Politik5

Junge Union Osthessen: Jetzt Dienstpflicht einführen – Bezirkstag mit Maberzeller PositionspapierDienstpflicht: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

VOGELSBERGKREIS (ol). Für eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Landesverteidigung Deutschlands im Bündnis spricht sich angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Junge Union Osthessen aus.

In der Pressemeldung der Jungen Union Osthessen heißt es, dabei müsse das 100-Mlliarden-Programm ausschließlich für die Bundeswehr genutzt werden. Kernpunkt sei dabei eine schnelle Prüfung des personellen Bedarfs der deutschen Streitkräfte, der zur vollständigen und permanenten Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich sei. Es müsse eine offene und zeitnahe Prüfung einer allgemeinen Dienstpflicht einschließlich Wehrdienst stattfinden.

In ihrem „Maberzeller Positionspapier“ fordert die JU eine deutliche Aufwertung der Bundeswehr mit Waffen, Gerät und Soldaten, beschlossen die Delegierten des CDU-Nachwuchses auf ihrem Bezirkstag im „Fuldaer Hof“ in Fulda-Maberzell.

Neben den Vertretern aus den Kreisverbänden Hersfeld-Rotenburg, Fulda und Vogelsberg, den regionalen CDU-Spitzenpolitikern Dr. Heiko Wingenfeld, Michael Brand, Michael Ruhl und Thomas Hering folgten der Einladung des Bezirksvorsitzenden Lukas Kaufmann (Wartenberg) der hessische JU-Landesvorsitzende Sebastian Sommer und das Mitglied des Bundesvorstandes der Jungen Union Deutschlands, Fabian Beine, der Einladung zum programmatischen Treffen der Jugendorganisation.

Vor der Beratung des „Maberzeller Positionspapiers zur Stärkung der Landesverteidigung im Bündnis“ informierte als fachkundiger Referent der Bürgermeister der Stadt Gersfeld (Rhön) Steffen Korell, der als Reservist heute noch verschiedentlich in der Bundeswehr übt und als Jurist über ein Thema der Anwendung deutschen Strafrechts bei Bundeswehrsoldaten im Ausland promoviert wurde.

Veränderung der Bundeswehr

Korell legte prägnant dar, wie sich die Bundeswehr aus der großen Verteidigungsarmee im Kalten Krieg der Achtziger Jahre mit knapp 500.000 Soldaten zur spezialisierten Streitkraft mit Aufgaben auch im Ausland mit heute etwa 190.000 Soldaten verändert habe. Der Reserve-Oberstleutnant, der an den Bundeswehrstandorten Stadtallendorf und Neustadt (Hessen) seinen Wehrdienst ableistete, zeigte sich skeptisch, ob die an Friedenszeiten ausgerichtete Bundeswehr so schnell wieder ausgebaut werden könne, um größere Zahlen von Wehrpflichtigen aufzunehmen, einzukleiden und auszubilden.

Allein beim Heer seien von vormals elf Divisionen 1989 noch „zweieinhalb“ übrig, erläuterte Korell. Heute geben es neben zwei Panzerdivisionen noch die „Division Schnelle Kräfte (DSK)“ in Stadtallendorf, in der spezialisierte und luftbewegliche Kräfte zusammengefasst seien.

Aus rechtlicher Sicht sei eine „allgemeine“ Wehrpflicht wie vor gut zehn Jahren bei ihrer Aussetzung nicht mehr zu halten gewesen, da allgemein eben bedeute, dass grundsätzlich jeder zum Dienst gezogen werden müsse. Damals, so der 38-Jährige, seien aber nur 15 Prozent zum Wehrdienst und nur 20 Prozent zum zivilen Ersatzdienst herangezogen worden, was eben einer „allgemeinen“ Pflicht nicht mehr genüge. Eine allgemeine Dienstpflicht – mit oder ohne Dienst an der Waffe – für Männer und Frauen sei aus seiner Sicht vorstellbar, wobei verfassungsrechtlich unklar sei, ob das Grundgesetz dafür geändert werden müsse, betonte Korell.

JU-Landesvorsitzender Sebastian Sommer (Hochtaunus) beschrieb die Beschlusslage des Landesverbands zu Wehrdienst oder Dienstpflicht, die allerdings noch den Stand ohne konkrete Bedrohung „vor der Haustür“ darstellte. Er wünschte sich ebenso eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen.

Der osthessische CDU-Bezirksvorsitzende, Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld, lobte die inhaltliche Arbeit der Jugendorganisation zu diesem hochwichtigen und aktuellen Thema. Er selbst kenne noch als Jugendlicher, wie sonst keiner der anwesenden Delegierten, die Verteidigungsbemühungen Ende der achtziger Jahre der Bundeswehr sowie der US-Streitkräfte in der osthessischen Region in Bad Hersfeld und der großen Garnison der amerikanischen Freunde in Fulda.

CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Brand steuerte den Stand zur Bundeswehrdiskussion aus dem Bundestag und der CDU/CSU-Fraktion bei und warnte die Ampel-Bundesregierung davor, mit dem geplanten Geld für die Bundeswehr auch noch andere Dinge zu finanzieren.

In der anschließenden Diskussion unter den Delegierten, an der sich zusammen mit Wingenfeld und Brand auch die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Michael Ruhl (Herbstein) und Thomas Hering (Fulda) beteiligten, wurde deutlich, dass jetzt im Angesicht des Krieges, der deutsche Verteidigungsbeitrag überprüft werden müsse. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, wie es im mit verschiedenen Änderungen einstimmig beschlossenen Maberzeller Positionspapier heißt, sei die Diskussion auch um den personellen Beitrag zur Bundeswehr in der deutschen Bevölkerung zu führen, fasste JU-Bezirksvorsitzender Lukas Kaufmann zusammen.

„Maberzeller Positionspapier“

1. „Die Junge Union Osthessen spricht sich im Lichte des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine für eine Stärkung der Bundeswehr für die Landesverteidigung im Bündnis und die Verpflichtungen daraus aus.

2. Die Junge Union Osthessen fordert die Bundesregierung auf, in dieser historischen Lage ihren Worten Taten folgen zu lassen: Dazu gehört neben dem 100-Milliarden-Euro-Programm, das zielgerichtet für die Bundeswehr investiert, auch das NATO Zwei-Prozent-Ziel zur Verteidigung von Freiheit und Sicherheit.

3. Die Junge Union Osthessen erwartet eine zügige Prüfung der Maßnahmen für die Ertüchtigung von Luftwaffe, Marine und Heer. Dabei sollen Waffensysteme wie Kampfjets, Drohnen, Flugabwehrgerät und Panzer zügig unter Hintanstellung haushaltsrechtlicher, buchhalterischer und vergaberechtlicher Erwägungen als lagebedingter Sofortbedarf beschafft werden.

4. Die Junge Union Osthessen erwartet eine schnelle Prüfung des personellen Bedarfs der deutschen Streitkräfte, der zur Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist. Hierbei sind angemessene Ausbildungskapazitäten zu schaffen.

5. Die Junge Union Osthessen fordert eine aktive Stärkung der Cyber-Abwehr in Deutschland, um kritische Infrastrukturen wie beispielsweise die Wirtschaft und öffentliche Verwaltung bestmöglich zu schützen. Dabei sollen u.a. verstärkt Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Kommunikation/ Kooperation zwischen Behörden und Unternehmen gefördert und mit finanziellen Mitteln unterstützt werden.

6. Die Junge Union Osthessen drängt daher auf eine allgemeine Dienstpflicht unabhängig von Geschlecht und Staatsangehörigkeit einschließlich Wehrdienst mit Änderung des Grundgesetzes. Für den militärischen Dienstposten sowie für den Dienst an der Waffe sind ausschließlich deutsche Staatsbürger zugelassen.

7. Eine Vermittlung mit dem Arbeitsmarkt und der Berufsausbildung ist hierbei zu berücksichtigen.“

Begründung:

„Der völkerrechtswidrige russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat unzähliges Leid über die Menschen in der Ukraine und in der Mitte Europas gebracht. Der russische Angriffskrieg hat bereits zu den vielen Tausenden Toten, Verwundeten, Kriegsversehrten und Millionen Flüchtlingen geführt und auch bei uns in Deutschland klargemacht, dass unsere gut zwei Jahrzehnte auf Auslandseinsätze fokussierten Streitkräfte als ‚mehr oder weniger blank‘ (Heeresinspekteur) oder ’nicht kaltstartfähig‘ (Generalinspekteur der Bundeswehr) eingeschätzt werden.

Daher muss schleunigst mit Hilfe der 100 Milliarden das Material, das Großgerät und die persönliche Ausstattung der Bundeswehr gestärkt werden. Darüber hinaus hält die Junge Union eine schnelle Debatte über das Personal für die Bundeswehr – aktuell und für die Zukunft mit ausgebildeten Reservisten sowie mit einem zügig einzuführenden Wehrsatzwesen – oder eben eine allgemeine Dienstpflicht für allen jungen Menschen in diesem Lande für nötig, wofür das Grundgesetz (Zweimal Zwei-Drittel-Mehrheit) zu ändern wäre.

Auch eine unveränderte Gesetzeslage hinsichtlich der Wehrpflicht ist denkbar: Der Kaltstart der deutschen Streifkräfte im Spannungs- (Artikel 80 a Grundgesetz) oder Verteidigungsfall (Artikel 115 a Grundgesetz), dann aber ohne ein bestehendes Wehrersatzwesen.

Die Frage der Deckung der personellen Stärke der Landesverteidigung in der Bundeswehr mit klassischer Wehrpflicht oder neuartiger Dienstpflicht für alle oder unverändert mit Warten auf den Spannungs- oder Verteidigungsfall muss schnell diskutiert und entschieden werden.

Dienstpflicht? Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Einstimmig beschlossen vom Bezirkstag der Jungen Union Osthessen am 27. März 2022 in Fulda-Maberzell.

5 Gedanken zu “Dienstpflicht: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

  1. Die Bundeswehr hat ein strukturelles Problem. Mit einem größeren Etat wird nur noch mehr Geld verschwendet. Der Bundeswehretat beläuft sich auf 50 Mrd. €. Russland gibt 60 Mrd. € aus.

    Die Bundeswehr braucht Spezialisten, damit die Sanierung eines Segelschiffs nicht so viel kostet wie der Neubau von 17 Schiffen gleicher Größe.

    Es gibt mit Sicherheit in unserem Land auch Profis, die Gewehre beschaffen können, die dann auch geradeaus schießen. Die Bundeswehr muss diese Leute suchen und Einstellen.

    Die Liste der Pleiten, Pech und Pannen ist bekanntlich lang. Damit die Misswirtschaft ein Ende hat, müssen Profis angeworben werden und keine Wehrpflichtigen.

  2. Die Alte Union mit alten Antworten auf die Neue Zeit.Die Zeit der NATO und den Amerikanern ist vorbei, das Einzusehen fällt schwer aber vorbei ist vorbei.Wir sind mit unserem Latein am Ende,und wenn wie so weiter machen dann Gute Nacht.

    2
    17
  3. So viele „junge Gesichter“ und so viele uralte Forderungen… „Stärkung der Bundeswehr für die Landesverteidigung“ (wofür sonst?). „Den Worten Taten folgen lassen“ (Bei jeder Phrase fass dir selber an die Nase).

    1. „Die Junge Union Osthessen spricht sich im Lichte des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine für eine Stärkung der Bundeswehr für die Landesverteidigung im Bündnis und die Verpflichtungen daraus aus. „Zielgerichtete Ausgabe des 100-Milliarden-Programms“ (niemand will ernsthaft etwas anderes). Erfüllung des 2-Prozent-Ziels (inzwischen ebenfalls allgemeiner Konsens). „Zügige Prüfung der Maßnahmen für die Ertüchtigung von Luftwaffe, Marine und Heer“ und zügige Beschaffung von „Kampfjets, Drohnen, Flugabwehrgerät und Panzern […] unter Hintanstellung haushaltsrechtlicher, buchhalterischer und vergaberechtlicher Erwägungen“ (am besten gleich den Notstand ausrufen und die Verfassung außer Kraft setzen!).
    Was für ein abgedroschenes Zeug. Wie beim im Sommer nachgeholten Rosenmontagszug: Säckeweise olle Kamellen.
    Aber was war von so einem landplagebdingten Sofort-Gelaber und Laberzeller Popositz-Papier schon anderes zu erwarten?

    42
    12
  4. Eine Dienstpflicht wäre auch früher schon richtig gewesen. Jedoch hätten bisher zumindest die Philister, indem sie um das „Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen“ gejammert hätten, eine Dienstpflichteinführung blockiert.
    Somit stellt sich die Frage ob die jetzige Situation auch den bisherigen individualistischen Zeitgeist besiegen wird.

    12
    23
  5. Und die Junge Union Osthessen bietet dazu immer wieder die amüsantesten Beispiele. Mein Rat für irgendwann einmal besser durchdachte Vorschläge:
    a) Widersprüche zu früheren Forderungen vermeiden!
    b) Neue Forderungen nur auf Grundlage ebenso neuer Analysen und wirklich innovativer Lösungswege erheben und nicht auf der Grundlage des pawlowschen Reflexes (Zusammenhang Ukraine)!

    „Für eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Landesverteidigung Deutschlands im Bündnis spricht sich angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Junge Union Osthessen aus.“ Ja, sprecht euch ruhig aus. Aber überlegt euch bitte vorher jedes Wort. „Angesichts“ des russischen Überfalls auf die Ukraine sind Folgerungen für die deutsche Innenpolitik (allgemeine Dienstpflicht) unlogisch. Hier wird nur das Ereignis benutzt, um ein Lieblingsthema aufzugreifen und das JU-Profil zu schärfen. Eine allgemeine Dienstpflicht würde in der gegenwärtigen Situation gar keinen Unterschied machen. Denn die Ukraine als Nato-Nichtmitglied wäre hierdurch nicht besser vor dem russischen Aggressor zu schützen. Es wären nur neben einer dann wohl erhöhten Zahl von Wehrdienstleistenden auch eine erhebliche Zahl von Zivildienstler*innen zu mustern, zu verwalten, auszubilden und auszurüsten und zu besolden. Allein die Aktivierung aller dienstverpflichteten Bürgerinnen (Wehr- und Wehrersatzdienst waren bis zu deren Abschaffung reine Männersache, was nicht mehr zu halten wäre!) Ich denke, jeder verfügbare Euro soll in die Truppe fließen… Und jetzt ebenso hohe Zusatzausgaben für den alternativen Zivildienst? Oder will man die Gewissensentscheidung in der Verfassung streichen?

    Was ist eigentlich mit der jahrelangen Diskussion um die in Deutschland zu langen Ausbildungsgänge, die uns ein sinnloses G8-Gymnasium und eine Verschulung der Universitäten inklusive anglisierter Bachelor- und Master-„Qualifikationen“ mit vielen akademischen Leichtmatrosen eingebracht haben. Da haut man jetzt noch ein Jahr wieder drauf und verschärft damit den Fachkräftemangel, der durch den Fachkräftebedarf der Streitkräfte ohnehin schon ansteigen würde? JU-Zitat: „Kernpunkt sei dabei eine schnelle Prüfung des personellen Bedarfs der deutschen Streitkräfte, der zur vollständigen und permanenten Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich sei.“ Ja eben. Nur verbessert man das Fachkräfteangebot zur Deckung des personellen Bedarfs der deutschen Streitkräfte ja nicht durch Anordnung einer allgemeinen Dienstpflicht, sondern durch vermehrte Ausbildung in den einschlägigen (zumeist technischen) Berufssparten, was aber zu Lasten von Ganztagsbetreuung, Kranken- und Altenpflege sowie Bauhandwerk ginge, wo ebenfalls hohe zusätzliche Bedarfe bestehen.
    Es zeigt sich also wieder mal:
    Die Junge Union ist Teil von jener Kraft / die stets das Gute will, doch nur Probleme schafft… / So zeigt sich wieder mal an diesem Orte / die hellsten Lichter brennen nicht auf jeder Torte

    42
    10

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren