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Kommentiert: verschenkter Einsatz für ein falsches OpferWie der Kirchenmann dem Genossen beispringt

MEINUNG „Alsfeld-evangelisch“ heißt eine Website des Dekanats-Öffentlichkeitsbeauftragten Timo Rieg. Und ganz „in der Tradition evangelischer Publizistik“, so die Selbsteinschätzung, beschäftigt sich Timo Rieg in dem kirchlich orientierten Online-Magazin in der Regel mit Themen zwischen Kirchenvorstand und Karfreitagsgebet. Das war am Montag anders. Da nutzte Rieg sein Öffentlichkeitsmedium, um sich für einen Menschen einzusetzen, bei dem er einen Notstand vermutet. Doch es ist keine soziale Notlage, für die der Kirchenmann sich einsetzt. Es ist ein Verständnisnotstand, den er bei dem SPD-Kreisvorsitzenden Swen Bastian ausgemacht hat. Rieg verlässt für einen langen Kommentar einmal die religiöse Linie der Website, die laut Impressum ausdrücklich nicht für das evangelische Dekanat spricht und springt dem zuletzt kritisierten Ehrgeizling der Vogelsberger SPD mit vehementen Worten bei: „Den anderen muss man verstehen wollen.“

Was treibt den Kirchen-Journalisten zu diesem Einsatz? Swen Bastian hatte den angekündigten Rückzug des Haunetalers CDU-Bürgermeisters Stefan Euler vergangene Woche auf Facebook im öffentlich zugänglichen Bereich mit den Worten kommentiert: „Und plötzlich waren es nur noch zwei“. Prompt reagierten Vogelsberger CDU-Politiker mit Empörung und harscher Kritik, weil Bastian derart eine Erkrankung des Bürgermeisters mit Häme kommentiert habe. Tatsächlich hatte Euler sich – einem Pressebericht zufolge – schon länger krankschreiben lassen, ehe er seinen Rückzug ankündigte. Wie krank er tatsächlich ist, wird nicht gesagt. Die CDU sieht Euler jedenfalls als Opfer einer Verunglimpfung des SPD-Kreisvorsitzenden und forderte dessen Rücktritt.

Worauf Timo Rieg auch ein Opfer ausmachte: Swen Bastian. Der Alsfelder Genosse sei das Opfer von Unverständnis – bewusstem oder billigendem Unverständnis seitens der CDU in Eintracht mit den regionalen Medien, die deren Vorwürfe veröffentlichten. Rieg weiß in seinem Kommentar ganz alleine: Swen Bastian hat es doch ganz anders gemeint. Der Vorwurf der Häme über einen wegen Krankheit zurücktretenden Bürgermeister sei völlig überzogen. „Bastians Facebook Kommentar war völlig harmlos“, stellt Timo Rieg fest. Und wenn es ein angreifbarer Kommentar gewesen sei – dann sei Facebook noch lange kein öffentliches Medium. Und man könne sich doch auch mal – quasi – vertippen.

Aha. Gut, dass das mal gesagt wird. Das sollten Jugendliche besser nicht hören, denen immer gesagt wird, sie gefährdeten ihre beruflichen Chancen, wenn sie Feierbilder via Facebook öffentlich stellen. Das, so Riegs Gusto, war Herrn Bastian halt nicht so bewusst. Und letztlich habe Swen Bastian sein Versehen korrigiert, indem er den Kommentar flugs entfernte.

Es mag das Geheimnis des offenbar selbstständig, aber doch unter dem Logo der evangelischen Kirche schreibenden Journalisten bleiben, warum er sich ausgerechnet für Swen Bastian derart themenfern einsetzt. Es klingt so, als ob beide sich gut kennen. Möglicherweise hat Bastian die dummen Worte auch tatsächlich gar nicht so gemeint, wie sie zu lesen waren.

Aber halten wir mal fest: Swen Bastian hat sich nicht für das Facebook-„Versehen“ entschuldigt. Ausdrücklich nicht. Gelegenheit hatte er genug. Und man stelle sich mal vor, so etwas hätte sich ein CDU-, FDP- oder FWG-Politiker über einen mutmaßlich erkrankten SPD-Bürgermeister geleistet. Swen Bastian wäre der erste und lauteste Genosse gewesen, der „infam“ und „Rücktritt“ geschrien hätte.

Schade. So deutliche kirchliche Worte wären für ein richtiges Opfer zu anderem Thema angebrachter gewesen.   Axel Pries

Ein Gedanke zu “Wie der Kirchenmann dem Genossen beispringt

  1. Zweideutige Aussage des Herrn Bastian, eventuell vom politischen Gegner übertrieben aber eindeutig kommentiert und nun eine Stellungnahme eines Herrn Rieg, der sich im evangelischen Deckmäntelchen politisch auslässt.
    Herr Rieg wäre gut beraten gewesen, hätte er seine private Sicht der Dinge bei Facebook gepostet und nicht bei „www.alsfeld-evangelisch.de/heisse-luft-a-2371.html“. Oder ist Facebook doch zu ÖFFENTLICH.

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