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Stärken- und Schwächen-Analyse im Workshop für Integriertes kommunales Entwicklungskonzept (IKEK)Holpriger Start zur Alsfelder Dorferneuerung

HATTENDORF (ol). Zugegeben, das erste Treffen in Sachen Dorferneuerung der Alsfelder Stadtteile hätte wahrscheinlich besser verlaufen können. Nein, einige Teilnehmer verließen die Veranstaltung sogar frühzeitig. Und auch am Ende wirkte man ein wenig zufrieden, was mitunter an den Aufgaben und dem straffen Zeitplan lag, den die einzelnen Stadtteile innerhalb der nächsten vier Wochen verwirklichen müssen. Außerdem ist weiterhin unklar, mit welcher Höhe an Fördergeldern die Stadtteile rechnen können.

Zunächst aber zum Hintergrund: das Hessische Umweltministerium will den ländlichen Raum stärken und dabei besonders die Dorfentwicklung in hessischen Kommunen. Ziel ist es dabei, die Dörfer im ländlichen Raum als attraktiven und lebendigen Lebensraum zu gestalten und durch eine eigenständige Entwicklung die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Potenziale vor Ort zu mobilisieren. Dabei sollen in Ortskernen zentrale Funktionen gestärkt werden, um eine zukunftsfähige Wohn- und Lebensqualität zu erhalten.

Auch die Innenentwicklung der Dörfer soll gestärkt, die Energieeffizienz gesteigert und der Flächenverbrauch verringert werden. Doch dieser Wandel braucht eine nachhaltige Strategie, wie sich eine Kommune insgesamt entwickeln soll und welche Funktionen die einzelnen Ortsteile dabei übernehmen. Und dazu braucht es – ähnlich wie zur Alsfelder Altstadtsanierung – ein integriertes kommunales Entwicklungskonzept (IKEK), das sich auf alle Ortsteile einer Kommune bezieht und Aussagen dazu trifft, wie Nahversorgung und Infrastruktur längerfristig gesichert werden können. Dabei sind die Bürgermitwirkung ebenso wie der Aufbau von sozialen und kulturellen Netzwerken zur Stärkung der Daseinsvorsorge eigenständige Programmziele.

Rund 80 Bürger waren zum Workshop ins Hattendörfer Dorfgemeinschaftshaus gekommen. Foto: ts

Stärken und Schwächen von Alsfelder Stadtteilen

Und genau das steht auch in den Alsfelder Ortsteilen auf dem Plan. Damit beauftragt wurde das Stadtplanungsbüro Quaas aus Weimar, das zusammen mit einer Steuerungsgruppe und Ortsvorstehern in Kleingruppen in den vergangenen Wochen auf Streifzug durch die Ortsteile waren, um deren Bestand zu sichten.

Themen seien dabei die städtebauliche Entwicklung und Wohnen, Mobilität und Erreichbarkeit, Daseinsvorsorge und Grundversorgung, Kultur, Brauchtum und Freizeit, Tourismus und Landschaft, bürgerschaftliches Engagement, Energie, Klima- und Ressourcenschutz, Bildung, Technische Infrastruktur/Kooperation sowie Wirtschaft und Arbeitsplätze, Demografie und Innenentwicklung gewesen.

Auch vor Ort wurden Stärken und Schwächen besprochen. Foto: ts

Die bisherigen Ergebnisse der Stadtplaner und Meinungen der Kleingruppen bildeten die Basis des ersten IKEK-Forums, das an diesem Mittwochabend im Dorfgemeinschaftshaus in Hattendorf stattfand, das rund 80 Bürger aus den 16 Ortschaften der Stadt lockte. Doch während man anfangs dachte, es würde konkret werden, ging es allerdings zunächst um eine Analyse der Stärken und der Schwächen. Dabei erklärte Stadtplaner Ingo Quaas, dass die Alsfelder Stadtteile ein gutes Potential für die Dorfentwicklung hätten.

Gründe dafür seien die gute Infrastruktur durch Dorfgemeinschaftshäuser, Grillhütten, Backhäusern und der vorhandenen Bausubstanz – wenn es auch das ein oder andere Sorgenkind gebe. Dennoch sei man glimpflich davon gekommen. Auch für das bürgerschaftliche Engagement, die Vereinsarbeit und auch das touristische Angebot fand Quaas Lob.

Rückmeldungen aus den Dörfern bereits in vier Wochen erwartet

Stärken und Ziele der einzelnen Ortschaften herausarbeiten und daraus letztendlich Ziele setzen, genau das stünde jetzt auf dem Programm – und da sollen die einzelnen Orte selbst mitarbeiten und all das ausarbeiten. Genau das stieß auf Kritik an diesem Abend, denn schon bis zum Freitag, 17. Mai, erhoffen sich die Stadtplaner Rückmeldungen aus den einzelnen Dörfern mit einer ähnlichen Analyse.

Das Team von Quaas Stadtplaner. Foto: ts

Ein straffer Zeitplan, wie einige Beteiligte befanden. In Bürgerwerkstätten sollen die Stärken und Schwächen selbst ausgearbeitet werden. Wer das übernehmen soll, wurde nicht geklärt. Auch mit welcher Höhe an Fördergeldern man rechnen könne, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt ungeklärt. Ein Zeitpunkt, an dem einige Teilnehmer den Workshop kurz vor dem offiziellen Schluss verließen.

Doch die Stadtplaner zeigten sich dennoch zuversichtlich: „Am jetzigen Zeitpunkt geht es erst einmal darum, die Stärken und Schwächen der Orte zu analysieren und daraus entsprechende Ziele zu entwickeln“, erklärte Quaas. Erst im Juni könne man über konkrete Projekte und Ideen sprechen, ehe man über Geld spreche. „Der Prozess der Dorfentwicklung an sich, soll die Zeit erhalten, die er benötigt“, sagte Quaas abschließend.

Schon im Juni soll die Umsetzungsphase beginnen. Damit kann es neben der Altstadtsanierung in den kommenden Wochen und Monaten auch in den Stadtteilen mit der Dorferneuerung los gehen – wenn auch die Auftaktveranstaltung für einige Teilnehmer weniger zufriedenstellend war.

2 Gedanken zu “Holpriger Start zur Alsfelder Dorferneuerung

  1. Ja, so macht man es wohl, wenn die „Dörfler“ in regionale Entwicklungssstrategien einbezogen werden sollen. Aber dieser Stärken-und-Schwächen-Selbsteinschätzungs-„Brainstorm“ führt doch nicht ernsthaft zu Konzepten, das Landleben attraktiver zu machen und den Druck von den urbanen Ballungszentren zu nehmen. Das reicht bestenfalls für den nächsten Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden!“.
    Man sollte endlich aufhören, den Bürger mit zu schematisch und zu klein gedachten Beteiligungsaktionen zu beschäftigen. Die wirklich entscheidenden Ansätze, infrastrukturelle Nachteile ländlicher Regionen auszugleichen (siehe Glasfaser- und Funk-Netz!) hat man um 10-20 Jahre verschlafen. Und noch immer wird schneller geredet als gehandelt. Demgegenüber ist es völlig wurscht, ob im Dorf A diese kleine Schwäche beseitigt oder im Dorf B jene Stärke hervorgehoben wird.
    Sinnvoll wäre es, von den strukturellen Problemen (Verkehrsdichte, Wohnraummangel usw.) auszugehen und zu überlegen, woher der Zuzug für das sich entvölkernde Land denn tatsächlich kommen könnte. Junge Familien sind hier ein wichtiger Faktor für Veränderungen. Es gibt deutlich mehr Geburten und immer mehr junge Leute zieht es in ländliche Regionen, weil familiengerechter Wohnraum in der Großstadt unbezahlbar geworden ist, aber auch, weil dort die Lebensverhältnisse für ein gesundes Aufwachsen der Kinder absolut ungeeignet sind. Ähnliches ließe sich für die wachsende Zahl älterer und vor allem auch hochbetagter und pflegebedürftiger Bürger*innen behaupten.
    Hinsichtlich der jungen Familien ist bereits ein deutlicher Trend zu verspüren. Der Humangeograf Gerhard Henkel erforscht seit mehr als 40 Jahren die Entwicklung deutscher Dörfer. Er plädiert für eine Abkehr von dem „Zentrale-Orte-Modell“, das seine Wurzel in der Nazi-Zeit hat, und mehr finanzielle Unterstützung bzw. gestalterische Spielräume für die Kommunen, um vor Ort „das jeweils lokal Wichtige zu bewegen“. Hierzu gehört auch ein direkterer und einfacherer Zugang zu den Hunderten von Fördertöpfen. Durch eine „Bundesagentur für das Landleben“ möchte er eine Aufbruchsstimmung in Richtung auf Rückbesiedlung der alten Ortskerne erzeugen, wobei es allerdings ohne handfeste finanzielle Vorteile (Befreiung von der Grunderwerbssteuer, Sonderabschreibungen, besonders günstige Kredite usw.) nicht gehen dürfte. Auf jeden Fall muss das große Rad gedreht werden, müssen entscheidende Impulse aus der Bundes- und Landespolitik kommen. Beschäftigungstherapie für dörfliche Arbeitsgruppen kann hier nur wenig bewirken.

  2. Ähnliche Witzveranstaltung wie der „Workshop Marktplatz“.
    Solche Veranstaltungen scheinen nicht gerade die Stärke von Paule zu sein…

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