplett neuen Dachstuhl und eine Ziegeldecke, die West-Fassade wurde mit neuen Schindeln versehen und oben als Sichtfachwerk hergerichtet, eine denkmalgerechte Haustür wurde eingebaut und mittlerweile konnte sogar der Innenausbau, sprich die Ausstellungsräume im Erdgeschoss und der Saal im Obergeschoss, abgeschlossen werden – und in diesem oberen Raum werden im Rahmen der Alsfelder Kulturtage Werke jüdischer Künstler ausgestellt.

Eine Ausstellung mit Selbstporträts

Ausgestellt werden Selbstporträts jüdischer Maler und Malerinnen, die während der Nazizeit geächtet, verfolgt und auch teilweise ermordet wurden. Zu sehen sind jedoch nicht die originalen Werke. Es sind professionell angefertigte Reproduktionen, versehen mit Informationen zu Leben und Werk des jeweiligen Künstlers. Am Samstag fand die Vernissage statt. Der Kunstpädagoge Volker Zähne gab eine Einführung in die Ausstellung, erläuterte die Phasen der jüdischen Kunst und stellte die bedeutsamen jüdischen Künstler vor. An diesem Samstag wurden aber nicht nur jüdische Werke bildender Kunst geehrt, sondern auch der darstellenden: das Ehepaar Plettner spielte nämlich Stücke jüdischer Komponisten für Geige und Klavier.

Walter Windisch-Laube (rechts) übergab Volker Zähme als Dank für seine Einführung ein Geschenk. Im Hintergrund sieht man das Selbstbildnis von Anita Rée.

Die Idee zu der Ausstellung stammt übrigens von Konrad Rüssel, Bauleiter und Vereinsmitglied des Haus Speier. „Ihm haben wir zu verdanken, dass die Werke an den Wänden hängen und natürlich, dass wir hier überhaupt Wände und einen Fußboden haben“, betonte Stadtrat Jürgen-Udo Pfeiffer.

12 Porträts werden im oberen Saal des Hauses Speier ausgestellt. Unter ihnen beispielsweise das expressionistische Selbstbildnis der Charlotte Salomon aus dem Jahr 1940. Die Künstlerin floh aus Deutschland ins französische Exil, malte dort innerhalb von zwei Jahren ihr Leben, 1300 Werke entstehen in dieser Zeit. 1943, im Alter von 26 Jahren, wurde die jüdische Frau in Auschwitz ermordet. Mit dabei ist auch ein Selbstbildnis der berühmten Künstlerin Anita Rée, die ab 1926 mit ihren Porträts in Hamburg Karriere machte, ihr Leben lang allerdings von Selbstzweifeln und Unzufriedenheit geplagt wurde. 1933 wurde sie aus der Hamburgischen Künstlerschaft ausgeschlossen und nahm sich aufgrund von Anfeindungen und persönlichen Enttäuschungen vereinsamt das Leben.

Das Selbstbildnis der Charlotte Salomon.

Auch das Selbstbildnis von Felix Nussbaum ziert derzeit eine Wand des Haus Speier. Es ist das zweite Selbstporträt des Künstlers, das ihn mit Judenausweis und gebrandmarkt mit dem gelben Stern zeigt. Nussbaum hatte in einer ganzen Reihe von Bildern die Themen Exil, Gewalt und Verfolgung künstlerisch eindringlich gestaltet. Auch er lebte im Exil, im belgischen allerdings. Gemeinsam mit seiner Frau Felka Platek wurde der 40-jährige jüdische Künstler 1944 in Auschwitz ermordet.

Das waren nur drei der insgesamt 13 Künstler, deren Werke es im Rahmen der Alsfelder Kulturtage im Haus Speier zu betrachten gibt. Noch bis zum 29. September kann man die Ausstellung jeweils von 15 bis 18 Uhr besuchen, sich von den Darstellungen faszinieren lassen, Einblicke in die Schicksale der jüdischen Künstler erhalten.

Weitere Eindrücke:

4 Gedanken zu “Ausstellung im Haus Speier erinnert an jüdische Künstler

  1. Zugleich aber auch ein Versuch, einem eigentlich sehr düsteren und traurigen Ort, der Zeugnis von der moralisch beschämensten Phase in der Geschichte des deutschen Volkes ablegt, etwas von seiner nieder drückenden Wucht und Anklage zu nehmen.
    Neulich in fröhlicher Stammtischrunde erzählte eine Bekannte, ja, auch ihr Vater habe damals ein sog. „Judenhaus“ billig erworben. Für mich ein „Gänsehaut-“ (oder sagte man besser: „Schüttelfrost“-)Moment! Denn ich habe die Berichte aus der Heimatforschung und die Fotos, wo sich die Bevölkerung johlend über den Hausrat der deportierten jüdischen Nachbarn her macht, der in speziellen Versteigerungen angeboten wurde (siehe auch https://www.welt.de/kultur/history/article13705770/Mit-der-Deportation-begann-die-Schnaeppchenjagd.html), lebhaft vor Augen.
    Nein, viele möchten nicht erinnert werden, und deshalb konnten in der Nachkriegszeit die Spuren jüdischer Kultur und jüdischen Lebens, die der nationalsozialistische Unrechtsstaat übrig gelassen hatte, auch fast spurlos verschwinden. Heute steht man fassungslos vor den vielen „Stolpersteinen“, die von den einstigen jüdischen Bewohnern/Besitzern der idyllischen Fachwerkhäuser erzählen.

  2. Super:-)
    Vielen Dank an alle die dies bewerkstelligt haben :-))))) !
    Währet den Anfängen!!!!!……….
    Und erinnert an brutalst Geschehenes.
    Super das sie “ ein bisserl “ von dem was an Freude/ Kreativität/ und natürlich Lebenswillen hier in der Gegend und “ weltweit “ durch menschenverachtende/ tödliche Diktatur ihrem ( unserem ) Leben entnommen wurde.
    ………. währet den Anfängen … AFD …!
    Mit besten Grüßen
    Sabine Doetsch

    1. Wenn man einen Kommentar zu verfassen gedenkt, sollte man vielleicht zuvor ein wenig Ordnung in seine Gedanken bringen. „Super das sie ‚ein bisserl‘ von dem was an Freude/Kreativität/ und natürlich Lebenswillen hier in der Gegend und ‚weltweit‘ durch menschenverachtende/tödliche Diktatur ihrem (unserem) Leben entnommen wurde.
      ………währet den Anfängen … AFD …!“ Dieses Gestammel versteht kein Mensch!

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