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Schüler der Max-Eyth-Schule Alsfeld pflanzen Baum an der Gedenkstätte Haus Speier in AngenrodBirnbaum erinnert an Opfer

ANGENROD (ol). Sie wollen „ein Zeichen setzen, dass es weitergeht“ und pflanzen einen Baum: Dieser Tage haben Ivonne Pfohl, Moritz Bierwirth und Jannis Kimm im Hof der Gedenkstätte Haus Speier einen Birnbaum eingepflanzt.

In der Pressemitteilung heißt es, mit einiger Mühe gruben sie das Pflanzloch für ein Exemplar von „Gellerts Butterbirne“. Erschwert wurde die Arbeit durch die Ziegelreste und Splitter im Erdreich des Hauses an der Bundesstraße in Angenrod. Die Scherben erinnern an die turbulente Geschichte des Anwesens. Der junge Birnbaum stehe anstelle eines prächtigen Birnbaums, den Hauseigentümer Leopold Speier im September 1942 umgesägt habe.

Kurz danach wurde der Familienvater mit Ehefrau, zwei Kindern und vier weiteren Angenröder Juden von der Polizei verschleppt und später ermordet. Nach einem Augenzeugenbericht, der auf den Autor Ingfried Stahl verweist, wollte der Hauseigentümer das leckere Obst nicht seinem Nachfolger überlassen und hat den Baum kurzerhand umgesägt.

Erinnerungen an die letzten jüdischen Mitmenschen

Auf diese Begebenheit stießen die drei Schüler der 12. Klasse der Fachoberschule der Max-Eyth-Schule Alsfeld im Unterrichtsprojekt „Alsfeld entdecken“. Dabei kooperiert die Schule mit dem Verein Gedenkstätte Speier Angenrod, der das Speierhaus als außerschulischen Lernort zur Geschichte der Landjuden saniert und eingerichtet habe. In Angenrod waren um 1861 knapp 42 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner jüdischen Glaubens. Die Ausstellung im Speierhaus handele vom Zusammenleben im Dorf, den Kontakten im Alltag und Berufsleben sowie der Ausgrenzung und Ermordung im dritten Reich.

Dass auch Vogelsberger im Jahre 1942 deportiert und getötet wurden, finden die Schüler nach eigenen Aussagen erschreckend. Unter den Angenrödern, die im September 1942 vor dem Haus der Familie Speier in einen Lkw geladen wurden, waren auch die erst neunjährige Liselotte Speier und ihr 14-jähriger Bruder Alfred.

An die letzten Jüdinnen und Juden von Angenrod wollen die Schüler mit ihrer Aktion erinnern. In Absprache mit dem Gartenbaubetrieb Räther suchten sie einen geeigneten Baum aus. Eine Spende der Zement- und Kalkwerke Otterbein unterstützte die Pflanzaktion, an der auch Vertreter des Speierhaus-Vereins teilnahmen. Einen großen Dank richten hierbei die Schüler den Zement- und Kalkwerken Otterbein, die den Baum und einen Sack Weißkalkhydrat gespendet hatten.

3 Gedanken zu “Birnbaum erinnert an Opfer

  1. Die Aktion ist gut nur zu spät, in den fünfziger Jahren hätte das sein müssen da haben die Täter noch gelebt und sie waren alle in den Dörfern und Städte bekannt.

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    1. Die „Judenhäuser“ der emigrierten oder zumeist deportierten ursprünglichen Besitzer waren in der Nazizeit ein beliebtes Ziel von Schnäppchenjägern. Und die Versteigerungen jüdischen Hausrats erreichten auch in oberhessischen Städten und Gemeinden geradezu Volksfestcharakter (siehe https://www.mdr.de/zeitreise/schwerpunkte/die-versteigerer-juden-im-dritten-reich-100.html). Um die Erinnerung an dieses Unrecht wach zu halten, ist keine Aktion „zu spät“, sondern immer wieder notwendig. Ein Birnbaum ist dabei ein besonders gutes Symbol der Erinnerungskultur, weil in den Birnen der Kritiker solcher Aktionen oft große Dunkelheit herrscht.

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  2. Die Aktion ist toll und aller Ehren wert. Vor allem ein Lob an die Schüler, die sich für dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte interessieren.

    Warum man allerdings derart prominent erwähnen muss, wenn eine Firma einen Baum (zehn Euro?) und einen Sack Dünger (zehn Euro?) spendet, verstehe ich nicht.

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