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Franziska Wallenta und Holger Schäddel machen „innovative Arbeit mit jüngeren Seniorinnen und Senioren“Erfahrung teilen verbindet

ALSFELD (ol). Auf den ersten Blick klingt es ein bisschen sperrig, was Franziska Wallenta und Holger Schäddel vom Evangelischen Dekanat in Alsfeld seit Februar dieses Jahres machen: „GPD 55plus“ heißt ihr Arbeitsbereich im gemeindepädagogischen Dienst (GPD) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, gemeint ist „innovative Arbeit mit jüngeren Seniorinnen und Senioren“. Was es damit auf sich hat und was das ganz konkret in der Praxis bedeutet, ist viel lebendiger, als die Arbeitstitel es vermuten lassen, wie ein kleiner Rückblick auf die ersten gut zwei Monate des Arbeitens deutlich macht.

Ausgangssituation für diese Stelle war die Erkenntnis der EKHN, dass es neben Kindheit, Familie und hohem Alter ein Lebensalter gibt, das gesellschaftlich bisher kaum berücksichtigt wurde. In der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats heiß es, das Alter oberhalb der Lebensmitte, aber unterhalb dessen, was als Seniorenalter gilt. „Ein drittes Lebensalter gewissermaßen“, führt Holger Schäddel aus, „noch dazu eines, das mit seiner vielfältigen Zielgruppe viel Potenzial für unterschiedliche Themen und Aktionen gibt – schließlich gibt es fast keine Zeit, in der die Menschen so unterschiedliche Dinge tun, wie ab Mitte 50.“

Was er damit meint, ist schnell geklärt: Die über 55-Jährigen sind manchmal schon im Ruhestand, andere wiederum denken noch gar nicht daran, einige haben nach der Familienzeit wieder viel Freizeit, andere sind noch mittendrin; auch mittendrin in den unterschiedlichsten Berufen und den unterschiedlichsten sozialen Umfeldern. Sie haben jede Menge Lebenserfahrung, pflegen die unterschiedlichsten Interessen und sind auf dem Weg in spannendere Zeiten, als es noch die vorhergehende Generation in diesem Alter war.

Menschen in Lebensphase begleiten

„Unsere Aufgabe wird es sein, Menschen in dieser Lebensphase zu begleiten, ihnen verschiedenste Angebote zu machen, ihre Interessensgebiete zu erweitern und auch Perspektiven zu öffnen“, erklärt Franziska Wallenta. Passend dazu haben sie ihren Slogan gewählt: „Erfahrung teilen verbindet.“ Neben der Vernetzung und dem Zusammenbringen von Menschen mit gleichen oder unterschiedlichen Absichten gehe es dabei beispielsweise um Perspektiven des Wohnens im Alter: Wie stelle man sich das vor? Wo gebe es in der Region gute Ansätze? Und was könne man selbst dafür tun? Ein anderes Thema, mit dem sich die Menschen in den Projekten befassen können, sei die regionale Daseinsvorsorge: Auf welche Infrastruktur stoße man besonders in den Dörfern? Was fehlt? Was sei gut gelöst, was müsste viel besser sein und wie könne man hier selbst aktiv werden?

Neben diesen ganz praktischen Themen, die Einfluss auch auf die eigenen Lebensumstände haben, stehe Bildungs- und Biographiearbeit auf der Agenda des Diakons und Sozialarbeiters und der Sozial- und Kulturwissenschaftlerin. Holger Schäddel hat bereits zwei sehr gut besuchte Veranstaltungen mit Männern zum Thema „Opa.Vater.Du. Krieg und Frieden“ angeboten. „Es war ein Versuch, doch wir haben festgestellt, dass viele Männer im Alter ab 55 oder älter lebendige Erinnerungen an ihre Väter oder Großväter haben, für die das Thema Krieg und Kriegserfahrung eine große Bedeutung hatte.“

Route55 auf kompletten Vogelsberg ausgeweitet

Mit verschiedenen Angeboten wird dieses Thema nun weiterbearbeitet. Ebenfalls bereits stattgefunden habe ein Treffen mit Großeltern und Enkelkindern, unabhängig davon, ob biologische oder soziale Großelternschaft. „Wir haben biographisch mit diesen beiden Generationen gearbeitet und viele Gemeinsamkeiten, beispielsweise die Liebe zur Natur, festgestellt. Manche Großeltern wohnen weit weg, die Besuche sind selten. Aber Zeit mit Großeltern ist etwas Besonderes. Dieser Tag hat der gemeinsamen Zeit der Enkel und Großeltern eine besondere Wertschätzung verliehen“, fasst Franziska Wallenta zwei Aspekte dieses Treffens zusammen. Darüber hinaus würden sich im Team und gemeinsam mit den Teilnehmenden viele weitere interessante und lohnenswerte Ansatzpunkte ergeben, sind sich die Wallenta und Schäddel sicher, schließlich ist das Projekt ja gerade erst am Anfang.

Mit in die Arbeit der Stelle „GPD 55plus“ fließt auch die Idee des Hessen-Campus-Projekts „Route55plus Hessen“. Hier gehe es um selbstorganisierte Projektarbeit in ganz verschiedenen Interessensfeldern. Es entstand beispielsweise eine Gruppe, die gemeinsame Fahrradtouren macht. Eine andere widmet sich der analogen Fotografie, wieder andere besuchen gemeinsam Festivals oder Jazzkonzerte. Dabei sind die Gruppenzugehörigkeiten flexibel. Jeder kann zu einer Aktion dazustoßen, die Termine und Angebote gebe es auf einer Website und entstehen und entwickeln sich mit den Menschen, die daran beteiligt seien. „Ursprünglich war die ‚Route55‘ auf den Raum Alsfeld beschränkt“, erläutert Franziska Wallenta, „nun können wir sie im Rahmen unserer neuen Stelle auf den kompletten Vogelsberg ausweiten und starten mit zwei ersten Auftaktveranstaltungen in Lauterbach und Angersbach.“

Zwei Auftaktveranstaltungen in Lauterbach und Angersbach geplant

So also sehe „innovative Arbeit mit jüngeren Seniorinnen und Senioren“ aus – dass sie sich im Projektzeitraum von fünf Jahren gemeinsam mit ihren Menschen weiterentwickeln wird, sei dabei ausdrücklich vorgesehen. „Immer wieder werden auch Glaubensthemen zur Sprache kommen, christliches Leben und Werte spielen bei allen unseren Angeboten immer eine Rolle, wenn auch nicht immer explizit“, ergänzt Holger Schäddel. Explizit hingegen sei das Leben von Gemeinschaft und gemeinsamen Ideen und von Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen in verschiedenen Kontexten.

Wer mehr dazu erfahren möchte, könne das unter www.alsfeld-evangelisch.de oder unter http://route55plus.de/alsfeld/. Die Auftaktveranstaltungen in Lauterbach und Angersbach finden statt am 19. Juni um 19 Uhr an der Kirche in Angersbach und am 22. Juni um 10 Uhr in der GeniesserZeit in Lauterbach. Franziska Wallenta und Holger Schäddel erreiche man unter 06631/9114916 oder unter wallenta@alsfeld-evangelisch.de bzw. schaeddel@alsfeld-evangelisch.de.

Ein Gedanke zu “Erfahrung teilen verbindet

  1. Es ist sicher keine schlechte Idee, speziell die Menschen im „dritten Lebensalter ab Mitte 50″ anzusprechen, die gut beraten sind, sich Gedanken über das eigene Leben im Alter zu machen. Kernthema der „innovativen Arbeit mit jüngeren Seniorinnen und Senioren“ müsste tatsächlich die regionale Daseinsvorsorge sein, denn hier gibt es bei näherem Hinsehen erhebliche Lücken und wenig Initiative seitens Politik und Verwaltung. Für das Wohnen im Alter gibt es kaum Alternativen zum Pflegeheim, in dem bekanntlich kaum jemand seinen Lebensabend verbringen will. Und es fehlt an Unterstützung im Alltag, der es den Senioren ermöglicht, so lange es geht selbständig im eigenen Haushalt zu leben. Die „guten Ansätze in der Region“ sind von daher schnell aufgezählt. Besser wäre es, hierbei von vornherein „über den Tellerrand“, d.h. auf die die benachbarten Landkreise, zu schauen, wo man teilweise erheblich weiter ist als im Vogelsbergkreis. Und „eigene Aktivitäten“ in dem Sinne, dass man sich selbst rechtzeitig um Lösungen bemüht und die jüngeren Senioren den älteren helfen, sind die einzig plausible Lösung angesichts der demografischen Entwicklung und der Pflegekrise, die in den kommenden zehn Jahren den sozialen Sektor vor große Herausforderungen stellen wird. Daher wird die Parole der Zukunft sein: Helft euch selbst, denn sonst hilft euch keiner!

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