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50-jähriger Alsfelder wegen Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie zu einem Jahr und neun Monaten verurteilt„Die Dateien zeigen die schwerste Form des Kindesmissbrauchs“

ALSFELD (akr). Ein 50-jähriger Mann aus Alsfeld ist am Dienstagvormittag vor dem Alsfelder Schöffengericht wegen Besitz und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Bilder und Videos zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und  neun Monaten verurteilt worden.

Es ist Dienstagmorgen, 9.30 Uhr. Vor dem Alsfelder Amtsgericht muss sich an diesem Tag ein 50-jähriger Alsfelder wegen Besitzes und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Dateien verantworten. Nur wenige Minuten vorher lernt der Angeklagte seinen Pflichtverteidiger Ralf Lämmer kennen. Seinen beiden Einladungen zum Gespräch war der Mann nämlich nicht gefolgt. Er habe schlechte Erfahrungen mit Pflichtverteidigern gemacht, wird er später erklären. Ein kurzes Gespräch unter vier Augen und die beiden nehmen im Gerichtssaal Platz.

Der Mann aus Alsfeld steht nicht das erste Mal vor Gericht. Schwere Körperverletzung, Betrug, Brandstiftung oder Diebstahl – das sind nur einige seiner Vergehen, die er in der Vergangenheit beging. Dafür hat er unter anderem Bewährungs- oder Geldstrafen erhalten. Doch auch das Gefängnis hat er schon öfters von Innen sehen müssen. „Sie waren mehrmals im Gefängnis. Sie müssten doch dann wissen, dass das mit den kinder- und jugendpornografischen Dateien strafbar ist“, wundert sich der Richter Dr. Christian Süß. „Da habe ich leider nicht drüber nachgedacht“, antwortet der Mann aus Alsfeld . Das wird er noch mehrmals sagen an diesem Tag.

Einige seiner früheren Vergehen habe er dem Alkohol zu verschulden, sagt er. „Ich hatte damals ein Alkoholproblem“, erklärt der Angeklagte. Er habe sich aber dann „selbst therapiert“. Das mit dem Alkohol habe er deshalb mittlerweile in den Griff bekommen. „Seitdem ich arbeite, kann ich nicht mehr trinken“, sagt er. Generell habe sich seine Lebenssituation zum Positiven entwickelt. Der 50-Jährige hat nach eigenen Angaben einen Job, eine vernünftige Wohnung, kann den Unterhalt an seine drei Kinder zahlen. Früher sei das nicht wirklich der Fall gewesen.

Nun steht er wieder vor Gericht. Durch ein Verfahren gegen einen anderen Mann aus dem Jahr 2016 war man auf den Alsfelder aufmerksam geworden. Am 25. Juli 2018 verschickte der Angeklagte laut Staatsanwältin Dagmar Lachmann innerhalb von nur 30 Minuten mehrere Bilder via Whatsapp an zwei weitere Männer, gleiches nochmal drei Tage später. Am 30. Juli wurde daraufhin die Wohnung des Alsfelders durchsucht. Dabei fanden die Beamten auf einem Smartphone und einem Computer insgesamt 156 Bilder und 23 Videos mit kinderpornografischem sowie 54 Bilder und elf Videos mit jugendpornografischem Inhalt.

„Eine pädophile Neigung kann man nicht einfach ablegen“

„Die Dateien zeigen die schwerste Form des Kindesmissbrauchs“, betont die Staatsanwältin. Es sind Bilder, die der Richter sowohl der Staatsanwältin als auch den Schöffen gerne erspart hätte. Sie zeigen unter anderem, wie Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht werden, anal, oral, teils gefesselt. „Das war schon richtig scheiße, was ich da gemacht habe“, sagt der Angeklagte. Er gibt zu, dass er früher mal pädophile Neigungen gehabt habe, die Bilder zur eigenen sexuellen Befriedigung verwendet habe.  „Diese Neigungen hatte ich aber wieder abgelegt“, sagt er. Eine Therapie habe er nicht gemacht. „So einfach kann man diese Neigung nicht abgelegen. Entweder man hat sie oder nicht“, betont Richter Dr. Süß. Der Angeklagte schweigt.

Eigentlich habe er auch nie vorgehabt, diese Art von Bildern zu verschicken, er sei nicht gezielt aus diesem Grund dem Chat beigetreten, sondern um Frauen kennen zu lernen. Er gesteht aber, dass er es getan hat, auch den Besitz der ganzen Dateien auf seinem Smartphone und Computer streitet der Angeklagte nicht ab. „Ist Ihnen eigentlich klar, welches Leid man den Kindern antut?“, will Richter Süß wissen. „Das war mir damals nicht wirklich klar. Erst als ich ausgiebig darüber nachgedacht habe“, sagt er und verzieht dabei keine Miene.

Auf die Frage, ob der Angeklagte seine pädophilen Neigungen nicht mal behandeln lassen wolle, antwortet dieser nur kurz und knapp: „Ja, das wäre vielleicht nicht verkehrt“ – genau diese Aussage zeige, so sagte der Richter später, dass sich der Alsfelder bislang keine Gedanken über seine Tat gemacht habe. Besonders gesprächig ist der 50-Jährige nicht. Zwar streitet er keine seiner Taten ab, begründet sie aber immer wieder mit „Ich habe einfach nicht drüber nachgedacht“.

Staatsanwaltschaft fordert ein Jahr und neun Monate

Dass sich der Angeklagte die ganze Zeit über geständig zeigte, berücksichtigte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. „Er hat zwar nicht drumherum geredet, doch ich konnte auch nicht erkennen, dass eine wirkliche Auseinandersetzung begonnen hat“, betont Lachmann. Auch die Tatsache, dass er den beiden Einladungen zum Verteidigungsgespräch nicht folgte, wirkt sich im Plädoyer der Staatsanwältin nicht zugunsten des Angeklagten aus. „So eine Neigung geht nicht einfach weg. Man kann nur versuchen, nicht straffällig zu werden“, erklärt sie. Lachmann fordert schließlich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

„Ich habe dem Plädoyer nicht viel hinzuzufügen“, sagt Pflichtverteidiger Ralf Lämmer. Ihm sei durchaus bewusst, dass sich sein Mandant hier wegen eines sehr schweren Deliktes verantworten müsse. Dennoch habe er ein paar kleinere Einwände, ein paar Aspekte, die es herauszuarbeiten gebe. Zum einen die Tatsache, dass sein Mandant die ganz Zeit über reinen Tisch gemacht habe und das bereits im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen. Zum anderen, dass sich die Lebensumstände des Angeklagten verändert hätten, er eine feste Arbeitsstelle habe, nach eigenen Angaben keinen Alkohol mehr trinke und Unterhalt für seine drei Kinder zahle. Darüber hinaus habe er gesagt, dass er eine Therapie machen würde, er seine Neigungen von sich aus angehen wolle. Deshalb fordert Lämmer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.

„Die Dateien zeigen schweren sexuellen Missbrauch“

Nach einer kurzen Beratung mit den beiden Schöffen gibt Richter Dr. Süß das Urteil bekannt: Der Alsfelder wird zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. „Die aktuellen Fälle haben hier für das Gericht aber keine Rolle gespielt“, betont Süß. Damit meint er das Missbrauchsnetzwerk, das in Münster kürzlich aufgedeckt wurde. Er begründete das Urteil damit, dass man hier nicht nur einen, sondern acht Anklagepunkte habe. In sieben Fällen wegen der Verbreitung und einer wegen des Besitzes entsprechender Dateien. „Und es sind nicht einfach nur Nacktfotos. Die Dateien zeigen schweren sexuellen Missbrauch. Die Kinder sind für ihr Leben gezeichnet, sie werden kein normales Leben haben, so wie sie es verdienen“, betont Süß.

Darüber hinaus werde durch den Besitz und die Verbreitung solcher Bilder und Videos eine Nachfrage erstellt und auch bedient. Hätte man die doppelte Menge an Dateien, so der Richter, würde man nicht mal über Bewährung diskutieren. Die Frage der Bewährung habe auch immer etwas mit einer „positiven Sozialprognose“ zu tun. „Ganz einfach übersetzt bedeutet das, dass der Angeklagte das nicht mehr machen wird“, erklärt der Richter. Doch die Aussage des Angeklagten, dass eine Therapie „vielleicht gar keine schlechte Idee wäre“, habe eben gezeigt, dass dieser sich bislang keine Gedanken über seine Taten gemacht habe. Deswegen konnte es aus Sicht des Gerichts keine Bewährung für den Angeklagten geben.

„Das ist mir zu wenig. Es wäre klug gewesen, wenn sie früher zu Herrn Lämmer gegangen wären. Das Leid, das den Kindern angetan wurde, sich damit mal auseinanderzusetzen, das ist die Basis, damit man überhaupt von Bewährung sprechen kann“, betont Dr. Süß, und genau das habe der Angeklagte nicht getan. Er habe eben nicht drüber nachgedacht – aber das hat der 50-jährige Alsfelder auch mehrmals gesagt. Verteidiger Lämmer sagte später, er werde „hochwahrscheinlich“ Berufung gegen das Urteil einlegen.

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