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Besonders schwierige Ernte auf weichen Böden – Hilfe aus der WetterauAuf Ketten über die sumpfigen Getreidefelder

SCHWALM/VOGELSBERG. Bei der Frage muss Matthias Mäser nachdenken. Nein: Er ist schon so lange Lohnunternehmer, erklärt er. Sein Vater auch schon seit den 60er Jahren. Aber so eine Ernte, so verregnet und nass: „An so etwas kann ich mich nicht erinnern!“, sagt er mit Überzeugung und schaut wieder auf das Gewimmel zu seinen Füßen, wo Weizenähren sich am Einlass drängeln. Matthias Mäser fährt einen riesigen Mähdrescher über Vogelsberger und Schwälmer Felder – einen besonderen, der in diesem Jahr verstärkt gefragt ist: einen mit Kettenantrieb. Ein Gerät, das nicht im nassen Boden versinkt, wie die üblichen Maschinen, die reihenweise aus tiefen Löchern gezogen werden mussten.

Der Erntesommer 2014, so scheint es,  wird einmal als einer der regenreichsten in die Annalen der Landwirtschaft eingehen. Ein Sommer, in dem heiße Tage sich mit ergiebigen Regengüssen abwechselten: Das hat Folgen für die Landwirtschaft. Denn Sonne und Wind trocknen zwar die Ähren ausreichend, dass geerntet werden kann – und die Erträge sind nach Angaben der Bauern auch durchschnittlich gut – doch der Boden trocknet nicht. Das Erdreich ist immer nasser geworden. Folge: Viele Felder können mit den tonnenschweren Erntemaschinen nicht richtig befahren werden. „Das ist das Hauptproblem“, stellte unlängst der Kreislandwirt Andreas Kornmann auf Anfrage von Oberhessen-live fest. Die Ähren sind freif, müssen geerntet werden. Aber viele Mähdrescher versacken bis zu den Achsen im weichen Untergrund, müssen mit Schleppern herausgezogen  werden.

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Herr über 420 PS: Matthias Mäser im Cockpit des Claas-Dreschers beim Abpumpen des Getreides.

 

Mit zwei Claas Lexion 570-Mähdreschern in Richtung Alsfeld/Schwalm

Da kommt der Ruf nach besserem Erntegerät. Der junge Holzburger Landwirt Andre Grein habe bei ihm angerufen, erzählt Matthias Mäser an Bord seiner Maschine. Er habe doch einen Mähdrescher mit Ketten anstelle von Reifen – so wie ein Panzer halt. In der Region versinken die Erntegeräte, ob er denn nicht aushelfen könne. Matthias Mäser hat seinen Hof und sein Lohnunternehmen zwar in der Nähe von Büdingen. Aber er wollte doch helfen. „Warum nicht? Hilft du eben einem Berufskollegen aus“. In der Wetterau sei die Ernte ohnehin weitgehend abgeschlossen gewesen. Mäser und ein Kollege setzten sich an Bord ihrer beiden Claas Lexion 570-Mähdrescher und steuerten die riesigen Maschinen gen Alsfeld und Schwalm. Aber nicht etwa auf Transportlastwagen, sondern so wie sie jetzt über die Felder brummen: „Auf diesen Ketten bin ich hierhergefahren!“ Bei höchstens 25 Stundekilometern war die Überführung ein fast vierstündiges Geduldspiel.

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Gut acht Tonnen Getreide kann der Mähdrescher im Tank speichern.

 

Matthias Mäser wurde wahrlich gebraucht. Zwei Tage sollte sein Einsatz zwischen Vogelsberg und Schwalm eigentlich dauern: „Zwei Wochen sind jetzt daraus geworden.“ Immer neue Hilferufe kam, nachdem sich der Einsatz der beide Ketten-Drescher erst einmal herumgesprochen hatte. Deren großer Vorteil: Mit ihren 2,5 Meter langen Kettenantrieben auf der Vorderachse verteilt sich das Gewicht auf eine erheblich größere Fläche als bei normalen Reifen. Diese Maschinen sinken nicht so leicht ein, können auch auf nassen Äckern fahren – in gewissen Grenzen.

Ernte auf nassen Äckern: Das erlebten Matthias Mäser und Kollegen reichlich in den vergangenen zwei Wochen. Da waren Böden bei, auf denen auch die Ketten-Drescher Probleme bekamen. Da waren Felder bei, von denen der Regen gar nicht abzulaufen schien. „Wir sind teilweise mit dem Messer durch das blanke Wasser gefahren“, erzählt der 46-Jährige. Unter Landwirten wird denn schonmal geflucht, dass der Vorfluter nicht gut ausgeräumt ist – das rächt sich in solchen Sommern.

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Neun Meter Schnittbreite: Da sind manche Felder flott mit abgeerntet.

 

Wenn es keine Problem gibt, dann ist Mathias Mäser auf seinem 420 PS starken Ungetüm ganz schön flott bei der Ernte. Kein Wunder: Das Schneidwerk ist mit neun Metern ungewöhnlich breit, der Tank mit zehn Kubikmetern sehr groß: Da ist manches Feld mit wenigen Runden abgeerntet. „Das ist doch einfach“, lacht Matthias Mäser auf die Frage nach der Handhabung so eines großen Mähwerks. „Angefangen habe ich mit drei Metern, dann waren es sechs. Und jetzt: Wenn ich einmal rum bin, habe ich richtig schön Platz.“

Aber es gab auch Probleme: Gestern, so erzählt er bei der Fahrt über das Land zwischen Zella und Röllshausen, „haben wir schwer geackert, aber es ging.“ Am Sonntag, da war auch für die Kettenfahrzeuge Schluss: Sein Claas sank ein und musste mit Hilfe von Schleppern befreit werden. Aber jetzt hat der Büdinger ein Ende der Plackerei vor Augen. 14 Tage lang fuhr er zwischen Schwalm und Wetterau hin und her: Heimkehr in der Nacht, kurzer Schlaf, kurzer Check auf dem eigenen Hof und wieder los zum Dreschen. „Ein Tag noch dann ist es durch“. Dann ist zwischen Alsfeld und Schwalmstadt eine wahrlich schwierige Ernte abgeschlossen.

Von Axel Pries

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Vom Cockpit aus hat der Fahrer gute Übersicht über das Feld.

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Weniger Druck: Die 2,5 Meter langen Ketten verteilen das Gewicht besser. Dennoch: Auch die Maschinen von Matthias Mäser sanken einmal ein.

 

 

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