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Geldinstitut stellt Geschäftsbericht vor - kein Wort zum UntreueskandalDie Sparkasse arbeitet gut – sagt die Sparkasse

MEINUNG|REGION (jal). Die Sparkasse Oberhessen blickt, wenn man sie selbst fragt, auf ein wirtschaftlich „sehr ordentliches Geschäftsjahr 2017“ zurück. Auch wenn die anhaltende Niedrigzinspolitik das Geschäftsmodell regionaler Banken weiterhin belaste, hätten die Angestellten im großem Umfang Kredite vermitteln und Kundengelder anlegen können. Vom großen Untreueskandal, der das Institut das Jahr erschütterte, verliert die Bank in ihrer Pressemitteilung kein einziges Wort. Und dann wird es wirklich grotesk. Ein kommentierender Bericht. 

„Die Kundinnen und Kunden vertrauen unserer kompetenten Beratung und unserem guten Service“, sagte der Vorstandsvorsitzende Günter Sedlak während der Vorstellung der Geschäftszahlen laut der Mitteilung. Mit dem positiven Geschäftsergebnis sei es einmal mehr gelungen, „die Substanz und die Stabilität der Sparkasse zu stärken und die Zukunftsfähigkeit zu verbessern“.

Es folgt nach diesen Worthülsen allerlei zusätzliches Selbstlob. Die Digitalisierung schreite voran, der persönliche Kontakt bleibe dennoch wichtig, man tue viel für die Allgemeinheit, die hohe Qualität der Beratung und die Zufriedenheit der Kunden werde durch die Auszeichnung der Tageszeitung „Die Welt“ als beste Bank im Vogelsberg- und Wetteraukreis unterstrichen.

Wirklich grotesk wird die Pressemitteilung des Instituts, als sich Sedlak über die „zahlreichen Regulierungsauflagen durch nationale und internationale Gesetzgeber“, beschwert, die anders als die rege Bautätigkeit und die gute Situation der heimischen Wirtschaft „weniger förderlich“ seien.

Richter sprach von „Totalausfall der Sicherheitssysteme“

Das sagt der Mitteilung zufolge ausgerechnet der Mann, unter dessen mehr oder weniger direkten Aufsicht ein Mitarbeiter mehr als acht Jahre lang unbemerkt fast 9 Millionen Euro bei Seite schaffen konnte. In dem Gerichtsprozess, in dem der Mitarbeiter zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, bescheinigte der Richter der Bank einen „Totalausfall der Sicherheitssysteme“. Weil das Konto, von dem der Mann Geld nach außen abzweigte, ein reines Einzahlungskonto war, hätte sein Tun am allerersten Tag auffliegen müssen. Dass es überhaupt im Frühjahr 2017 dazu kam, lag am Tipp einer Berliner Bank.

Obwohl der Mitarbeiter Maik H. vor Gericht etliche Unterlagen vorlegte, mit denen er versicherte, das Geld samt Zinsen an die Sparkasse zurückzahlen zu wollen, befindet sich die Bank gerade in einem Zivilrechtsstreit mit seiner Familie. Es geht um Grundstücke, die zwangsversteigert werden sollen.

Maik H. und sein Anwalt Michael Simon. Foto: jal

Maik H. und sein Anwalt Michael Simon. Foto: jal

Als ebenso verstörend können durchaus die Zeilen empfunden werden, mit denen die beiden Landräte zitiert werden, die als Verwaltungsräte die Geschicke der Sparkasse mitlenken. Es folgt zur Verdeutlichung ein längeres Zitat:

„Als Vertreter der beiden Eigentümer, der Landkreise Wetterau und Vogelsberg, zeigten sich der neu gewählte Wetterauer Landrat, Jan Weckler sowie der Vogelsberger Landrat, Manfred Görig sehr zufrieden mit dem Geschäftsergebnis 2017. ‚Die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres zeigen, dass Vorstand, Führungskräfte sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut arbeiten, immer mit dem Ziel, die Kunden fair und kompetent zu beraten‘, sagte Verwaltungsratsvorsitzende Jan Weckler. Der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende Manfred Görig hob hervor, dass die Sparkasse für die Menschen in der Region wichtig sei: ‚Die Sparkasse ist ein verlässlicher und sicherer Partner für die Unternehmen, Kommunen und Menschen im Vogelsberg- und im Wetteraukreis.'“

Nicht viel gelernt

Nun muss man auch von einem öffentlichen Unternehmen wie der Sparkasse vielleicht nicht erwarten, dass es alle Details eines weitreichenden und äußert peinlichen Skandals in der Jahresrückschau selbst noch einmal ausbreitet – den Vorfall allerdings komplett unausgesprochen zu lassen, sich stattdessen allen Ernstes über zu harte Regulierung zu beklagen und in höchsten Tönen selbst zu loben, zeigt eindeutig, dass man in der Kommunikationsabteilung des Unternehmens und in der Vorstandsetage aus dem Skandal nicht viel gelernt zu haben scheint.

Das Selbe gilt für die Lokalpolitiker, die sich öffentlich so kritiklos hinter eine Bank stellen, bei der so viel schiefgelaufen ist.  Vielleicht, nur vielleicht, wäre bei diesem Geschäftsbericht ein ganz kleines bisschen mehr Demut angebracht gewesen.

Wer sich dennoch für die genauen Zahlen und den weiteren Wortlaut der Mitteilung interessiert – das Dokument gibt es hier als Download.

4 Gedanken zu “Die Sparkasse arbeitet gut – sagt die Sparkasse

  1. Da stehen sie, die – in diesem Falle – vier Stooges und schauen frech und arrogant in die Kamera. Ob die wirklich daran glauben, dass sie gute Arbeit verrichtet haben? Menschen mit einer derart gestörten Selbstwahrnehmung gehören eigentlich mal gründlich auf ihren Geisteszustand untersucht. Diese Zustände sind wirklich unfasslich. Hier wird der Vorstand eines Instituts von der Politik protegiert, der auf ganzer Linie versagt hat und die eigentliche Verantwortung für diesen Millionenskandal übernehmen müsste. Aber wieso soll es auf kommunaler Ebene anders laufen als auf nationaler Ebene. Dort wird die „tu mir nichts, dann tu ich dir auch nichts- Mentalität- ja vorgelebt. Dort werden Bankvorstände von der Politik protegiert, die in ihren Instituten tatenlos Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe zugelassen haben (Stichwort „cum/ex“) oder die Unternehmensführung von Automobilunternehmen, die Millionen von Kunden über Jahre übers Ohr gehauen haben. Armes Deutschland!

  2. Ja, während der kleine Leistungsempfänger kontrolliert wird, bis er blau anläuft, freuen sich seine Wohltäter aus Politik und Verwaltung über eine Vielzahl von lukrativen Nebenerwerbsmöglichkeiten. Sehr beliebt: „Aufsichts-posten“ bei Sparkassen, Energieversorgungsunternehmen etc. pp. (auch gut zur Versorgung, falls es mal einen Arschtritt vom Wähler gibt!). Und der Ehegatte von irgendwelchen gut besoldeten Amtsinhabern gründet am besten noch eine Beratungsfirma, in die dann die Hunderttausende Fördergelder fließen können, die von EU, Bund und Land für „Projekte“ ausgeschüttet werden, als deren Ergebnis immer nur herauskommt, was man an Zukunftsträchtigem und Zukunftssicherndem alles machen würde, wenn nach Durchführung des Projekts noch Geld da wäre. Bin mal sehr gespannt auf die Abrechnung der 350.000 Euro für das Projekt MoDaVo. Schon die Halbzeitbilanz (https://www.vogelsbergkreis.de/Ansicht.1066.0.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=7879&cHash=47561f4daed03732f6a186548442986c) war äußerst dürftig. Liebe OL-Redaktion! Bitte mal sehr kritisch nachfragen, in welchen Basaltspalten das viele Geld versickert ist!?

  3. Die Kritik ist leider nur allzu berechtigt. Nicht, dass ich als kleiner Sparkassenkunde unzufrieden wäre. Tatsächlich hilft die persönliche und langjährige Bindung an „seine“ Sparkasse dem Kunden vor Ort, dass er eben auch als Rentner im fortgeschrittenen Alter noch einen Kredit für die Dachreparatur des Häuschens bekommt. Aber man hat inzwischen auch gelernt, dass der Raubtierkapitalismus inzwischen auch bei den biederen Landsparbüchsen angekommen ist (https://www.wiwo.de/unternehmen/banken/sparkassentag-die-fuenf-lebensluegen-der-sparkassen/13509116-all.html). Also Vorsicht bei irgendwelchen Anlage-Offerten des Sparkassen-„Beraters“.
    Eine andere Sache sind die kommunalpolitischen Machtkartelle, in denen sich die Sparkassendirektoren sich gern als Mäzene und Förderer der regionalen Wirtschaft feiern lassen, damit möglichst niemand auf die Idee kommt, einen angemessenen Anteil an den Sparkassen-Gewinnen für die Kommunen einzufordern. Und das erklärt auch den Schlendrian bei der öffentlichen Kontrolle der Sparkassen durch die Politik. Man kennt sich und man schont sich.

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