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OL-Kolumne "Langes Wochenende"Bei der JU und ihren Experten hat noch keiner den Schuss gehört

REGION. Die Junge Union sucht sich und die Zukunft, in Österreich tritt der Baby-Kanzler endgültig ab und wegen all den abgesagten Weihnachtsveranstaltungen im Vogelsberg fragt man sich: „Marktgeruch und Impfdurchbruch / Wie reimt sich das zusamm’n?“ Lesen Sie hier die neue Ausgabe der satirischen Wochenkolumne von Ulrich Lange.

Ich beginne meinen zweiten satirischen Wochenrückblick mit dem Thema JU-gend forscht. Und das aus Gründen. Haben sich doch da die osthessischen Mitglieder der Jungen Union anlässlich einer Klausurtagung in Oberbernhards (Rhön) mit Fragen zur Digitalisierung und Industrie 4.0 beschäftigt. Wurde aber auch mal Zeit für ein ambitioniertes Zukunftsthema. Denn wer hat gegenwärtig mehr Zukunft beziehungsweise offene Zukunftsfragen zu bewältigen als eben diese Jung-Konservativen nach einer kürzlich verlorenen Bundestagswahl.

In deren Vorfeld stürmten sie bekanntlich gleichzeitig rückwärts und vorwärts voran und wirkten am Ende etwas orientierungslos. So in etwa müssen sich die Teilnehmer des Kinderkreuzzugs von 1212 im Angesicht des „Debakels von Genua“ (nicht zu verwechseln mit Genoas 0:6-Debakel nach dem Auswärtsspiel gegen Napoli am 27. September 2020 (siehe hier ) gefühlt haben, nachdem sie feststellen mussten, dass sich das Meer nicht verabredungsgemäß teilte, um einen direkten Fußweg ins Heilige Land frei zu geben.

On behalf solcher historischer Fehleinschätzungen, wie eine lateinfrei an neusprachlichen Gymnasien heran reifende Jugend das vermutlich ausdrücken würde, behalf (Achtung Wortspiel!) man sich nicht etwa mit seinen osthessischen Gesamtschul-Kenntnissen, sondern schmückte sich, wie man freimütig betonte, „mit fremdem Sachverstand“. Kurzum: Man hatte sich Referenten eingeladen, die mit hochkarätigen Statements etwa diesen Kalibers aufwarteten: „Mit der Industrie 4.0 werden effektive Interaktionen zwischen Arbeitnehmern sowie Maschinen im Zeitalter der Digitalisierung fokussiert.“

Belohnt wird am Ende derjenige, der das Richtige geglaubt hat

Doch da sage ich: Augen auf beim Zieleinlauf! Das also kommt dabei heraus, wenn Jungkonservative in die Zukunft blicken. Statt den Blick zu öffnen für die dramatischen Veränderungsprozesse in dieser Gesellschaft und deren Rahmenbedingungen weltweit, verengt man ihn technokratisch auf das Arbeitsfeld der Wirtschaftsinformatiker und -ingenieure sowie darauf, wie man demnächst eine bereits hocheffiziente Produktion noch mehr zum Flutschen bringt.

So glaubt der Jung-Unionist sich auf der Seite der ideologiefreien Pragmatiker, der Vernünftigen, der Gewinner. Belohnt wird am Ende derjenige, der das Richtige geglaubt hat. Seit man das erstmalig im Kindergottesdienst gehört hat, schien das höherenorts beschlossen zu sein.

Aber wie viele alte Glaubensgewissheiten wurden inzwischen über den Haufen geworfen? Grenzenloses Wachstum als Wohlstands-Versicherung und sichere Bank bei der Verschiebung aktueller öffentlicher Schuldenlasten in die Zukunft funktioniert nicht mehr, auch nicht in der Variante „Green Economy“. Die Wachstumsdroge „Exportismus“ wurde unter den Vorzeichen internationale Konflikte, Ressourcenverbrauch und Klimakrise zum Auslaufmodell. Bei der JU und ihren Experten hat noch keiner den Schuss gehört.

Von Ju-gend forscht zu jung und abgekanzelt: Das Idol aller jungen Konservativen, Heil-ss-bringer Nr. 2 aus Österreich und seit Jahren das Symbol dafür, dass die Intelligenz nicht (nur) links steht, Kinderkanzler Basti Kurz (15?/25?/35?), verabschiedete sich am Donnerstag vollständig aus der Politik, nachdem die Ermittlungen der Korruptions-Staatsanwaltschaft und eines parlamentarischen Korruptions-Untersuchungsausschusses den Verdacht erhärten, er sei trotz seiner Jugend ein übler Kungelkanzler gewesen. „Daserste.de“ schreibt: „Sebastian Kurz galt auch in Deutschland als Prototyp eines neuen Politikers: smart, unkonventionell, konservativ und erfolgreich. Markus Söder und Jens Spahn zeigten sich gerne mit dem jungen Kanzler der Alpenrepublik.

Bestückung geglückt, ins Rathaus gerückt. Glückwunsch! 

Und das kurz nachdem das zweite deutsche Jugendidol, Philipp Amthor, erneut in einen peinlichen Skandal verwickelt wurde. Da wundert es nicht, dass statt junger konservativer Smarties wieder nur drei angejahrte, ausschließlich männliche Politik-Profis zum „Kampf mit Klischees“ (DER SPIEGEL am 1. Dez. 2021) um den CDU-Parteivorsitz antreten.

Nur mal so zwischendurch: Letzten Mittwoch fielen fast Weihnachten und Ostern auf einen Tag, nämlich der 1. Dezember (Tag des Adventskalenders, erstes Türchen öffnen, ist das aufregend!) und der „Iss-einen-roten-Apfel-Tag“ (kein Scherz, siehe). Wer keine Lust auf Äpfel hat, kann den 1. Dezember auch als Welt-AIDS-Tag (engl. World AIDS Day) begehen (lässt sich vielleicht auch kombinieren, wenn one apple a day not the doctor away keeps). Und natürlich sollte man die gesunden Äpfel nicht gegen zahnschädigende Paradies- oder Liebesäpfel austauschen (siehe) beziehungsweise gar in der ansteckenden Gesellschaft eines Weihnachtsmarktes erwerben und verzehren.

Das bringt uns schon zum lokalen Aufreger-Thema der (letzten) Woche(n): Vogelsberger Weihnachtsmärkte – Schließen oder genießen? Da stoßen die weltanschaulichen Standpunkte brutal aufeinander wie die Schädelknochen rivalisierender Steinböcke. Da wird der Hater leicht mal zum Atten- oder Straf-Tä(i)ter, lassen sich selbst untergeschobene Kuckuckskinder von bis dahin zuverlässigen Eltern scheiden und ziehen wegen unüberbrückbarer Gegensätze in die therapeutische Wohngruppe des örtlich zuständigen Jugendamts.

Manche unter „Gedanken“ veröffentlichten Dialoge von Befürwortern und Gegner erinnern an Loriots humoristische Szene beim Teilen des berüchtigten Kosakenzipfels: „Jodelschnepfe!“ und „Winselstute!“ lauten die zuletzt ausgetauschten diplomatischen Noten. Wie soll man die Frage „Schließen oder Genießen“ aber nun entscheiden? OL widmete dem Thema nach dem 24.11. („Wie man es macht, ist es verkehrt“) gleich am 29.11. noch einen zweiten Kommentar („Die Absage des Alsfelder Weihnachtsmarktes ist vernünftig“). Hier kommt nun der dritte (von mir): Hätte, hätte Lichterkette. Glühwein war ihr letztes Wort, dann trug das Rote Kreuz sie fort!

Und für die treuesten Fans nun noch ein finales Bonus-Gedicht im Gstanzl-Stil:

Marktgeruch und Impfdurchbruch / Wie reimt sich das zusamm’n? Marktgeruch und Impfdurchbruch / Wie reimt sich das zusamm’n? Wenn der Weihnachtsmarktbesucher eine Bratwurst bestellt
Und ein abgebiss’nes Stück davon in Nachbars Glühwein fällt

Ja, dann reimt sich das zusa-ham-men, Ja, dann reimt sich das zusamm’n.

Und ganz ganz zum Schluss noch das aktuelle Hauptthema aller Medien in nur einem Satz. Ein Satz mit bzw. zur Impf-Pflicht: Der letzte macht das Impflicht aus! Hahaha.

Langes (oder wenigstens verlängertes) Wochenende!

2 Gedanken zu “Bei der JU und ihren Experten hat noch keiner den Schuss gehört

  1. @ Kein Fan
    Bitte zeigen Sie sich weiterhin angeekelt! Seien Sie barmherzig und posten Sie wenigstens irgend etwas! Und sei es noch so abwegig, abträglich oder für den Rest der Welt uninteressant. Sonst wird es in der Redaktion wieder heißen, bei den Leserzahlen sei noch Luft nach oben.

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    1. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn überall um milde Gaben geworben wird, sollten die OL-Leser mit Likes (schon wegen der grünen Farbe, o Tannenbaum und so) nicht geizen. Vielleicht könnten von der Redaktion auch als drittes Symbol grüne Bäumchen mit roten Kerzen eingepflegt werden. Bedeutung: Teils-teils oder „Such’s dir aus!“.
      Missgünstige Leser müssten dann auch nicht nach fadenscheinigen Argumenten suchen, warum sie z.B. Satire nicht satirisch, Reime ungereimt oder Humor nicht witzig finden.

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