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IG Bau: "Teurer Wohnraum mitverantwortlich"Auch in Zeiten von Lockdown und Homeoffice: Zahl der Pendler im Vogelsberg bleibt hoch

VOGELSBERG (ol). Wenn Lebenszeit im Stau verloren geht: Auch in Zeiten von Lockdown und Homeoffice bleibt die Zahl der Pendler im Vogelsbergkreis auf einem hohen Level. Im vergangenen Jahr verließen rund 18.300 Menschen auf dem Weg zur Arbeit die Kreisgrenzen, darauf macht die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) aufmerksam.

In der Pressemitteilung der IG Bau heißt es, die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Demnach stieg die Zahl der sogenannten Auspendler im Vogelsbergkreis um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zu den Hauptursachen für die anhaltend großen Pendelströme zählt nach Einschätzung der IG BAU Mittelhessen der teure Wohnraum in den Städten.

„Nach jahrelangen Mietsteigerungen können sich viele Beschäftigte das Leben am Arbeitsort nicht leisten. Ihnen bleibt als Alternative oft nur stundenlange Fahrerei mit dem Auto oder der Bahn“, so Bezirksvorsitzende Doris Hammes. In der Baubranche seien weite Anfahrtswege besonders verbreitet. Es dürfe aber nicht sein, dass Bauarbeiter, die in den Ballungsräumen Wohnungen bauten, sich diese selbst nicht mehr leisten könnten.

Die IG BAU fordert deshalb mehr Anstrengungen bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. „Deutlich mehr Wohnungen, die sich in den Städten auch Gering- und Normalverdiener leisten können, sind ein entscheidender Beitrag, um die Pendler-Zahlen zu verringern“, sagt Hammes. Dafür müsse die Politik klare Vorgaben machen, etwa indem kommunale Grundstücke nicht an den Meistbietenden verkauft würden, sondern an Bauherren, die sich zu bezahlbaren Mieten verpflichteten. Beim sozialen Wohnungsbau müssten die staatlichen Fördermittel massiv aufgestockt werden und einmal gebaute Sozialwohnungen dauerhaft preisgebunden bleiben.

Dass Menschen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen können, sei nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökologische Frage: „Weniger Pendelei bedeutet für die Betroffenen mehr Zeit für die Familie, Freunde und Hobbys. Gleichzeitig kann ein erheblicher Teil der CO2-Emissionen im Verkehrssektor eingespart werden“, so Hammes weiter.

Nach Angaben der Arbeitsagentur verließen im vergangenen Jahr bundesweit vier von zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf dem Weg zur Arbeit die Grenzen ihrer Stadt oder ihres Landkreises. Damit erreichte die Zahl der Fern-Pendler trotz Pandemie einen Höchststand von 13 Millionen.

8 Gedanken zu “Auch in Zeiten von Lockdown und Homeoffice: Zahl der Pendler im Vogelsberg bleibt hoch

  1. Wäre es nicht auch denkbar, dass aufgrund der Pandemie weniger Fahrgemeinschaften gebildet wurden und daher die Zahl der pendelnden PKWS nicht verringert wurde? Auch viele Bahnfahrer*innen waren ggf. zumindest zeitweise auf PKWS angewiesen.

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  2. Bei den meisten Auspendlern aus dem Vogelsberg handelt es sich um Menschen, die traditionell und oft seit Generationen (preiswert! Wohneigentumsquote 70 Prozent!) im Vogelsberg leben, aber in ihrer Heimat keine adäquaten (qualifizierten und gut bezahlten) Arbeitsplätze finden, und nicht um solche, die traditionell in den Ballungsräumen arbeiten und sich die dortigen Mieten nicht leisten können. Es gibt aber auch Einpendler in den Vogelsberg, die in zumeist schlechter bezahlten Branchen (Pflege!) und Mangelberufen arbeiten. Insofern wird das Problem hier völlig verquer dargestellt (Es kann nicht sein, dass…). So billig, dass ein Vogelsberger in der Nähe seines Arbeitsplatzes wohnen könnte, kann man in den Metropolen und ihren Umland niemals bauen. Was sollen also diese sonderbaren Gewerkschaftsforderungen („Deutlich mehr Wohnungen, die sich in den Städten auch Gering- und Normalverdiener leisten können, sind ein entscheidender Beitrag, um die Pendler-Zahlen zu verringern“)? Da werfen sich wohl gut bezahlte Gewerkschaftsbonzen mal wieder für „Probleme“ in die Bresche, die sie wohl nur von den grünen Tischen ihrer klimatisierten Büros (natürlich in den teuren Ballungsräumen) kennen. Die einzig logische Forderung hieße doch wohl: „Qualifizierte Arbeitsplätze aufs Land!“

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    1. Ein sehr guter Beitrag, dem nichts hinzuzufügen ist.

      Gerade die Verwaltung sollte sich in einem föderaleren Staat deutlich stärker dezentral aufstellen und nicht auch noch die nächsten sein, die jedes größere Ministerium, Amt, etc. zusätzlich in den Ballungsräumen haben.

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    2. aus keiner richtigen Tatsache. Und die lautet, dass der Vogelsbergkreis weit davon entfernt ist, seine Bevölkerung durch die eigene Wirtschaft ernähren zu können. Und das mit offensichtlich wachsender Tendenz. Stattdessen pendeln viele in die umliegenden Regionen aus. Und zwar nicht nur in die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main, wie ständig berichtet wird, sondern viel stärker in Stadt und Landkreis Fulda, Wetteraukreis, Kreis Gießen, Kreis Marburg-Biedenkopf, Schwalm-Eder-Kreis, Kreis Hersfeld-Rotenburg usw.! Kann man hier nachlesen: https://www.pendleratlas.de/hessen/vogelsbergkreis/
      Und jetzt sollen in allen Nachbarkreisen, in die aus dem Vogelsberg ausgependelt wird, billige Wohnungen gebaut werden, damit die Lebenszeit der Pendler nicht mehr auf der Straße verloren geht und jeder in der Nähe seines Wohnorts arbeiten kann? Und das fordert ausgerechnet die IG-Bau, deren Mitglieder ständig die Baustellen wechseln müssen und nur zu einem geringen Teil ständig am Standort ihrer Baufirma beschäftigt sind? So ein Unfug!

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  3. Ja Leute es kann nicht jeder Knöpfe drücken am pc zu Hause.
    Es muss auch angepackt werden in Deutschland.
    Dass vergessen nur sehr viele.
    Handwerk wird gebraucht

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    1. Was Handwerk wert ist bzw. überhaupt, dass es a-u-c-h was wert ist, merken die meisten erst, wenn die Handwerkerrechnungen ins Haus flattern. Da stellen sie dann fest, dass sie von dem Geld, das ab 16 oder 18 aufs Konto kam und dann kontinuierlich gezahlt wurde, mindestens so gut gelebt hätten wie von den Praktika, Zeitverträgen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, halben Stellen und der ganzen löcherigen Erwerbsbiografie von 35 bis 65. Viele Studierte und akademisch hoch Dekorierte geben an der Uni kostenlose Proseminare, weil sie bei längeren Beschäftigungspausen ihre Lehrbefugnis verlieren. Und natürlich pendeln die zur Hochschule, weil sie sich die Mieten in Universitätsstädten nicht leisten können.
      Dafür haben Politik und Verwaltung oft goldenen Boden (siehe Goldhelg 20!). Mit geschickten Händen und guten Beziehungen lässt sich so einiges einfädeln. Politik kann sich sehr lohnen dank Korruption und Provisionen!

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      1. Niemand würde es wagen, einen Handwerksgesellen so schlecht zu behandeln wie 90% des akademischen Nachwuchses behandelt werden. Gerhard Schröders Programm für Elite-Universitäten hat vor allem ein akademisches Prekariat hervor gebracht, getreu dem Sozen-Motto „Armut für alle!“. Ausgenommen sind nur die, die über politische Ämter oder Beziehungen an halb legale oder illegale Fresströge kommen oder schon kurz nach der politischen Karriere von zwielichtigen Potentaten und Wirtschaftsbossen mit lukrativen Anwaltsmandaten, Millionenvorschüssen für Bücher, die sich nicht verkaufen oder Aufsichtsratsposten in den Branchen versorgt werden, denen sie während ihrer Amtszeiten Vorteile verschafft haben.
        Wir zieh’n, Wir zieh’n, Wir ziehen nach Berlin
        Da steht ein großes Luxushaus, da gucken Spahn und Funke raus!

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