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Viel Regen, weiche Böden: Die Getreideernte ist schwierig – Furcht vor QualitätseinbußenMähdrescher versinken in den reifen Feldern

HEIDELBACH/HOLZBURG/ZELL. Wenn Franz Schreier vorführen will, wovon er spricht, dann muss er nur von Heidelbach ein paar Hundert Meter den Hügel hinauf fahren. Dort steht ein Schlag Weizen, seit Tagen nur halb abgeerntet. Der Grund ist schnell zu erkennen: Tiefe Löcher im Boden zeigen, wo ein Mähdrescher bis zu den Achsen versunken ist. „Hier waren sie mit vier Schleppern im Einsatz!“, erklärt Franz Schreier. Das ist kein Einzelfall in diesem Sommer: Die Ernte 2014 gilt wegen des vielen Regens als schwierig. Die Qualität des Getreides leidet, der Boden ist so tückisch, dass mancher Mähdrescher steckenbleibt.

Was bei Heidelbach in einer Nacht als Extrem geschah, soll es in diesem Jahr auf vielen Äckern in ähnlicher Art gegeben haben: Ein mehrere Hunderttausend Euro teurer Mähdrescher sackt auf dem weichen Boden so tief ein, dass die Maschine sich nicht mehr alleine fortbewegen kann. Schlepper müssen gerufen werden, die das schwere Gefährt wieder flott machen. Auf dem Heidelbacher Weizenacker waren am Wochenende gleich vier Traktoren notwendig, um einen vollen, bis zu den Achsen versunkenen Mähdrescher aus dem Dreck zu schleppen. Zurück blieb, was der frühere Landwirt Franz Schreier kopfschüttelnd vorführt: tief gefurchte Fahrspuren und zwei noch tiefere Löcher, wo der Mähdrescher eingesunken war. Da kommen Erinnerungen an Manöverschäden im Kalten Krieg auf.

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Ungewöhnlich tief: Der Holzburger Landwirt Frank Hahn weist auf Fahrspuren auf seinem Weizenfeld.

Nicht ganz so schlimm ist es ein paar Kilometer weiter in der Schwalm auf dem Weizenfeld von Frank Hahn, Landwirt aus Holzburg. Er nickt aber auf die Frage, ob er auch Geschichten von festgefahrenen Dreschmaschinen gehört hat. „Es gibt Flächen, die gar nicht zu ernten sind“, sagt er. Auch sein Feld weist ungewöhnliche Furchen auf, sagt er und weist ein paar Meter weiter, wo die typischen Spurrillen von weichem Untergrund künden.

Das ist aber nicht das ganze Problem dieser Ernte. Die vielen starken Regengüsse verringern die Qualtät des Getreides als Backweizen, dessen zunehmende Reife Landwirte zum Ernten zwingt, auch wenn der Boden nach einem Schutt noch nicht wieder abgetrockenet ist. „Die Fallzahl ist noch gut“, meint Frank Hahn. Das ist eine Maßeinheit für die Qualität als Brotweizen. Aber er muss jetzt ernten. Jede Verzögerung bringt sein Getreide näher an die Abstufung zum Futterweizen – und schmälert den Preis, den er erzielen kann. 2011, so erinnert er sich, gab es schon mal eine so nasse Ernte.

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Als ob Panzer drüber gefahren wären: Franz Schreier zeigt eine völlig zerfahrene Oberfläche auf dem halb abgeernteten Feld.

Ähnlich sieht das auch Andreas Kornmann, frisch gebackener Vogelsberger Kreislandwirt aus Zell, gegenüber Oberhessen-live: „Der Ertrag ist nicht schlecht“, sagt er, „aber die Qualität leidet.“ Das gelte allerdings auch nur für den großen Überblick. An Stellen mit sandigen, leichten Böden habe im Vogelsberg schon die April-Trockenheit für Etragseinbußen gesorgt. Und die Landwirte hätten jetzt „ein Riesenproblem mit der Befahrbarkeit der Böden“, das sich mit fortschreitender Reife verschärft.

Das Getreide ist soweit, jeder Tag des Wartens verringert nur die Qualität – und wenn Sonne und Wind nach dem Regen die Ähren getrocknet haben, dann legt der Bauer mit dem Mähdrescher los. Kornmann: „Wenn die Körner jetzt reif sind, dann wird auch gefahren!“ Aber dann ist der Untergrund in diesem Jahr bis in tiefere Schichten oftmals noch sehr weich.

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Ernte 2014, hier bei Holzburg: Die Erträge sind vielfach in Ordnung, aber die Qualität leidet unter dem Wetter.

Die tonnenschweren Gefährte sacken ein. Und nicht alle Drescher kommen glimpflich davon. Weil die teuren Maschinen keine Abschlepphaken haben, müssen Seile an Achsen und Mähwerken befestigt werden – und manchmal werden die Teile bei der Aktion verzogen, sind teure Reparaturen fällig.

Neuartige Raupenfahrwerke könnten in solchen Jahren für Abhilfe sorgen, erklärt Andreas Kornmann. Weil die großen Mähdrescher nicht noch breiter werden können – sie müssen auf öffentliche Straßen passen – können die Reifen nicht breiter werden. Für eine bessere Druckverteilung sorgen Raupenfahrwerke, die die Auflagefläche vergrößern. Solch ein noch seltenes Gefährt soll nun auch den Rest des Feldes bei Heidelbach abernten. Und ohne Raupen müssen die Bauern sich behelfen. Wenn’s geht, wird zum Beispiel nur hangabwärts geerntet. Der wichtigste Tipp: Der Korntank sollte nicht voll gedroschen werden – nur mit drei statt sechs Tonnen. Allerdings: Dann dauert es auch einige Zeit länger, bis so eine Weizen-Ernte eingefahren ist.

Von Axel Pries

2 Gedanken zu “Mähdrescher versinken in den reifen Feldern

  1. . . . mit Sicherheit ist es momentan sehr nass auf den Äckern, aber diese Wetterlagen gab es schon immer. Was nicht schon immer so war ist die Dimension der Mähdrescher. Manchmal begenen einem Maschinen auf den Straßen, die so groß sind, dass man sich fragt, ob die überhaupt fürs öffentlich Straßennetz zugelassen sind. Kann es sein dass der alte „ClaasColumbus“ mit halber Schnittbreite und einem Drittel Gewicht ein Feld noch abernten kann, wo sein gigantischer Nachfolger nur noch absäuft ? Aber es ginge ja dann zu langsam, und Zeit ist schließlich Geld.. .

  2. Mal ne ganz dumme Frage: Wäre das Problem ggf „wie früher“, also mit der Sense und Manpower zu lösen? Abgesehen davon, daß nicht wirklich annähernd genügend Menschen dafür zur Verfügung stehen…

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