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„Das Beste vom Guthen“ auf der bühne rôtbuchePop-Kabarett eines Bühnen-Singles

ALSFELD (ol). Zwei Freunde sitzen auf den Stufen am Bachlauf, quatschen entspannt. Auf der Bank neben der Rotbuche scheinen sie ihre Unterhaltung später bei einem kühlen Getränk fortzusetzen. Ganz normale Kumpels eben, wie all die anderen, die sich sonst noch so im Garten des hôtel villa raab tummeln. Kurz nicht hingeschaut, stehen diese beiden Kerle plötzlich auf der Bühne im Scheinwerferlicht.

Die „Normalos“ sind die Protagonisten des Abends – und gerade da sie so herrlich normal und authentisch sind, haben sie die Zuschauer am Freitag in ihren Bann gezogen: Denn der normale Alltagswahnsinn mit all seinen Dramen hat aus einer anderen Perspektive so viel Humorvolles, was pointiert erzählt, Lachsalven auslösen kann. Der Erzähler an diesem Abend: Martin Guth.

Martin Guth – Kabarettist, Autor, Kolumnist und Moderator – ist zweifacher Vater und ein ganz einfacher Mann, so beschreibt er sich zumindest selbst. Zusammen mit seinem Freund Dietrich Faber war er bis 2012 ein Teil des Kabarettduos „FaberhaftGuth“. Das Duo gewann mehrere Preise, darunter den „Kölner Comedy Cup“ sowie die Kleinkunstpreise „Stuttgarter Besen“ und „St. Ingberter Pfanne“, heißt es in der Pressemitteilung der Villa Raab.

Seit 2013 ist der gebürtige Butzbacher erfolgreich auf Solopfaden unterwegs und machte auf der bühne rôtbuche am Wochenende Halt auf seiner gerade nach Corona wieder frisch gestarteten Tour. „Das Beste vom Guthen“ hieß das Programm, das er mitgebracht hatte. Hinter den Kulissen verriet er, dass er da nur das spielt, was bei den Zuschauern gut ankommt und vor allem ihm aber auch selbst noch Spaß macht zu zeigen. „Wenn ich keine Lust mehr darauf hätte, würde ich es nicht spielen, egal wie gut das Publikum es findet.“ Und seine Freude an dem, was er in seinem rund zweistündigen Programm zum Besten gab, war deutlich zu spüren.

Worte. Wortspiele. Pointierte Wortnummern. Das ist die Welt von Martin Guth, der gleich nach dem Abitur mit Kumpel Dietrich die Bühne suchte und damit Erfolg hatte. Wer an dem Abend ein klassisches Kabarett erwartet hatte, hatte sich geirrt. Was Martin Guth ablieferte, war eher ein Pop-Kabarett oder eine Chanson-Comedy gepaart mit situativen Stand-up-Passagen und humorvollen Leseparts aus seinen Büchern, rezitierenden Zeitungsfauxpas oder Highlights aus den Aufsätzen der Schüler seiner Frau, der Deutschlehrerin.

Ganz viel Humor

Der rasante Wechsel zwischen versteckt-bissiger Gesellschaftskritik und niveauvollem, aber manchmal auch doppeldeutigen Nonsens, gespickt mit Alltagssatirischem sorgte ordentlich für Lachtränen im Auditorium. Guth erzählte, las und sang – unterstützt vom Butzbacher Musiker Johannes Napp – und holte dabei vor allem seine Bühnen-Familie mit Heike, Hanna und Lina ins Scheinwerferlicht, so glaubhaft erzählt, dass man sicherheitshalber noch mal nachfragen musste, ob privat Zuhause alles in Ordnung sei.

Denn „Heike“ hatte „Martin“ betrogen, so musste der Mitvierziger, der kurz vor seiner Midlifecrisis stand, plötzlich wieder bei seinen Eltern unterkriechen, als Teilzeit alleinerziehender Vater Shopping-Sonntage in der Zeil verbringen, sich bei Douglas und Hollister durchkämpfen, wobei er überhaupt nicht verstand, warum Frauen – selbst seine kleinen – sich das antaten. Gäbe es doch alles im Baumarkt und dazu noch günstiger, schließlich ging es da ja nur darum: renovieren.

Martin Guth und Musiker Johannes Napp. Foto: Anja Kierblewski

Guth schlug sich auch mit komplizierten Mathematikaufgaben herum und verstand nicht, wie er die Textaufgabe „Dreiviertel unserer Familie wohnen in einer Doppelhaushälfte in unserem Stadtviertel, Heike ist der Zähler und die Kinder sind der einfachste gemeinsame Nenner…“ lösen soll. Das Ergebnis: Wie zuvor erwähnt, zurück in Mamas Schoß, die sich doch tatsächlich erdreistete mit ihrem Mann – seinem Vater – vier Tage mit der Kirchengemeinde einen Ausflug zu machen und nicht für ihren Jungen vorzukochen.

Glücklicherweise gab es keine Altersbeschränkung, so dass Martin mitfahren konnte – als 16-Jähriger hätte er sich über sturmfrei noch gefreut, als Neu-Single in den Vierzigern, eher nicht. Spontan verarbeitet er das Thema des Alterns in einem seiner durchaus tiefsinnigen Songs, in dem er über das Wachsen seiner Nasenhaare, das Ausgehen der Kopfhaare und die schönste Haarpracht, die ihm aus dem Ohr schieße, sinnierte. Er überlegte, wie er von dem zweiten Markt wieder wegkomme und philosophierte, ob Elitepartner für „Übriggebliebene“ tatsächlich der richtige Name sei.

Guth verfolgte aber auch den Rat seines Psychologen, auf der Bühne all dies zu verarbeiten, was ihn in seinem Leben traumatisiert habe – unter anderem das Mobbing in der Schule, da er aufgrund seiner Zahnspange ein schiefes Lächeln gehabt hatte, dass durch seine Pickel noch richtig betont wurde. Aber auch die Bundesjugendspiele wurden thematisiert – zur Freude aller Anwesenden, die wohl genauso darunter gelitten hatten und schnell den Refrain zu Lenard Cohens „Hallelujah“-Melodie voller Inbrunst mitsangen.

Verbindung zum Publikum

Ja, mit dem witzigen Kahlschlag durch den Beziehungs-Dschungel eines hilflosen Neu-Singles und alleinerziehenden Vaters, gespickt mit den großen Dramen des Alltäglichen, konnte sich scheinbar jeder Zuhörer identifizieren und so schien im Laufe des Abends ein Band zwischen dem „einfachen Mann“ auf der Bühne und seinem Publikum zu wachsen, so dass sie diesen laut Pressemitteilung gar nicht gehen lassen wollten, als er zum Finale ansetzte, in dem er sich im Perspektivwechsel übte und sich für mehr Optimismus aussprach. „Früher haben wir gesagt, andere Mütter haben auch schöne Töchter“, erinnerte sich der Fake-Single. „Heute sagen wir andere Töchter haben auch schöne Mütter… und später wird es heißen, andere Bewohner haben auch schöne Betreuer!“

Ja, Optimismus hat schon was Gutes, vor allem wenn man wieder auf der Suche nach einem neuen Lebensabschnittsgefährten ist. Er schreibt dann zum Bespiel gerne Lieder und singt sie seiner Angebeteten vor – in dem Fall der Bäckereifachverkäuferin: „Du bist meine Sahneschnitte…(…) dir hol ich die Zimtsterne vom Himmel“. Hätte er vielleicht weniger von den Puddingteilchen gesprochen, die er länger halten und kneten möchte und von anderen leicht sexistischen Ausrutschern, hätte es vielleicht geklappt.

Den Zuschauern bewies er mit diesen Gesangseinlagen einmal mehr, seine gekonnte Wortakrobatik und die Liebe zur deutschen Sprache – auch zum Dialekt, dem hessischem natürlich. So gab er nach geforderter Zugabe noch mal seine abgewandelte Version von „Die Hesse komme“ zum Besten, bevor Singer-Songwriter Johannes Napp, der Guth den ganzen Abend instrumental bei seinen Rock, Pop und Jazz-Variationen unterstützte, das zweite eigene Lied zu Gehör brachte: „Auf dem Weg…“ mit denen die beiden Künstler ihr Publikum nach einem gemeinsamen kurzweiligen Abend in die Nacht verabschiedeten.

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