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Pfarrer Peter Weigle über die Feiertage, Krieg und HoffnungWeihnachten in Zeiten der Krise

VOGELSBERG (ls). Krieg. Inflation. Weihnachtshoffnung? Nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie ist das Leben für viele Menschen nicht wirklich sorgenloser geworden. Wie sollte die Kirche damit umgehen, zur doch eigentlich besinnlichen Zeit? Pfarrer Peter Weigle erklärt, warum die Krisen bei seiner Predigt bewusst nicht vorkommen werden.

Das Weihnachtsfest in diesem Jahr dürfte durch Krisen und Krieg bei dem ein oder anderen sicherlich ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Noch immer Corona, zumindest etwas, der Krieg, die daraus resultierende Energiekrise und nun auch noch die Inflation: Während die einen vielleicht noch nachhaltig am Virus erkrankt sind, haben wieder andere große existenzielle Sorgen vor der Zukunft. Andere wissen ganz akut nicht, wie sie Gas-Rechnungen im nächsten Jahr bezahlen sollen und wieder andere können Weihnachten vielleicht nicht so feiern, wie sie es sonst eigentlich tun.

In der Gesellschaft ist das spürbar – in der Kirche von Peter Weigle sollen die Krisen dieser Zeit zu Weihnachten deshalb ganz bewusst nicht vorkommen. Der Pfarrer ist im Kirchspiel Schwalmtal tätig und nach einer einjährigen Vakanzvertretung nun auch noch im Kirchspiel in Ehringshausen. Während ein paar Kollegen aus dem Evangelischen Dekanat Vogelsberg sicherlich die Krisen der Zeit in den Fokus der Weihnachtspredigt rücken, geht Weigle einen anderen Weg.

„Die Leute wissen doch, wie schwer die Situation gerade ist, das muss ich nicht nochmal betonen und schon gar nicht zu einer Zeit, in der die Menschen ein bisschen Ruhe und Hoffnung schöpfen möchten“, erklärt Weigle. Er wolle deshalb versuchen, den Menschen in der Weihnachtspredigt ein positives Gefühl zu geben.

Gerade an diesem Tag hat sich Weigle wieder an ein Zitat von Luther erinnert: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern“. Das passt aus seiner Sicht ganz gut. Immer wieder darüber zu sprechen, wie schlecht alles ist, bringe die Menschen nicht weiter. Seine Predigt für Weihnachten hat der Geistliche zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht geschrieben, einen groben Fahrplan hat er aber bereits im Kopf.

Kirche als Ort der Hoffnung

Ähnlich wie der Film-Klassiker „Cabaret“ aus 1972 mit Liza Minnelli, in dem man mit aufreizenden Darbietungen zu verdrängen versuchte, was sich in Deutschland politisch zusammenbraute, werde auch der Gottesdienst unter diesen Tenor gestellt. „Der Film beginnt mit ‚Life is disappointing, forget it‘. So soll es auch im Gottesdienst sein“, erklärt Weigle. Während die Krisen draußen weiter ihren Lauf nehmen, soll man es sich in der Kirche für eine kurze Zeit gemütlich machen, etwas Freude, Hoffnung und Mut empfinden und selbst wenn man das nicht schaffe, soll man wenigstens einen Weg gezeigt bekommen, wo es lang geht.

Dazu eigne sich Weihnachten und die christliche Weihnachtsbotschaft gut, denn die zeige, dass die Freude, die man gibt, in das eigene Herz zurück komme, was in diesen Zeiten von Bedeutung sei. „Die Leute sollen es zu Weinachten ein bisschen nett haben, ein bisschen die Seele gestreichelt bekommen und ein positives Gefühl bekommen“, sagt Weigle. Das Leben sei zu kurz, um ein langes Gesicht zu machen.

Mit speziellen Anforderungen und Herausforderungen habe man im Leben immer zu tun, auch er als Pfarrer. Da sei man nicht immer gleich fest in seinem Glauben. Die Krisen des Jahres hätten ihn persönlich nicht mehr beschäftigt, als die Krisen der Vergangenheit. „Was mich schon beschäftigt hat ist die Situation der vielen Menschen“, erklärt er. Während er als Pfarrer sehr priviligiert sei, gebe es zurzeit viele Menschen in großen Nöten, wenn auch nur wenige, die direkte Hilfe in der Kirche suchen würden.

Die Kirche hat auch ihre eigene Krise

Und ohnehin sei es kein Geheimnis, dass die Kirchgänger schwinden. Corona habe den Trend zwar beschleunigt, aber nicht verursacht. Mit dem Glauben habe das seiner Meinung nach nichts zu tun. „Die Leute glauben auch weiterhin – nur nicht an die Kirche. Sie erwarten von der Kirche nichts mehr“, erklärt Weigle. Deshalb habe er sich dazu entschieden, die Krisen bei der Weihnachtspredigt außen vor zu lassen, wenn es auch sicherlich den ein oder anderen Kollegen gebe, der das anders sieht.

„Corona, Krieg in der Ukraine, Klimakatastrophe und Artensterben: all das ist eigentlich immer präsent“, sagt Weigle. Deshalb sei es wichtig, diese Sorgen abzustreifen, Ängste beiseite zu tun und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und nicht dieses Wesentliche noch mit Ängsten zu übermalen.

Eben dieses Wesentliche kann in diesem Jahr endlich wieder ohne Einschränkungen stattfinden: Zum Weihnachtsgottesdienst ist keine Maske mehr nötig, es darf gesungen werden und ohne Abstand – ganz so, wie Weihnachten in der Kirche nun einmal sein sollte. In der Kirche erinnert daran schon jetzt einiges, wie Weigle sagt: „Gestern bin ich abends an der Kirche vorbei, in der noch Licht brannte, und habe reingeschaut. Da wurde gerade der Weihnachtsbaum aufgebaut. Diese grüne Tanne, rote Kugeln und Kerzenschein: Das ist ein vertrauter Anblick. Da geht einem das Herz auf.“ Und das ist auch in Krisenzeiten erlaubt.

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