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Eine Chronologie der Ereignisse rund um die Villa RaabVilla Raab: Wie Alsfelder Geschichte zum Leben erweckt wird

SONDERTHEMA|ALSFELD (ls). Seit 2014 hat die Villa Raab am Mühlbach in der Altenburger Straße neue Eigentümer gefunden und wird saniert. Der langjährige Dornröschenschlaf hat seit dem ein Ende und bald schon erstrahlt das alte Schmuckstück im neuen Glanz. Ein chronologischer Rückblick auf die Geschichte hinter dem alten Gemäuer.

1850er: Johann Ludwig Raab kommt aus Utpe bei Hungen in die Stadt Alsfeld. Man geht davon aus, dass er in den ersten Jahren vielleicht in der Pfeifenfabrik Waldeck gelernt hat.

1856: wird der Sohn Ludwig geboren – obwohl, so merkt die Geschichte an, es keinen Eintrag über eine Ehe mit dessen Mutter Franziska Eiselt gibt.

1869: Johann Ludwig Raab gründet seine erste Pfeifenfabrikation am Grabbrunnen. Dort bauen sie in den kommenden Jahren ein blühendes Unternehmen aus. In der Untergasse steht das Wohnhaus mit Geschäft für Pfeifen- und Stöcke, unten am Grabbrunnen die Produktionsstätte dazu.

1873: Johann Ludwig wird als Horndreher offiziell als Alsfelder Bürger anerkannt.

1878: Der Betrieb am Grabbrunnen beschäftigt mittlerweile vier Gehilfen und ein paar Lehrjungen.

Alte Pfeifen aus der Fabrik, die man heute im Museum sehen kann.

1885: Ludwig Raab und seine Ehefrau Marie Specht bekommen ihren ersten Sohn Otto.

1886: Ludwig Raab tritt im Unternehmen das erste Mal in Erscheinung: offiziell wird er in dem Unternehmen mitgeführt.

1890: Ludwigs zweiter Sohn Heinrich wird geboren.

1892: Zwei Jahre später stirbt Johann Ludwig Raab.

1894: Sohn Ludwig Raab hat die Idee, die später zum Bau der Villa an der Altenburger Straße führen wird, denn das alte Mühlengelände von Eduard Specht wird versteigert. Es ist der dortige Mühlenbach, der ihn interessiert. Ludwig Raab schlägt zu.

1895: Ein Teil der Produktion der Pfeifenfabrik wird an die Altenburger Straße verlegt, um dort die Wasserkraft zu nutzen. Die bestehenden Wohn- und Produktionsgebäude lässt er zu Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern für zwölf Arbeiter-Familien umbauen – seine Arbeiter.

Bei der Gestaltung seines künftigen Familiensitzes hatten Ludwig Raab und seine Ehefrau Marie Specht wahrscheinlich die prachtvollen Villen der anderen Alsfelder Fabrikanten im Blick, die an der Marburger Straße von Wohlstand und Reichtum zeugen.

1896: Die Fabrik beschäftigt laut Gewerbetagebuch mittlerweile elf bis 20 Mitarbeiter.

1902: Ludwig Raab ließ ein Backsteinhaus in Palais-Architektur mit Barock- und Jugendstil-Elementen errichten. Zwei Jahre dauert das Projekt, zu dem die originalen Bauzeichnungen erhalten sind. Der Bau beginnt.

Das Original: Die Bauzeichnung von 1902 zeigt, wie die „Villa für Herrn Ludwig Raab in Alsfeld“ ganz am Anfang aussah.

1904: Die Raab’sche Villa ist fertig und wird offiziell eingeweiht.

1928: Ludwig Raab verstarb mit 72 Jahren.

1932: Die Pfeifenfabrik bearbeitet nun auch Kunststoffe.

1945: Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte der Betrieb sich auf die Herstellung von Hotel-, Labor- und Druckereimobiliar. Damals hatte Ludwig Raabs älterer Sohn Otto längst den Betrieb übernommen.

1950er: „Veränderte Markbedingungen“, so formuliert es der Geschichts- und Museumsverein, stellten Otto in den Fünziger-Jahren vor Probleme, die schließlich in der vierten Generation seinem Sohn Wilfried (1914 – 1991) keine Zukunftsperspektive mehr boten.

1990: Das letzte Mal für eine lange Zeit ist die Raab’sche Villa für die Öffentlichkeit zugänglich – pünktlich zum Tag der offenen Tür der Kulturdenkmäler. Danach wird sie für über 20 Jahre nicht mehr von innen gesehen.

1991: Als die Firma in diesem Jahr im Handelsregister gelöscht wird, hatte die einst so erfolgreiche Pfeifenfabrik Ludwig Raab die Produktion schon seit Jahren eingestellt.

Ein Blick ins Archiv: Das Gelände der Villa Raab im November 2014. Die Fabrik-Ruine ist inzwischen abgerissen. Auf ihrem Platz könnte bald ein Hotel entstehen.

Ein Blick ins Archiv: Das Gelände der Villa Raab im November 2014. Die Fabrik-Ruine ist inzwischen abgerissen.

Im selben Jahr kauf ein Investor das Haus ab und beginnt es zu sanieren. Doch das Projekt scheitert an seiner Weigerung, Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen. Immerhin wurde dabei das Dach saniert – und diese Maßnahme dürfte das Gebäude über die mehr als 20 Jahre des Leerstands gerettet haben.

April 2014: Der jahrzehntelange Dornröschenschlaf hat ein Ende: die Villa Raab hat einen neuen Eigentürmer gefunden, das Unternehmer-Ehepaar Tanja und Ralf Bohn haben sie gekauft. Die künftige Nutzung steht allerdings noch nicht fest.

Sommer 2014: Erste Einblicke ins Innere der Villa: Tanja Bohn geht zusammen mit OL-Gründer Axel Pries durch die Villa, der später seine Bilder in einem Artikel veröffentlicht. Tanja Bohn berichtet, dass hinter der Tapere zwei Schichten Zeitungen gefunden wurde – eine Schicht stammt aus 1932, die andere aus dem Jahr 1954.

Reichlich verwunschen und unzugänglich erschien die Raab’sche Villa damals hinter dem alten Eingangstor. Fotos: archiv/aep

Oktober 2014: Der Wildwuchs um die Villa herum wird entfernt und die alte Villa wird für die Alsfelder wieder sichtbar und zieht abgeschirmt von einem Bauzaun endlich wieder alle Blicke auf sich. Außerdem beginnen die Bauarbeiten in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Weppler und Jungermann.

April 2016: Erste Spekulationen werden bekannt, dass aus der alten Villa ein Hotel oder aber eine Eventhalle entstehen soll. Die Investoren Bohn wollten sich dazu nicht äußern.

Mai 2016: Große Freude bei den Alsfeld: das Unternehmer-Ehepaar Bohn gibt die Pläne für die Jugendstilvilla bekannt. Ein Hotel samt Eventlocation soll daraus entstehen. Zu diesem Zeitpunkt stand bereits das Gerüst um die Villa für die Malerarbeiten.

Ein „gudd Stubb“ soll entstehen, in der die Alsfelder sich treffen können. Ergänzt wird das ‚gastronomische Konzept für jedermann‘ durch Räumlichkeiten für Tagungen, private Feiern jeglicher Art und Zimmer zum Übernachten. Dazu werden die Hoteliers Andreas Otterbein, Nico Döring und Bastian Heiser vom „hôtel schloss romrod“ als Projekt-Partner und Betreiber mit ins Boot geholt.

Die Fabrik und die Mühlengebäude auf dem Gelände sind nicht zu erhalten, weshalb der Außenbereich neu gestaltet werden muss. Für die Neugestaltung der Hotelkomplexe neben der Villa werden die ortsansässigen Architekten Schmidt & Strack mit ins Projektteam geholt.

Mai 2016: Im Inneren der Villa wird kräftig gearbeitet – fast alle Wände sind offengelegt. Die Planungen nehmen Formen an. Die ersten, zukünftigen Pläne werden bekannt: in der Villa soll ein Restaurant entstehen, größere Räume für Tagungen oder Feiern und zwei Hochzeitssuiten sind im dritten Geschoss geplant – es darf dort also auch geheiratet werden.

Im Inneren der Villa Raab wird kräftig gearbeitet. Foto: archiv/Anja Kierblewski

Oktober 2016: Eine Zeitkapsel wird im Türmchendach versenkt – 17 Meter über dem Boden.

November 2017: Die Bauarbeiten auf dem Gelände rund um die Villa beginnen mit dem offiziellen Spatenstich, dort wo ein Hotelkomplex entstehen soll. „hôtel villa raab“ soll das neue Hotel heißen.

November 2018: Der Rohbau des Hotelkomplexes steht und es wird Richtfest gefeiert. Unterdessen zeigt sich in der Villa eine große Baustelle mit bereits sichtbaren Veränderungen.

Dezember 2018: Das Gerüst rund um die Villa ist mittlerweile abgebaut und die Außenfassade erstrahlt in neuem Glanz. Im Außenbereich wird der Mühlgraben mit Natursteinpflaster ausgekleidet.

Januar 2019: Technik meets Jugendstil: in die Villa wird der moderne Personenaufzug eingebaut.

Februar 2019: Der Ausbau der Mühlgraben schreitet voran. Jeder Gast wird bald über die Stege den Mühlgraben überqueren, um ins Zimmer zu gelangen und ganz nebenbei werden Wasser und Natur erlebbar gemacht.

Eine Zeitkapsel wird versenkt. Foto: archiv/Anja Kierblewski

März 2019: Die nachgebildeten Stuckelemente erhalten wieder Einzug in die Villa und auch der Innenausbau tobt, während im Hotel alles dafür getan wird, dass der Estrich Einzug erhält. Auf dem Außengelände ist der große Baukran verschwunden, der dort über ein Jahr stand. Außerdem sind die Brücken fertig und auch der alte Mühlgraben ist wiederhergestellt.

April 2019: Im Hotelgebäude ist man in den letzten Zügen des Rohbaus angelangt. Alle Kabel wurden verlegt, in den nächsten Tagen startet der Unterbau. In der Villa selbst schreitet der Innenausbau voran – im Spätsommer soll bereits eröffnet werden.

April 2019: Die Buntglasfenster sind zurück in der Villa. Nach langer Zeit beim Glaser und Restaurator haben sie ihren Weg zurück in die Villa gefunden.

Mai 2019: Die Arbeiten rund um das Außengelände beginnen.

Juni 2019: Der alte Fliesenboden von Villeroy und Boch aus dem Jahr 1904 ist endlich zu sehen die Schutzplatten konnten abgenommen werden. Im Hotel werden bereits die Möbel aufgebaut.

Juli 2019: In der Villa ist man mitten im Innenausbau – sogar die ersten Designmöbel stehen bereits an ihrem Platz und die Wände sind bereits bunt. Auch im Außenbereich der Villa tut sich einiges: die Gärtner haben ganze Arbeit geleistet. Die Baustelle ist kaum noch ersichtlich, der Gartenanlage strahlt. Die erste Hochzeit fand bereits statt.

August 2019: Der offizielle Eröffnungstermin steht fest. Am 7. September soll die Villa mit einem Festival eröffnet werden. Heimküche, Braukunstwerke und die King Kamehameha Club Band warten.

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