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Bürgerversammlung zur Flüchtlingswelle in Lauterbach zeigt viel Hilfsbereitschaft aufHilfen für „Menschen, die vom Krieg gezeichnet sind“

LAUTERBACH (aep). „Es ist ein Thema, das uns alle beschäftigt!“ Mit dieser Zusammenfassung hatte Lauterbachs Stadtverordnetenvorsteher Lothar Pietsch sichtlich Recht: Die Welle von mehr als erwarteten Flüchtlingen in wenigen Tagen füllte als Thema einer Bürgerversammlung am Dienstagabend die Aula der Alexander-von-Humboldt-Schule mit über 400 Besuchern. Man wollte wissen, was Landrat Manfred Görig zu erklären hatte – und es stellte sich bei der Gelegenheit heraus, dass die Nachricht von dem plötzlich Ansturm in Lauterbach auf eine Welle von Hilfsbereitschaft stößt, wenngleich gemischt mit Bedenken zur Sicherheit. Landrat Görig äußerte dabei Bedenken, dass die Sporthallen in einem halben Jahr wieder von Bewohnern geräumt werden könnten.

Für 320 Flüchtlinge wurde die Großsporthalle an der Wascherde seit Freitagfrüh von zahlreichen Helferinnen und Helfern in ganz unterschiedlichen Organisationen hergerichtet – zusammen mit drei weiteren Sporthallen im Kreis, die in nächster Zeit insgesamt 1015 Flüchtlinge aufnehmen sollen – als eine Art „Überlaufunterbringung“ für gefüllte Erstaufnahmelager in Hessen, wie Landrat Görig erläuterte, der zusammenfasste: „Die Situation hat sich seit Donnerstag stark verändert.“ Görig, der den Einsatzbefehl der Landesregierung umsetzen ließ, bis Montagabend vier Hallen für 1000 Flüchtlinge wohntauglich zu machen, lobte dabei die Einsatzbereitschaft der vielen Helfer auch in der Vogelsberger Kreisstadt – und rief dabei großen Beifall in der Schulaula hervor.

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Gut 400 Menschen füllten die Aula der AvH-Schule in Lauterbach. Unter ihnen auch Kai Kreuzer von der Flüchtlingsinitiative, der zum Mitmachen aufforderte (Bild unten).

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Dabei hatte der Landrat auch für die Zukunft keine Entwarnung über weiteren Zustrom geben können: Es könne eher sein, erklärte er auf eine Frage aus dem Publikum, dass das Land noch weitere Hallen im Kreis für Aufnahmelager fordert – es könnten in Bälde bereits weitere 600 Flüchtlinge angekündigt werden. Und man solle sich im Klaren darüber sein, dass die Hallen  gebraucht würden, solange der Strom der Flüchtlinge aus den Krisenregionen im nahen Osten sowie Afrika nicht nachlässt – das könne weit über die zur Zeit avisierten sechs Monate hinaus sein. „Das muss man einfach wissen!“, stellte der Landrat fest und erntete Beifall ob der offenen Worte.

Gängige Ansicht: die Leute auffangen und möglichst schnell integrieren

Die fremden Menschen menschlich aufzufangen und möglichst zu integrieren, muss ein wichtiges Ziel sein: Das war nicht nur Meinung des Landrats, sondern kam auch als Ansicht in Fragen und Anregungen aus dem Publikum, das sich viel für Perspektiven und Hilfemöglichkeiten interessierte. Anstöße für Unterstützungsmöglichkeiten gab Kai Kreuzer als ein Vertreter der Lauterbacher Flüchtlingsinitiative, die sich bereits damit beschäftige, wie Flüchtlinge in der Kreisstadt möglichst schnell integriert werden können.

Das nächste Treffen der Flüchtlingsinitiative ist übrigens bereits am Dienstag um 14 Uhr im Bonifatiushaus in der Adolf-Spieß-Straße 6. Und Helfer seien höchst willkommen, betonte Kreuzer ebenso wie der Landrat. Denn die derzeit ehrenamtlich aktive Helferschar – mehr als 400 Menschen in unterschiedlichen Organisationen vom THW bis Feuerwehr und DRK – komme an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, so dass weitere helfende Hände benötigt würden. Listen der Flüchtlingsinitiative zum Eintragen lagen aus.

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In der Diskussion mit dem Publikum kamen viele optimistische, aber auch besorgte Stimmen der Menschen in Lauterbach zutage.

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Daneben schwang auch eine andere Stimmung mit: Sorge um die Sicherheit äußerten vor allem Frauen im Publikum. Immerhin, so erläuterte eine ihre Angst, kämen auch viele Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, die andere Grundwerte im Umgang mit Frauen mitbrächten. Es sei dringend wichtig, ihnen die deutschen Werte nahezubringen – möglicherweise zunächst einmal mit Handzetteln in ihrer Sprache? Diese Idee griffen auch andere Besucher auf, und Landrat Görig versprach, sich in Zusammenarbeit mit der Flüchtlingsinitiative darum zu kümmern, sobald die wichtigsten Arbeiten zur Aufnahme erledigt seien: Die Initiative entwirft das Papier, und die Kreisverwaltung vervielfältigt.

Helfen sei ja wichtig, stellte ein Mann fest, der ebenfalls nach Maßnahmen zur Sicherstellung von Ordnung fragte: „Das ist nicht verwerflich!“ Worauf Görig ebenfalls versprach, dass die Polizei im Umfeld der Halle verstärkt Streife fahren werde – während eine eigene Security dafür sorge, dass niemand Unbefugtes hinein- oder herauskommt. Er habe eigentlich anders herum mehr Angst vor Übergriffen, sagte Landrat Görig.

„Das sind Menschen, die vom Krieg gezeichnet sind.“

An der Stelle kamen jene Stimmen auf, die dazu animierten, weniger Angst vor den Fremden zu haben: „Wer diese Menschen einmal getroffen hat, der kommt verändert zurück“, sagte zum Beispiel der Landrat: „Das sind Menschen, die vom Krieg gezeichnet sind.“ Er warb dafür, außerhalb der Aufnahmelager Begegnungsstätten zwischen Flüchtlingen und Einheimischen zu schaffen – so wie Kai Kreuzer von der Flüchtlingsinitiative sprachkundige Lauterbacher aufforderte, sich als Vermittler zur Verfügung zu stellen.

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Schulleiterin Tanja Karina Schwan-Brosig warb für Verständnis: „Die Leute die in der Nacht hierher kommen, die haben vielleicht viel mehr Angst!“

Eine Besucherin, die nach eigenem Bekunden viel Erfahrung im Umgang mit Menschen im Ausland hatte, empfahl den Lauterbachern, die Ankömmlinge persönlich kennen zu lernen: „Geben Sie den Flüchtlingen ein Gesicht! Lernen Sie die Menschen kennen, dann löst sich die anonyme Masse auf!“ Die Begegnung könnte sich für beide Seiten lohnen, denn; „Die Leute, die es bis hierher geschafft haben, die sind schlau und die sind tough!“

Viel mit Anfragen besorgter Eltern hat derzeit Tanja Karina Schwan-Brosig als Leiterin  der Schule an der Wascherde zu tun, in deren unmittelbarer Nachbarschaft die Sporthalle steht. Sie gab den Besuchern des Abends de Anregung mit, sich das Ganze einmal aus Sicht der Ankömmlinge vorzustellen, um eigene Befürchtungen zu überwinden: „Ihr habt so viel Angst! Aber die Leute die in der Nacht hierher kommen, die haben vielleicht viel mehr Angst!“

Die ersten 300 Menschen kommen in der Nacht zu Mittwoch

In der Nacht zu Mittwoch, so hatte der Landrat durchblicken lassen,  sollen die ersten Busse mit Flüchtlingen im Vogelsberg ankommen. In einer Pressemitteilung ist von 300 Menschen die Rede 300 Flüchtlingen, die mit Bussen nach Lauterbach gebracht würden.

Einen genauen Zeitpunkt konnten die Verantwortlichen in Bund und Land dem Vogelsberger Landrat nicht nennen. Auch wann genau die vermutlich sechs Busse in Baden-Württemberg in Richtung Lauterbach losfahren, ist in der Kreisverwaltung nicht bekannt. Die Einsatzleitungen vor Ort und der Stab sind auf Begrüßung, medizinische Untersuchung und die Registrierung vorbereitet.

Der Landrat bittet die Bevölkerung, das Ruhebedürfnis der Flüchtlinge beim Ankommen und in den Stunden danach zu respektieren. „Bitte achten Sie das Ruhebedürfnis der Ankommenden und der Anwohner“

Ein Gedanke zu “Hilfen für „Menschen, die vom Krieg gezeichnet sind“

  1. Ich war heute eine von ca. 400 ZuhörerInnen im DGH Mücke zum Thema Asylanten/Flüchtlinge.

    Ich hatte das Gefühl, die Gemeinde Mücke hat nicht mit so einem großen Interesse gerechnet. Denn es waren 300 Stühle gestellt und ich schätze einmal grob, haben noch ca. 50- 100 Interessierte an den Seiten gestanden.

    Die Erläuterungen des Landrates waren offen, ehrlich und er beschönigte nichts.
    Er sagte es kommen jetzt 125 Flüchtlinge nach Nieder-Ohmen.
    Aber es könne jederzeit eine weitere Anfrage vom Land Hessen geben und dann müsse man sich möglicherweise mit dem Gedanken vertraut machen, dass noch mehr Turnhallen für einen gewissen Zeitraum umgenutzt werden müssen.

    Ich persönlich bin der Ansicht, dass der Bürgermeister der Gemeinde Mücke, mit sehr viel Empathie und Mitgefühl auf das Schicksal der jetzt Ankommenden hinwies und die Möglichkeiten der Gemeinde herausstrich.

    Er gab aber auch zu Bedenken, dass die Ressourcen unserer ehrenamtlichen Helfer fast an ihren Grenzen angekommen sind und er sich über jeden weiteren Freiwilligen freut.

    Für die bürokratische Abarbeitung der Angebote von Freiwilligen gibt es einen Fragebogen der zum Einen am Ausgang des DGH auslag aber auch von der Homepage der Gemeinde Mücke heruntergeladen werden kann.
    Allerdings ist zur Zeit die Kleiderfrage nicht mehr vorrangig, da hier schon so viel Gespendet wurde, dass man die ankommenden Flüchtlinge mit Winterkleidung einkleiden kann.

    Während der gesamten Veranstaltung blieb der Bürgermeister der Gemeinde souverän und zeigte Mitgefühl, Mitgefühl für die ankommenden Flüchtlinge aber auch für die Sorgen und Ängste seiner Mitbürger.

    Während einer Fragerunde war es allen anwesenden Bürgern möglich, ihre Bedenken und Fragen zu äußern.

    Mir ist klar, dass unser Landrat zur Zeit an einer sehr großen Schraube mit dem Thema „Flüchtlinge“ zu drehen hat und dass diese Informationsveranstaltung nur ein ganz kleiner Teil seiner Verantwortlichkeit ist.
    Allerdings ist diese Infoveranstaltung dafür gedacht, dass die Bürger und Bürgerinnen unserer Gemeinde, ihre Ängste und Befürchtungen, sowie ihre Fragen zu der allgemeinen Situation stellen können.

    Und dann erwarte ich von einem Landrat, dass er trotz Ermüdung, trotz wahrscheinlich sich widerholender Fragen von Veranstaltungen vorher, den Bürgern und Bürgerinnen der Gemeinde Mücke den Respekt erweist und jede Frage ernst nimmt.

    Natürlich kann es dann auch passieren, dass Fragen eventuell durch die Aufregung vor so einem großen Publikum agieren zu müssen, etwas daneben gehen. Aber, ich persönlich bin der Ansicht, lieber die Fragen in dieser Runde gestellt und von den Verantwortlichen mit Respekt beantwortet als, dass es dann in den Jargon der Gasse gerät, wo jeder weiß und jeder gehört hat, aber keiner dabei gewesen ist.

    Ich denke im Großen und Ganzen war der Abend ein sehr gelungener Abend nicht zuletzt durch die empathische Gesprächsführung durch den hiesigen Bürgermeister Matthias Weitzel.
    Natürlich konnten nicht alle Sorgen und Ängste an diesem Abend ausgeräumt werden.

    Ich denke vieles wird sich einspielen wenn die ersten Flüchtlinge angekommen sind. Zur Zeit ist ja noch nicht einmal bekannt ob nur Männer kommen oder ganze Familien. Ob- und wieviel Kinder dabei sein werden usw.

    Lassen wir sie in Ruhe ankommen.
    Von dem Bürgermeister der Gemeinde Mücke wünsche ich mir, dass er weiterhin so offen und transparent mit dem Thema umgeht und die Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde Mücke auf dem Laufenden hält.

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