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Interessante Diskussionen und Vorträge bei der hybriden Veranstaltung "digital.neustart"„Wir brauchen ein digital-fittes Deutschland“

ALSFELD. Chancen finden, Ideen und Möglichkeiten vorstellen, Netzwerke schaffen und einen digitalen Neustart ermöglichen – genau das war das Ziel, das Unternehmer Torsten Schneider am vergangenen Donnerstag mit der hybriden Veranstaltung „digital.neustart“ verfolgte. Einen Einblick gibt es hier.

In den letzten zwei Jahren hat sich das Alte Postamt ziemlich verändert. Unternehmer Torsten Schneider hat das historische Gebäude am Ludwigsplatz in einen digitalen Leuchtturm verwandelt. Genaue Einblicke in das Konzept des Postamtes mit den vielfältigen, digitalen Möglichkeiten sowie spannende Diskussionen und Impulsvorträge mit großartigen Rednern aus dem Bereich Politik und Wirtschaft gab es im Rahmen der hybriden Veranstaltung „digital.neustart“, zu der Schneider am Donnerstag einlud und tolle Gäste und Redner begrüßen durfte.

„Wir haben zwei verrückte Jahre hinter uns“, begann Schneider seinen Einblick in das Konzept, das sich hinter dem digitalen Hotspot am Ludwigsplatz verbirgt. Es sei eine Zeit, geprägt von viel Aktionismus und Kreativität gewesen und auch die Corona-Krise ging an Schneiders Unternehmen keineswegs spurlos vorbei. Im Gegenteil: Ein Großteil der Aufträge seiner digitalen Werbeagentur vobitz brachen weg und auch die Stadthalle blieb dicht, schließlich kam die Veranstaltungsbranche zum Stillstand. Doch die Zeit des Lockdowns blieb eben keineswegs ungenutzt.

So entstand während der Pandemie auch das voll ausgestattete vobitz-Studio, mit dem Video- und Live-Broadcastingprojekte professionell umgesetzt werden können, sondern auch der Co-Working-Space, der eine unverbindliche und zeitlich flexible Nutzung eines Arbeitsplatzes bietet, wurde fertiggestellt. Dem Thema „Co-Working im ländlichen Raum, Trend oder Utopie“ widmete sich Michael Lobeck, der als Berater in unter anderem als Moderator und Berater in der Stadt- und Regionalentwicklung arbeitet.

Co-Working – Trend und Utopie

Lobeck erklärte, dass „Co-Working“ sowohl ein Trend als auch Utopie sei. Es sei ein Trend, weil im Moment sehr viele Spaces gegründet würden, es viele unterschiedliche Menschen – auch gerade im ländlichen Raum – anspreche. Ein wesentlicher Grund: Man brauche eben nicht viel: einen Raum, Wlan, Tisch, einen Stuhl, eine Kaffeemaschine, optional einen Drucker – den Laptop bringen Sich die Menschen in der Regel selbst mit. „Das sind alles Investitionen, die sehr überschaubar sind.“

Eine Utopie sei es seiner Meinung nach aber auch deshalb, weil diese Spaces den ländlichen Raum nicht retten würden. Studien kamen zu dem Entschluss, dass man sich trotz des Trends in einer Phase befinde, in denen sie sich kurzfristig nicht rechnen – „man braucht auch irgendeine Art von Quersubventionierung“, betonte er.

Digitale Fitness als Problem

Betriebswirt Gerald Lembke, der in der Medienbranche als Experte für den Umgang mit digitalen und sozialen Medien gilt, beobachtet seit Jahren die Digitalisierungspolitik. Nicht alles, was in den letzten beiden Koalitionsverträgen der Bundesregierung drinsteht, sei auch realisiert worden, merkte er an, betonte jedoch auch, dass das Thema Digitalisierung immer unter dem Top 3 auf der Agenda war.

Lembke ging in seinem Impulsvortrag unter anderem darauf ein, dass sich viele Menschen, gerade die Generation Ü45, schwer tun würde, die digitalen Technologien auszuprobieren, daran Spaß zu haben und zu schauen, was man wirklich mit ihr bewegen könne. „Wir brauchen ein digital-fittes Deutschland.“ Es mache keinen Sinn, auf die junge Generation zu schimpfen. Natürlich gebe es auch Suchtgefahr der digitalen Medien und Risiken, aber deshalb könne man sie ja nicht abschaffen und auf die Potentiale verzichten.

„Wir werden in eine hybride Arbeitswelt wachsen, ob wir das wollen oder nicht. Wir werden viele Unternehmen haben, die weniger Wert auf Präsenz legen“, so Lembke. „Wie können wir in einer zunehmenden virtuellen Arbeitswelt Vertrauen aufrechterhalten und schaffen?“ – das sei für Lembke eine Herausforderung.

Die Digitalisierung dringt nicht durch

Dass sich die ganze Bundesregierung mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen müsse, das betonte Kanzleramtschef Dr. Helge Braun in der Talkrunde mit Torsten Schneider, der Hessischen Staatsministerin für Digitale Strategie und Entwicklung Prof. Dr. Kristina Sinemus und Gerald Lembke. Das zentrale Problem der Digitalisierung in Deutschland sei die Umsetzungsgeschwindigkeit.

Auch auf Bundesebene bräuchte es ein Digitalministerium, eine gebündelte Koordinierung und jemanden, der die Themen auf der jeweiligen Ebene in den Ministerien umsetze. Dass es ein solches Ministerium in Hessen gibt, ist laut Sinemus eine „richtige und gute Entscheidung“ gewesen. „Ich halte es für wichtig, dass wir das Thema an einer Stelle bündeln und so die Zukunft gestalten.“

Wichtig sei es jedoch, dass die Grundlagen geschaffen werden, denn einen flächendeckenden Glasfaserausbau gibt es noch immer nicht. Selbst wenn die Menschen die Chance haben, sich einen Glasfaseranschluss kostenfrei zu sichern – wie jetzt hier im Vogelsberg durch die TNG – greifen nicht alle zu. „Wir haben in den letzten Jahren verschlafen, die Menschen über Digitalisierung zu informieren“, so Lembke. Dieses Problem gebe es aber nicht nur in Deutschland.

„Am Geld scheitert es nicht, wir haben 12 Milliarden Euro für den Breitbandausbau bereitgestellt“, betonte Braun. Wie Sinemus erklärte, habe sich in den letzten zwei Jahren die Breitbandverfügbarkeit im Vogelsberg um 25 Prozent verbessert. Es gebe aber eben, so Braun, viele Leute, die außer surfen und E-Mails schreiben nichts machen, die also mit ihrer jetzigen Bandbreite zufrieden seien und so keinen Handlungsbedarf sehen.

„Daran darf es nicht hängen bleiben“, so der Kanzleramtschef. Wenn jetzt beispielsweise wie bei der TNG eine Beteiligung von 40 Prozent vorausgesetzt wird, dürfe der Ausbau nicht scheitern, wenn sich beispielsweise nur 15 Prozent für einen Anschluss entscheiden. Hier könnte der Bund mit Fördermitteln eingreifen, sodass solche Vorhaben dennoch realisiert werden können.

Verschiedene Förderprogramme für die Region

Einen Einblick, welche Fördermittel es in Sachen Digitalisierung bereits in Hessen gibt, gab die Digitalministerin und nannte hierbei unter anderem den „DIGI-Zuschuss“. Ziel des DIGI-Zuschusses ist es, Betrieben die Möglichkeit zu bieten, ihren individuellen Digitalisierungsfortschritt in den Bereichen Produktion und Verfahren, Produkte, Prozesse und Dienstleistungen oder Strategie und Organisation des Unternehmens zu realisieren.

So gibt es aber auch das relativ neue Förderprogramm „Distr@l: Digitalisierung stärken – Transfer leben“, das mit seinen vier Förderlinien in den Bereichen digitaler Innovationen sowie Forschung und Entwicklung ein bedarfsgerechtes Förderprogramm zur Digitalisierung bietet. Viele Menschen hätten gegenüber neuen Medien aber noch eine Antipathie“, so Lembke. Für ihn sei es wichtig, dass diesbezüglich auch sekundäre Fähigkeiten, wie beispielsweise Kreativität gefördert werden, die die Menschen an neuen Technologien heranbringt – sprich, das Pferd quasi von Hinten aufgezogen wird.

Torsten Schneider fragte abschließend in die Runde, welche Förderprogramm für die Region in Frage kommen würden, um hier „digital vorangehen“ zu können. Helge Braun sagte in dem Zusammenhang seine Unterstützung für eine Bewerbung aus der Region für das Landesprogramm „Smart Region“ zu, das laut Staatsministerin passend sei und aktuell auch noch liefe. Auch Wirtschaftsdezernent Jens Mischak war in einer späteren Talk-Runde gewillt, „sich das zumindest anzuschauen“ und er wolle das Gespräch diesbezüglich suchen.

Glasfaser als Fundament digitalen Erfolgs

Dass eine schnelle Internetverbindung durch Glasfaser nicht nur im privaten Bereich wichtig für die Zukunft ist, das erklärte Raphael Kupfermann von der TNG Stadtnetz GmbH. „Es gibt auch andere Bereiche die nicht vergessen werden dürfen. Glasfaser ist das Fundament der Digitalisierung“, betonte er.

Auch im Mobilfunkbereich müsse jeder Mast mit Glasfaser ausgerüstet sein und auch in der Landwirtschaft spiele Glasfaser eine wichtige Rolle, Stichwort „Smart Farming“, bei dem es darum geht, Geräte, Maschinen und Systeme miteinander zu vernetzen, um landwirtschaftliche Prozesse zu optimieren. „Ein anderes Thema im ländlichen Raum ist die Gesundheit“, so Kupfermann. So sei der „klassische Landarzt“ ein Auslaufmodell. Deshalb sei es umso wichtiger, dort wo es noch Praxen gibt, eine Digitalisierung zu schaffen, beispielsweise für Ferndiagnostik.

Es waren aber noch viele weitere spannende Diskussionen und Impulsvorträge, die sich der Digitalisierung und neuen Arbeitsformen im ländlichen Raum widmeten. So gab unter anderem Ugur Limoncu einen Einblick in hybride Veranstaltungen mit weframe, Stephan Hausner und Andreas Rathgeb stellten das Unternehmen CGI mit ihrem Standort im Alten Postamt vor, Andreas Weckwert von nature office widmete sich den Grünen Unternehmen und der positiven Klimabilanz als Chance und im Impulsvortrag von Dr. Sachiko Scheuing ging es um das Thema „Global arbeiten im ländlichen Raum“.

Sie haben den Live-Stream verpasst? Kein Problem, hier gibt es nochmal die spannenden Diskussionen und Vorträge zum nachschauen.

Torsten Schneider Altes Postamt Alsfeld: Status Quo & Vorstellung Altes Postamt Alsfeld (Ab Minute 16:50)

Ugur Limoncu weframe ag: Hybride Veranstaltungen mit weframe – Potentiale ausschöpfen (Ab Minute 39)

Prof. Dr. Gerald Lembke, DHBW Mannheim: Wie verändert Digitalisierung Deutschland? (Ab Minute 49:30)

Podiumstalk: Wie verändert die Digitalisierung den ländlichen Raum? (ab Stunde 1:02)

Stephan Hausner, Andreas Rathgeb, CGI Deutschland: Neuer CGi Standort in Alsfeld, Gründe und Visionen. (Ab Stunde 1:46:38)

Podiumstalk: Fördermöglichkeiten jetzt erfolgreich einsetzen (Ab Stunde 2:03:50)

Andreas Weckwert, nature office, Grüne-Unternehmen – die positive Klimabilanz als Chance ( Ab Stunde 2:47:16)

Michael Lobeck, promediare, Co-Working im ländlichen Raum – Trend oder Utopie? (Ab Stunde 3:08:50)

Podiumstalk: Wie können wir die Chancen im Vogelsberg nutzen? (Ab Stunde 3:28:32)

Dr. Sachiko Scheuing, Acxiom/FEDMA, Global arbeiten im ländlichen Raum (Ab Stunde 4:29:27)

Raphael Kupfermann, TNG Stadtnetz GmbH, Glasfaser als Fundament erfolgreicher Digitalisierung (Ab Stunde 4:48:26)

Ein Gedanke zu “„Wir brauchen ein digital-fittes Deutschland“

  1. An dem Glasfaser Ausbau kann jeder sehen das wir unfähig sind wenn es um Fortschritt geht so ein Zirkus gibt es in keinem Land der Erde.Wo wir sind ist nicht vorn, sondern hinten.

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