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Der Recyclinghof, das Gebrauchtwarenkaufhaus und das Café ‚Alte Molkerei‘ werden sofort geschlossenNeue Arbeit Vogelsberg stellt Geschäftsbetrieb ein

ALSFELD (ol). Keine guten Nachrichten für die Neue Arbeit Vogelsberg mit Sitz in Alsfeld: Nachdem das zuständige Amtsgericht Gießen am 27. Dezember 2019 das Insolvenzverfahren eröffnet hat, steht jetzt fest, dass es wegen der durchweg defizitären Geschäftsbereiche keine Alternative mehr zur sofortigen Betriebsschließung gibt. Der Recyclinghof, das Gebrauchtwarenkaufhaus und das Café ‚Alte Molkerei‘ werden sofort geschlossen.

In der Pressemitteilung der Insolvenzverwalterin der Neuen Arbeit, Rechtsanwältin Julia Kappel-Gnirs heißt es, Bürgerinnen und Bürger werden gebeten, ab sofort keine Waren mehr an den Recyclinghof als auch an das Gebrauchtwarenkaufhaus anzuliefern, da keine Waren mehr angenommen werden. Auch Bezugsscheine können nicht mehr eingelöst werden.

Trotz intensiver Sanierungsbemühungen der Geschäftsleitung und der Insolvenzverwalterin Rechtsanwältin Julia Kappel-Gnirs zeichnete sich schließlich ab, dass die verlustreichen Geschäftsbereiche nicht fortgeführt werden konnten, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Von der Schließung seien zunächst rund 40 der 72 Beschäftigten betroffen.

Die Gemeinschaftsunterkunft, der Garten- und Landschaftsbau und das Sozialcoaching würden noch bis Ende des ersten Quartals 2020 weiter betrieben werden. Gleichwohl würde die Insolvenzverwalterin auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter nach Teillösungen auch für diese Bereiche suchen. Ob sich einzelne Geschäftsbereiche noch übertragen lassen und dadurch weitere Arbeitsplätze gesichert werden, entscheide sich voraussichtlich im Januar 2020.

Lösung für die Gebäudereinigung

Weiter heißt es, für die Gebäudereinigung konnte hingegen eine Auffanglösung gefunden werden. Die Gebäudereinigung Cengiz Kahraman übernehme alle Reinigungsverträge, die mit Schulen des Vogelsbergkreises bestehen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hierfür tätig sind. „Wir freuen uns, dass wir mit unseren neuen Mitarbeitern gute und motivierte Fachkräfte übernehmen können, die mit Reinigungsabläufen in öffentlichen Gebäuden reichlich Erfahrung haben“, sagt Cengiz Kahraman, der mit Reinigungsdienstleistungen bereits für diverse andere öffentliche Gebäude in der Region beauftragt wird.

„Ich bedaure es sehr, dass nicht für alle Bereiche Auffanglösungen gefunden werden konnten. Wenn eine so wichtige soziale Institution wie die Neue Arbeit Vogelsberg nicht fortgeführt werden kann, dann ist das bitter, denn sie hat seit Jahrzehnten eine besondere und überaus wichtige Bedeutung für die Menschen hier in der Region. Über den Erhalt eines nicht unerheblichen Teils der Arbeitsplätze freue ich mich dennoch sehr. Ich hoffe, dass sich für andere Teilbereiche noch weitere Interessenten Anfang 2020 finden werden“, sagt Insolvenzverwalterin Julia Kappel-Gnirs.

Ursache der Insolvenz seien verschiedene Faktoren wie verstärkte öffentliche Ausschreibungen der Auftraggeber und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene und schließlich der Umstand gewesen, dass die Neue Arbeit Vogelsberg bei zwei wichtigen Projekten im Ausschreibungsverfahren in 2019 keine Berücksichtigung gefunden habe.

In Folge dessen musste das Unternehmen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit beim Amtsgericht Gießen einen Insolvenzantrag stellen, heißt es in der Pressemitteilung. Die Träger, der Vogelsbergkreis und das Evangelische Dekanat Vogelsberg, konnten, nachdem sie über viele Jahre die gemeinnützige Gesellschaft finanziell gestützt hatten, weitere finanzielle Hilfen nicht mehr leisten. Die Tochtergesellschaft Neue Dienste Vogelsberg NDV GmbH sei als eigenständige Gesellschaft von der Insolvenz nicht betroffen und werde unverändert fortgeführt.

6 Gedanken zu “Neue Arbeit Vogelsberg stellt Geschäftsbetrieb ein

  1. „Der Recyclinghof, das Gebrauchtwarenkaufhaus und das Café ‚Alte Molkerei‘ werden sofort geschlossen.“
    Man könnte heulen! Die ganze Palette alternativer Arbeit und Kultur mit einem Streich platt gemacht. Aber dann Plakatwände zur Förderung des Selbstbewusstseins der Vogelsberger aufstellen (https://www.oberhessen-live.de/2018/11/12/plakataktion-fuer-ein-neues-vogelsberger-selbstbewusstsein/). Und diejenigen, um deren Selbstbewusstsein man sich sinnvollerweise die größten Sorgen machen sollte, stehen jetzt auf der Straße. Die Kosten aus fehlgeleiteten Fördermitteln und Folgen des sozialen Kahlschlags dürften sich auf ein Mehrfaches der ersparten Zuschüsse aufsummieren. Macht aber nix, so lange da keiner mal nachrechnet. Merke: Selbstbewusstsein ist nur was für reiche Leute und wohl genährte Haustiere.

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  2. Hier muss mal dringend ein Untersuchungsausschuss für Klarheit sorgen, sehe viel trübes Wasser.

  3. Ein Versagen der Politik, des Kreisausschuss. Die Neue Arbeit hat eine Aufgabe für öffentliche Hand wahrgenommen, konkrete Maßnahmen die bei der Politik nur in der Rhetorik leben. Unglaublich

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  4. „Ursache der Insolvenz seien verschiedene Faktoren wie verstärkte öffentliche Ausschreibungen der Auftraggeber und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene und schließlich der Umstand gewesen, dass die Neue Arbeit Vogelsberg bei zwei wichtigen Projekten im Ausschreibungsverfahren in 2019 keine Berücksichtigung gefunden habe.“
    Was heißt das im Klartext? Den Einrichtungen des zweiten Arbeitsmarkts wird der Boden entzogen, indem man sie immer stärker den Bedingungen des ersten Arbeitsmarkts inklusive Lohndrückerei, prekärer Beschäftigung, überbürokratisierter Ausschreibungsverfahren usw. aussetzt. Was fleißige soziale Arbeit vorn mit den Händen aufbaut, wird mit dem neoliberalen Kapitalistenarsch wieder umgestoßen. Schlechte Nachrichten für die „Neue Arbeit“? Schlechte Nachrichten für uns alle! Aber jetzt bitte keine Krokodilstränen von den bisherigen Trägern. Hauptsache, die „Vogelsberg-Consult“ konnte gerettet werden – mit Planstellen im öffentlichen Dienst. Da sind wir aber froh.

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      1. Die neue Arbeit Vogelsberg dürfte insgesamt ein Rettungsanker für all diejenigen gewesen sein, deren Leben sie Sinn und Struktur gegeben hat: als Arbeitsplatz, als Anlaufstelle, als preiswerte Einkaufsquelle usw. Dass darüber einfach zynisch hinweg gegangen wird, obwohl gerade die nicht-materiellen Leistungen und Wirkungen solcher Sozialprojekte wissenschaftlich bestens erforscht sind und außer Frage stehen, ist der eigentliche Skandal. Dass da nun ein paar Namen auftauchen, die man auch von anderen Funktionen her kennt und vielleicht sogar der eine oder andere mit seiner Leitungsaufgabe überfordert war, rechtfertigt es m.E. nicht, hier eine Verflechtungsdebatte anzuzetteln. Die einzige hier dokumentierte „Verflechtung“, nämlich die Kooperation zwischen Evangelischem Dezernat und Kommune (Landkreis), war absolut sinnvoll.

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