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Lokale Stimmen zur neuen Präsidentin der EU-Kommission„Von der Leyen gehört zur ersten Reihe von Politikerinnen“

VOGELSBERG/BRÜSSEL (jal). Die neue Chefin der EU-Kommission heißt Ursula von der Leyen. OL hat bei heimischen Politikern nachgefragt, was sie von dem Wechsel der Verteidigungsministerin nach Brüssel halten. Mit dabei: Lob vom politischen Gegner.

„Von der Leyen gehört zur ersten Reihe von Politikerinnen. In allen Ministerämtern mit eigenem Kopf und Durchsetzungsvermögen.“ Das antwortet nicht etwa jemand von der CDU auf die Anfrage von OL, sondern Michael Riese, Fraktionsvorsitzender der Linken im Vogelsberger Kreistag. Mit Hinblick auf die Probleme, die die scheidende Ministerin bei der deutschen Truppe hinterlässt, sagt Riese, dass die Bundeswehr wohl eine Nummer zu groß für sie gewesen sei und das auch noch andere merken würden. Von der Leyen stand bislang wegen dubiosen Beraterverträgen in ihrem Ministerium und der mangelhaften Ausrüstung bei der Bundeswehr in der Kritik.

Wäre es nach der konservativen Parteienfamilie EVP gegangen, wäre der CSU-Politiker Manfred Weber zum Chef der EU-Kommission gewählt worden. Doch dazu kam es nicht. Riese sieht das positiv. Von der Leyen ist für ihn von ihrem politischen Angebot her „sicherlich gewichtiger als Weber“. Was Riese etwas stört ist ihre späte Nominierung. Von der Leyen war anders als Weber nicht als Spitzenkandidatin bei der Europawahl angetreten. „Die EU ist für uns inzwischen so bedeutsam, dass Kandidaturen vom Kaliber von der Leyen viel früher im Ring hätten sein sollen“, sagt Riese.

Doch der Ablauf zeige auch, dass die Zeiten, in denen Sozialdemokraten und Konservative im EU-Parlament „die Sache unter sich“ ausmachen, vorbei seien. Für Riese ist von der Leyens Ankündigung, die Rechte des Parlaments ausweiten zu wollen, der zentrale Punkt in ihrer finalen Bewerbungsrede gewesen.

Dr. Jens Mischak, Chef der Vogelsberger CDU, meldet sich via Whatsapp aus dem Allgäu zu Wort – und kommentiert: „Ich freue mich, dass Ursula von der Leyen als erste Frau in der Geschichte der EU zur Präsidentin gewählt worden ist. Darauf können wir als Deutsche auch einfach einmal stolz sein. Ihre Amtszeit wird angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der unterschiedlichen Strömungen im Rat und Parlament jedoch nicht einfach werden. Ihre wichtigste Aufgabe ist daher, die EU zusammen zu halten bei Fragen wie dem Brexit, der Verschuldung und Flüchtlingsverteilung. Auch gegenüber Trump, Putin und Erdogan selbstbewusst als EU aufzutreten, wird eine ihrer wichtigsten Aufgaben sein.“

Mit Blick auf den Ablauf des Nominierungsprozesses schreibt Mischak weiter: „Auch ich fand die Idee der Wahl eines Spitzenkandidaten gut. Aber nicht einmal das Parlament hat sich ja auf einen Kandidaten einigen können. Deswegen verstehe ich auch nicht, warum hier manche politische Vertreter an einem Prinzip festgehalten haben, das letzten Endes vom Parlament selbst beerdigt worden war. Ursula von der Leyen ist insoweit eine Kompromisskandidatin. Aber das sagt nichts über die Qualität einer Kandidatin. Und die finde ich hervorragend. Umso mehr wundert mich das Verhalten der SPD-Abgeordneten.“

Die deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament hatten im Vorfeld der Abstimmung Zettel verteilt, in denen sie Punkte auflisteten, warum von der Leyen nicht gewählt werden sollte. „Da scheint man aus parteipolitischen Gründen das ‚Große und Ganze‘ völlig aus den Augen verloren zu haben. Sachlich für mich nicht nachvollziehbar“, sagt Mischak dazu.

Ergebnis der Abstimmung im EU-Parlament in Stimmen

Für von der Leyen: 383
Gegen von der Leyen: 327
Enthaltungen: 22
Abwesend: 14
Ungültig: 1

Ungültige und nicht abgegebene Stimmen und auch Enthaltungen werden als Gegenstimmen gewertet. 

Krug: „Kein gutes Signal für Europa“

Auch vom Vertreter der heimischen SPD kommen jedoch zurückhaltende bis kritische Töne an von der Leyen. Patrick Krug, Chef der Sozialdemokraten im Vogelsberg, sagt: „Die Wahl von Ursula von der Leyen ist kein gutes Signal für Europa. Das Problem dabei ist nicht ihre Person, zu der man sicherlich unterschiedliche Auffassungen haben kann. Das Problem ist, dass sie bei der Europawahl nicht auf dem Stimmzettel stand und wir alle nicht über ihre Vorstellungen und Ziele abstimmen konnten, sondern sie im Hinterzimmer bestimmt wurde. Das die Ankündigung vor der Wahl, dass einer der Spitzenkandidaten neuer Kommissionschef werden soll, nach der Wahl nichts mehr wert war, ist für die europäische Idee ein Rückschritt.“

Gefragt nach den möglichen Inhalten von von der Leyen, antwortet Krug: „Ich erwarte von der neuen Kommissionschefin, dass sie drängende Probleme wie den sozialen Zusammenhalt auf dem Kontinent, den Kampf gegen den Klimawandel, die Herausforderungen der Digitalisierung oder die Verteidigung europäischer Werte wie Freiheit und Rechtsstaatlichkeit mutig anpackt und dabei auf mehr Europa setzt.“

Inzwischen steht fest, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach von der Leyen das Verteidigungsministerium leiten wird. Die Entscheidung kam überraschend. In Berlin war bis zur Veröffentlichung dieses Textes der Name von Jens Spahn, bisher Gesundheitsminister, heiß gehandelt worden. „Wenn Spahn nicht mehr Unruhe im Gesundheitswesen stiftet, kann das nur gut sein“, hatte Riese dazu gesagt. Mischak hatte einen anderen Vorschlag: Peter Tauber. „Er kennt die Truppe und ist in der Materie drin“. Tauber ist Reserveoffizier und bereits Staatssekretär im Verteidigungsministerium.

Krug hatte sich diplomatisch zurückgehalten: „Das Vorschlagsrecht für die neue Ministerin oder den neuen Minister liegt bei der CDU, die genug damit zu tun haben wird, einen geeigneten Kandidaten in ihren Reihen zu finden. Dabei stören Ratschläge aus anderen Parteien sicher nur.“

4 Gedanken zu “„Von der Leyen gehört zur ersten Reihe von Politikerinnen“

  1. Es ist schon erschreckend wie hier der Wähler betrogen werden. Es gehe den Politikern schon lange nicht mehr um das Volk. Ihr Programm bestehe ausschließlich aus drei anderen Buchstaben: ICH.

  2. „Von der Leyen gehört zur ersten Reihe von Politikerinnen. In allen Ministerämtern mit eigenem Kopf und Durchsetzungsvermögen.“
    Das klingt zunächst mal wie ein Riesen-Kompliment des Vorsitzenden einer Riesen-Fraktion im Lauterbacher Kreistag. Doch wenn überhaupt, handelt es sich um eine vergiftete Artigkeit. Und so grüßt uns vom Wrack der Gorch Fock die scheidende „Nummer 1“ der Truppe. Und die Truppe grüßt begeistert zurück. Denn Nr. 1 war in der Tat eine Nummer zu groß für die ewige Überfliegerin und Kompetenzhamsterin von der Leyen, deren Gastspiele in diversen Ministerien (Familienministerin von 2005 bis 2009, Arbeitsministerin von 2009 bis 2013 und Verteidigungsministerin 2013 bis 2019) kaum ausreichten, um sie mit irgendeinem bedeutenden Reformwerk in Verbindung zu bringen.
    Nun soll sie also als EU-Kommissionspräsidentin und damit erste Frau in diesem Amt die Probleme weg lächeln, während ihr im Verteidigungsministerium Stimmungskanone und Karnevals-Ordens-Trägerin Annegret Kramp-Karrenbauer nachfolgt, die sich bisher auch noch nicht mit Ruhm bekleckert hat und der die Pappnasigkeit förmlich ins Gesicht geschrieben steht.
    Mein Stolz als Deutscher darauf, dass da Frauen aus vorderster CDU-Reihe nun auch mal „als erste Frauen in der Geschichte“ (von der Leyen EU-Präsidentin, Kramp-Karrenbauer CDU-Vorsitz im Saarland) scheitern dürfen, ist allerdings nicht mal halb so groß wie der des Herrn Mischak.

  3. Diese Politik stinkt zum Himmel.Warum gehen die Bürger noch zur Wahl, wenn sie anschließend verarscht werden.Manfred Weber wurde gewählt, nicht Frau von der Leyen. Sie hat die Bundeswehr schon in Schutt und Asche gelegt. Wie soll denn so jemand Europa führen? Der nächste Fehler wird schon wieder begangen, in dem man
    Frau AKK zur Verteidigungsministerin macht. Sie hat von der BW so viel Ahnung wie eine Kuh vom Stabhochsprung. Da gehört jemand hin, der die BW kennt und auch schon gedient hat. Herr Tauber ist Reserveoffizier, genau der richtige. Wie muss er sich
    vorkommen, dass jetzt eine Frau AKK die BW führen soll. Diese Politik wird zur Lachnummer, es nimmt sie keiner mehr ernst.

    1. Mit leeren Versprechungen hinsichtlich einer Demokratisierung der EU-Strukturen hatte man noch vor kurzem so viele Wähler wie nie zuvor an die EU-Wahlurnen gelockt, um dann den alten Stiefel auf die Spitze zu treiben.
      Bei den Personalentscheidungen geht es nicht um Demokratie oder Kompetenz, sondern um Rochaden, die dem Ausgleich zwischen den europäischen Führungsmächten oder der Karriereplanung einzelner Spitzenpolitiker*innen dienen. Das zumindest haben wir jetzt endgültig begriffen. Nur welchen Clown wählen wir beim nächsten Mal?

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