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SPD: „Der ländliche Raum bietet positive Perspektiven, braucht aber mehr Entscheidungsräume und eine bessere Förderung“Mehr Entscheidungsräume für den ländlichen Raum

VOGELSBERG (ol). „Neue Kraft fürs Land – Ideen für den ländlichen Raum“ – so lautete der Titel einer Veranstaltung der hessischen SPD-Landtagsfraktion, die in Lauterbach Rimlos stattfand. „Unser Vogelsberg ist das Original des ländlichen Raums – viel ländlicher wird es in Hessen nicht mehr“, begrüßte Swen Bastian die Besucher.

In der Pressemitteilung der Partei heißt es, in 128 Dörfern des Kreises lebten jeweils weniger als 500 Einwohner. „Diese Bürger haben das gleiche Recht auf erreichbare und gute Angebote der täglichen Daseinsvorsorge, wie die Bewohner von Städten. Vogelsberger Arbeitnehmer, Handwerker, Unternehmen, Wasser und Energie halten das Rhein-Main-Gebiet mit am Laufen. Ohne die Leistungen unserer Region geht im Ballungsraum das Licht aus und weiteres Wachstum wäre unmöglich, was dort leider kaum jemand wahrnimmt“, sagte Bastian, der mehr Interesse der Landespolitik an einer positiven Entwicklung der heimischen Region einforderte.

Gäste des Abends waren die beiden SPD Landtagsabgeordneten Torsten Warnecke aus Bad Hersfeld und Heinz Lotz aus Steinau an der Straße. Lotz ist Landwirtschafts- und Forstpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Warnecke gehört dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Hessischen Landtag an. Unter den Zuhörern der Veranstaltung aus der Reihe „SPD Fraktion vor Ort“ fanden sich auch die Vogelsberger Bürgermeister Susanne Schaab aus Schotten und Dr. Olaf Dahlmann aus Wartenberg sowie Thomas Schaumberg, Geschäftsführer der Vogelsberg Consult GmbH.

Swen Bastian, Torsten Warnecke und Heinz Lotz bei der SPD-Veranstaltung „Neue Kraft fürs Land – Ideen für den ländlichen Raum“. Foto: Heiko Müller

Im ländlichen Raum leben die meisten Menschen

„Wir im ländlichen Raum sind die Mehrheit in Hessen, denn hier leben die meisten Menschen“, erklärte Torsten Warnecke. Deshalb sei es unabdingbar, die Ortschaften im ländlichen Raum zukunftsfähig zu machen und die Ortskerne zu erhalten. Mehr und bessere Angebote für das Wohnen auf dem Land seien gefragt, ebenso wie eine ärztliche Versorgung vor Ort. Das klassische Hausarztmodell eines selbstständigen Landarztes mit langen Arbeitszeiten, Bereitschaft rund um die Uhr und hoher Belastung sei für angehende junge Mediziner immer weniger attraktiv. Kommunale Kliniken und medizinische Versorgungszentren, in denen die Leistungen von angestellten Ärzten angeboten würden, könnten eine Alternative sein.

„Kaum jemandem ist bewusst, dass die Geburtenrate in den ländlichen Regionen zum Teil deutlich höher ist, als im Ballungsraum. Viele junge Leute gehen dann jedoch zum Studieren weg in die großen Städte.“, so Warnecker, der die Frage stellte, warum Auszubildende aus der Stadt nicht das gute Angebot der dualen Ausbildung im ländlichen Raum wahrnehmen könnten. Entsprechende Landesfachklassen im Vogelsbergkreis böten hierfür die besten Voraussetzungen.

Positive Perspektiven für ländlichen Raum

„Der ländlichen Raum hat eigentlich positive Perspektiven. Was wir brauchen, sind mehr Entscheidungsräume, ein stärkeres Interesse der Landesregierung und mehr Geld“, so Warnecke. Schwarz-Grün erhöhe zwar formal das Volumen beim Dorfentwicklungsprogramm, kürze aber die Fördersummen im Einzelnen. In Hessen würden Maßnahmen damit erst ab einer Summe von 10.000 Euro gefördert, in Bayern hingegen schon ab 1 000 Euro. Kleinen Maßnahmen wären aber gerade für viele Bürger im ländlichen Raum besonders interessant und würden auch in der Summe viel bringen.

„Die hessische SPD ist die Partei für den ländlichen Raum“, erklärte Heinz Lotz. Andere Parteien könnten dies nicht von sich behaupten – so etwa die CDU oder die Grünen. „Die sind eine reine Großstadtpartei. Den ländlichen Raum entdecken sie nur dann, wenn es um den Naturschutz geht oder in politischen Sonntagsreden.“ Lotz legte seinen Schwerpunkt auf die Land- und Forstwirtschaft, die eine besondere Bedeutung habe. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung fehle bei Hessenforst ausreichend Personal – ähnlich wie beim Straßenbau. Mittel aus Förderprogrammen der EU würden nicht abgerufen, weil die aktuelle Landesregierung keine eigenen Mittel dazugeben wolle. Kritik übte Lotz an der in Hessen beschlossenen Schonzeit für Waschbären, die sich im Vogelsbergkreis und andernorts zusehends zu einer Plage entwickelten. Die Grünen wollten aber trotz der bekannten Probleme nicht, dass den niedlichen Tierchen etwas passiere.

Viele Interessierte waren nach Rimlos gekommen. Foto: Heiko Müller

Diskussionsrunde im Anschluss

In der anschließenden Diskussion spielte unter anderem das Thema „Kommunaler Finanzausgleich“ eine Rolle. Warnecke machte sich dafür stark, dass es neben dem KFA ein Gesamtförderprogramm für den ländlichen Raum geben müsse. „Wir müssen zukünftig alle Gesetzgebungsverfahren unter den Vorbehalt stellen, welche Auswirkungen sie auf den ländlichen Raum haben.“, forderte Lotz und bekam für den Vorschlag viel Zustimmung. Angesprochen wurde auch der schleppende Breitbandausbau.

„Wir dürfen die Telekom nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, den Vogelsbergkreis wie versprochen auszubauen. Das Unternehmen steht in der Pflicht, seine Zusagen einzuhalten. Als selbsternannter Weltkonzern kann die Telekom sich nicht einfach einen schmalen Fuß machen, wenn Zeitpläne nicht eingehalten werden. Die Umsetzung des Ausbaus muss mit dem notwendigen Nachdruck eingefordert und umgesetzt werden“, sagte Bastian.

Ein Gedanke zu “Mehr Entscheidungsräume für den ländlichen Raum

  1. Der Landtagswahlkampf wirft seine Schatten voraus. Höchste Zeit, die SPD als „Partei für den ländlichen Raum“ anzupreisen. Gemeint ist damit nur, dass die SPD von den hiesigen Landbewohnern in den Landtag gewählt werden will. Und im Landtag tagt eben nicht nur das Land, sondern es muss ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Metropolen und Ballungsräumen, deren Umland und eben dem „platten Land“. Dass es sich da schlecht leben ließe, darf man nicht behaupten. Denn im Kreis regiert die SPD mit Landrat Manfred Görig. Und dass aus Wiesbaden der Untergang des Landes drohe, darf man auch nicht behaupten, da dort die CDU regiert, mit der als größerem Partner man eine GroKo im Kreistag bildet, und das zusammen mit den Grünen, mit denen man die Jahre zuvor eine kleine Koalition im Kreistag bildete. Und in Berlin saß bis vor kurzem sogar die CSU mit am Regierungstisch. Es ist vertrackt. Kein Horrorszenario möglich, kein Sündenbock zu benennen, kein schwarzer Peter zuzuschieben, wo man selbst mit in der Verantwortung stand. Bewährter Trick: Erstmal wird die rosa-rote Brille ausgepackt. Mit Rosamunde Schäfer-Gümbel in die pinkfarbene Barbie-Welt. Und alles, was bisher noch nicht funktioniert hat (bessere Ärzteversorgung, schnelles Internet, dichterer Personennahverkehr und, und, und… fordert man natürlich nur, damit es so schön bleiben kann, wie es jetzt schon ist.
    Kann man so heute noch Politik verkaufen? Glaubt das noch irgend jemand? Landtagskandidat Bastian und sein Unterstützerkreis scheinen das anzunehmen. Hat doch bisher immer funktioniert. Ein paar anbiedernde Floskeln, ein paar allgemein klingende Forderungen – und schon ist der Wähler gestärkt für die nächste große Luftnummer. Schnelles Internet? Lange angekündigt, aber nichts von zu sehen. Da wird von Breitband geschwafelt. Das sind die alten Kupferkabel. Anderswo wird Glasfaser bis in jeden Keller verlegt. Sogar in Afrika. Und wo sind die kommunalen Kliniken und medizinischen Versorgungszentren, von denen immer wieder die Rede ist, um dem seit langem drohenden Ärztemangel abzuhelfen? Nicht mal für die erforderliche Zahl von Notarztstützpunkten wird gesorgt. Man hört immer nur, dass es eben nicht anders gehe, wie es gerade gelaufen ist.
    Der Bürger und Wähler will wieder die Sprache der Tat hören. Lösungen statt Ausflüchten, warum dies nicht geht und das nicht geht. Und die fünfundzwanzig Prozent, die abgehängt, alt, einsam und arm sind und die deshalb in den Eigen-Lobeshymnen der Politiker auch nie vorkommen, weil damit ihr sozialpolitisches Versagen dokumentiert würde, wollen wieder eine Stimme haben. Oder sie verschaffen sich schon bald selbst die Aufmerksamkeit, die ihnen vorenthalten wird.

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