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Initiative gegen Straßenausbaubeiträge: Frage nach Beitragsfreiheit ist ein WahlkriteriumZiel: Bürger flächendeckend befreien

GREBENHAIN (ol). Mit Blick auf die Kommunalwahl bekräftigt die Bürgerinitiative „Straßenbeitragsfreier Vogelsbergkreis“ ihre Forderung nach einer flächendeckenden Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung und stellt fest: Auch im Vogelsbergkreis gebe es bereits eine Reihe von Kommunen, die diesen Beitrag nicht mehr erheben.

Die Initiative ist eine Arbeitsgemeinschaft lokaler Bürgerinitiativen im Vogelsbergkreis mit nach eigenen Angaben gut 5.500 Unterstützern aus allen Kommunen. Sie fordert seit langem die Abschaffung der Straßenbeiträge im hessischen Kommunalabgabengesetz beziehungsweise die Abschaffung der Straßenbeiträge in allen Städten und Gemeinden im Vogelsbergkreis.

Ein Relikt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts

Straßenbeiträge seien ein Relikt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts, heißt es in einer Pressemitteilung. Heute würden in einer mobilen Gesellschaft nicht nur Autobahnen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen, sondern auch Gemeindestraßen als Teil der öffentlichen Infrastruktur von jedem genutzt. Sie sollten deshalb im Rahmen der allgemeinen Daseins-vorsorge wie Kita’s, Schulen, Krankenhäuser und Schwimmbäder von allen bezahlt werden. „Eigentümer der Straßen und Gehwege sind nicht die Anlieger, sondern die öffentliche Hand und damit Träger der Baulast.“

Straßenbeiträge seien ungerecht und unsozial. Sie treffen keinesfalls nur Eigentümer von großen Liegenschaften, sondern in ihrer weit überwiegenden Anzahl insbesondere Eigentümer von Ein- und Mehrfamilienhäusern, also junge Familien sowie Menschen mit Alterswohnsitz. Da die ständig steigenden Ausbaukosten für die Straßen bei ausgeweitetem Ausbaustandard in Millionenhöhe nicht selten zu fünfstelligen Anliegerbeiträgen führen, sei die Belastung für die Eigentümer relativ hoch.

Rücklagen für Straßen aufgeben?

Dies habe für die Betroffenen zur Folge, dass zum Beispiel Rücklagen für die Altersvorsorge aufgebraucht werden oder aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes notwendige energetische Gebäudeinvestitionen nicht vorgenommen werden können. Im Extremfall kann die Heranziehung zu Anliegerbeiträgen zur Existenzgefährdung oder schlimmstenfalls zum notgedrungenen Verkauf des Objektes führen; hierfür gibt es zahlreiche Beispiele nicht nur in Hessen, sondern auch in anderen Bundesländern.

Die Ausgangslage bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (Anliegerbeiträgen) in Deutschland sei sehr unterschiedlich. So wurden die Straßenausbaubeitragssatzungen (STRABS) durch Bereitstellung entsprechender Landesmittel inzwischen in 9 von 16 Bundesländern abgeschafft, d.h. die Anlieger werden nicht zu Beitragszahlungen herangezogen. Dies ist in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Fall.

Kommunen können entscheiden

In Hessen wurden im September 2019 Anträge der Oppositionsparteien SPD/Die Linke/AfD, die eine Bereitstellung von Landesmitteln für die Kommunen als Ausgleich für entfallende Straßenbeiträge der Anlieger zum Inhalt hatten, durch Mehrheitsbeschluss von CDU/Grüne/FDP abgelehnt. Stattdessen ist es den Kommunen seit 2018 freigestellt, ob sie bei Straßenerneuerungen Straßenbeiträge von den Anliegern verlangen oder nicht. Andreas Schneider (Linden) weist als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft straßenbeitragsfreies Hessen darauf hin, dass aktuell in 157 hessischen Kommunen keine Straßenbeiträge mehr erhoben werden.

Erfreulich findet Gerold Beckmann (Grebenhain) als Sprecher der Vogelsberger Bürgerinitiative die Feststellung, dass von den Städten und Gemeinden im Vogelsbergkreis inzwischen 9 Kommunen (Alsfeld, Grebenau, Homberg/Ohm, Kirtorf, Lauterbach, Lautertal, Romrod, Schlitz und Schwalmtal) die STRABS ebenfalls abgeschafft haben. In den restlichen Kommunen im Vogelsbergkreis finden teilweise heftige Diskussionen in den Parlamenten über die Abschaffung der STRABS statt. Es sei zu erwarten, dass nach den Kommunalwahlen weitere Gemeinden die Abschaffung beschließen werden.

Wegen Corona keine Versammlungen

Aufgrund der durch die Pandemie bedingten Einschränkungen können im Vorfeld der Kommunalwahlen weder Bürgerversammlungen noch Wahlveranstaltungen stattfinden, in deren Rahmen ein breiter Diskurs geführt werden könnte. Dennoch ist die Behandlung dieses Themenkomplexes ein wichtiger Wahlprüfstein. Die Bürgerinitiative möchte verhindern, dass aufgrund der ungleichen Behandlung der Straßenbeiträge im Vogelsbergkreis die Lebensbedingungen noch ungleicher werden. „Es darf nicht sein, dass es sich anhand der Postleitzahl entscheidet, ob Bürgerinnen und Bürger Straßenbeiträge bezahlen müssen oder nicht“, lautet eine Klage. Damit dieser Flickenteppich nicht weiterhin besteht fordert die Bürgerinitiative die Abschaffung der STRABS in allen Vogelsberger Kommunen. „Wir dürfen unsere Region auch in dieser Frage im bundes- bzw. hessenweiten Vergleich nicht abhängen lassen“, so Beckmann. Schließlich habe die Bundes- und Landespolitik versprochen, gleichwertige Lebensbedingungen für alle zu schaffen.

Kandidaten nach der Einstellung befragen

Die nach dem 14. März 2021 amtierenden Kommunalparlamente in den Städten und Gemeinden werden in der nächsten Legislaturperiode darüber entscheiden, ob die Straßenausbaubeitragssatzung (STRABS) in der jeweiligen Gemeinde abgeschafft wird oder nicht. Deshalb empfehlen wir allen Wählerinnen und Wähler, im Vorfeld der Kommunalwahl bei ihren potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten zu hinterfragen, wie ihre konkrete Einstellung zur Abschaffung der STRABS ist. Die diesbezüglichen Antworten sollten ein wichtiger Wahlprüfstein sein. Straßenbeiträge kann man abwählen.

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