Bauen und Wohnen4

Schnelles InternetTNG und Goetel beharken sich in Freiensteinau

FREIENSTEINAU (jal). „Ich bau aus!“ – „Nein, ICH bau aus!“ In Freiensteinau unterstreichen grade die beiden Internetanbieter TNG und Goetel ihren Anspruch, die Gemeinde mit schnellem Internet zu versorgen. Bürgermeister Spielberger hält sich neutral zurück – und kann der Situation sogar etwas Positives abgewinnen.

Manche würden vielleicht sagen, es herrsche gerade Goldgräberstimmung in Freiensteinau. Ob das den Internetanbietern nun gerecht wird, ist so eine Frage. Fakt ist: Glasfaser-Gräber-Stimmung herrscht allemal in der Vogelsberger Gemeinde.

Schon als der breiten Masse eher unbekanntere Internetanbieter anfingen, plötzlich den Vogelsberg unter sich aufzuteilen, zeichnete sich ab, dass die Göttinger Firma Goetel und das Kieler Unternehmen TNG beide Interesse daran haben, in Freiensteinau aktiv zu werden. Beide rührten die Werbetrommel, und zwar so stark, dass etliche Bewohner sogar bei beiden Anbietern einen Vorvertrag unterschrieben. Sicher ist schließlich sicher.

Beide Anbieter erreichten in dieser Gemengelage genug Vorverträge, um das Projekt Glasfaserausbau in Freiensteinau tatsächlich in Angriff nehmen zu wollen. Die TNG verschickte vor wenigen Tagen dazu eine Pressemitteilung. In ihr wurde der symbolische erste Spatenstich verkündet. „Ab sofort beginnen die Ausbaumaßnahmen in der gesamten Gemeinde Freiensteinau für die Einwohner:innen in Fleschenbach, dem Kernort Freiensteinau, Gunzenau, Holzmühl, Nieder-Moos, Ober-Moos, Radmühl, Reichlos, Reinhards, Weidenau und Salz. Viele Abschnitte werden parallel ausgebaut, mit dem Ziel, bis Ende des Jahres fertig zu werden“, heißt es in dem Text. Der dafür nötige Hauptverteiler ist im April aufgestellt worden.

Der Konkurrent Goetel verschickte ebenfalls eine Pressemitteilung. Der Betreff: „Goetel kritisiert das Vorgehen der TNG in Freiensteinau.“

Darin steht: „In der Gemeinde Freiensteinau sorgt das Verhalten des Telekommunikationsdienstleisters TNG aus Kiel für Verwunderung. Die TNG hat den eigenen Glasfaserausbau in der Gemeinde im Vogelsbergkreis gestartet, obwohl zehn der elf Ortsteile bereits streckenweise an das Glasfasernetz des Glasfaserunternehmens Goetel angeschlossen sind. Der Geschäftsführer der Goetel, Daniel Kleinbauer, übt scharfe Kritik an dem Vorgehen des Mitbewerbers.“ Und diese Kritik ist folgende: „Besonders verunsichert sind jetzt natürlich die Einwohnerinnen und Einwohner vor Ort. Sie fürchten doppelte Kosten, wenn sie sowohl bei der Goetel als auch bei einem anderen Anbieter einen Glasfaseranschluss beantragt haben. Es ist niemandem klar, was für Ziele die TNG mit dem doppelten Ausbau verfolgt.“

Goetel verweist auf eigenen Ausbau

Anschließend verweist das Unternehmen auf seine bisherigen Schritte in der Gemeinde. So sei in den Ortsteilen Fleschenbach, Gunzenau, Holzmühl, Nieder-Moos, Ober-Moos, Radmühl, Reichlos, Reinhards, Salz und Weidenau Glasfaser bis in die Verteilerkästen verlegt worden, wodurch die „Sofortversorgung“ bereits angeboten werden könne. Die Art der Versorgung spielt in dem Streit der Unternehmen eine zentrale Rolle.

Die Sofortversorgung ist das, was in der Diskussion um Glasfaser oft mit den Buchstaben FTTC abgekürzt wird. Dabei werden die bestehenden Verteilerkästen zunächst mit Glasfaser versorgt, um, etwas vereinfacht gesagt, nochmal alles was geht an Leistung aus den alten Kupferleitungen in den Straßen herauszuholen. So gibt es erstmal ganz ordentliches Internet, doch die Technik gilt als Zwischenlösung und wenig zukunftssicher. Bei FTTH werden die alten Kupferleitungen überflüssig, weil das Glasfaser bis ins Haus verlegt wird. Die Goetel sagt, sie habe dies als nächsten Schritt in der ganzen Gemeinde vor. In Gunzenau, Holzmühl, Nieder-Moos, Reichlos und Reinhards werde bereits Glasfaser bis ins Haus verbaut. Der Ausbau der restlichen sechs Ortsteile sei für die zweite Jahreshälfte 2022 vorgesehen, denn für alle elf Ortsteile seien die Vertriebsquoten für den Glasfaserausbau bis in die Häuser erreicht worden.

Doch da ist ja noch die TNG, die ebenfalls ausbauen will. Goetel-Chef Kleinbauer sagt dazu in der Mitteilung. „Ein doppelter Glasfaserausbau bietet weder den Kunden vor Ort noch der Gemeinde selbst irgendeinen Vorteil. Ganz im Gegenteil. Straßen, Gehwege und Grundstücke müssen doppelt aufgerissen werden, damit eine zweite Leitung neben unsere verlegt werden kann. Es gibt keinen Grund ein zweites Netz zu bauen, da wir jederzeit offen für Gespräche zur Öffnung unseres Glasfasernetzes für andere Internetanbieter sind.“

Die Mitteilung der Goetel endet schließlich mit den Worten: „Kleinbauer lässt sich von der Konkurrenz nicht beirren: ‚Fakt ist, dass jeder Kunde und jede Kundin der Goetel in Freiensteinau den bei uns bestellten Glasfaseranschluss auch bekommt. Störfeuer von anderen Anbietern werden uns nicht von unseren Zusagen abweichen lassen. Die Goetel wird Freiensteinau flächendeckend mit Glasfaser bis in die Häuser versorgen.‘“

Der offizielle Spatenstich der TNG. Auf dem Foto zu sehen: Lars Seiler (Bauleiter TNG), Patrick Hoffmann (Bereichsleiter Süd, Circet GmbH) für die Gemeinde Freiensteinau Bürgermeister Sascha Spielberger, Jasmin Nuhn (Vertrieb TNG) und Raphael Kupfermann (Regionalleiter TNG). Foto: TNG

Bei der TNG hat man diese Mitteilung, so ist zu vernehmen, durchaus verwundert, und dennoch sportlich aufgenommen. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt ein Mitarbeiter des Unternehmens. Wer offiziell nachfragt, dem wird schnell klar: Die TNG hat nicht vor, dem Konkurrenten das Feld zu überlassen. Und das hat auch mit der unterschiedlichen Herangehensweise an den Ausbau zu tun. Die TNG unterstreicht, dass sie sofort FTTH, also Glasfaser bis ins Haus, ausbaue, und sich nicht damit aufhalte, zunächst die alte Kupfertechnik flott zu machen.

„TNG hat keine Kenntnis davon, dass in Freiensteinau bereits ein FTTH-Netz entsprechend unserem Vorhaben existiert“, sagt Raphael Kupfermann, der Regionalleiter Hessen des Kieler Unternehmens, auf Anfrage von Oberhessen-live. Übersetzt heißt das so viel wie: Aus Sicht der TNG ist Freiensteinau immer noch ein weißer Fleck in Sachen Glasfaser, weil die Kieler die Goetel-FTTC-Lösungen nicht als Konkurrenz zu ihrem Sofort-bis-ins-Haus-Ausbau gelten lassen. Und offenbar trauen sie sich zu, dieses FTTH-Netz schneller flächendeckend zu schaffen als die Goetel, die ja sagt, dass sie da ebenfalls dran sei.

Und genau wie die Goetel sieht sich die TNG mit einem starken Mandat ausgestattet, den Ausbau tatsächlich voranzutreiben. Das Unternehmen spricht von einer Vorvertragsquote von 77 Prozent. „Das ist die höchste Quote, die eine Gemeinde jemals in unseren Projekten erreicht hat“, sagt Kupfermann. Der Regionalleiter weist darauf hin, dass die TNG ihre Netze stets in der „Open Aces“-Weise baue, um so „zukünftig anderen Telekommunikationsunternehmen auf Vorleistungsebene die Infrastruktur zur Verfügung stellen zu können.“ Absprünge verzeichne das Unternehmen keine, es kämen sogar noch neue Aufträge hinzu.

Zur Frage der möglichen doppelten Kosten, wenn Kunden bei beiden Anbietern einen Anschluss beantragt haben, sagte Kupfermann schon vor einiger Zeit bei OL, dass dies bis zur Auftragsbestätigung aus Sicht der TNG kein Problem darstelle. Doch was ist, wenn die Auftragsbestätigung der TNG schon vorliegt – und man auch bei der Goetel nicht mehr so einfach aus dem Antrag herauskommt? Offenbar hat man sich in Kiel darüber Gedanken gemacht. Denn auf Nachfrage bemüht sich Kupfermann zunächst Bedenken zu zerstreuen – und verweist dann auf eine spezielle Regelung, die es Betroffenen möglich machen soll, bei der TNG zunächst nichts zu zahlen – und trotzdem den Anschluss nutzen zu können.

Der Regionalleiter sagt: „Grund zur Sorge vor Doppeltzahlungen gibt es nicht. Sobald der FTTH-Anschluss der TNG errichtet wurde, reicht TNG die Kündigung samt Rufnummernmitnahme beim Altanbieter ein. Das Kündigungsdatum des bisherigen Telekommunikationsanbieters stellt dann das Aktivierungsdatum dar, so dass erst ab diesem Tag eine Berechnung erfolgt.“

 TNG dämpft Bedenken wegen möglicher doppelter Kosten

Der eigentlich interessante Punkt ist jedoch wohl dieser hier: „Sollte das Kündigungsdatum des vorigen Anbieters noch weit in der Zukunft liegen, bietet TNG in Freiensteinau an, den FTTH-Anschluss für nahezu unendlich schnelles Surfen bereits vorab kostenfrei bis zum Aktivierungstermin nutzen zu können.“ Heißt übersetzt: Wer an einen recht neuen Nicht-TNG-Vertrag vielleicht noch zwei Jahre gebunden ist bekommt entweder erst Rechnungen aus Kiel, wenn der alte Vertrag endet und die TNG wirklich beginnt, das Internet zu liefern – oder derjenige surft bei der TNG so lange umsonst. Bürger, die dies betreffe und Interesse daran hätten, sollten sich an den Kundendienst der TNG wenden, sagt Kupfermann.

Im Rathaus jedenfalls scheint Sascha Spielberger dem Ringen der Glasfaserverleger durchaus etwas Positives abgewinnen zu können. „Dass in der Gemeinde Freiensteinau zwei Anbieter den FTTH-Ausbau auf die Fahnen geschrieben haben ist bemerkenswert. Das kennen wir sonst lediglich von Kommunen aus dem Ballungsraum“, sagt der Bürgermeister – und schiebt sogleich den mahnenden Satz nach: „Der Wettbewerb darf jedoch nicht auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger ausgetragen werden.“

So sei es unerlässlich, dass jeder Haushalt, der einen Anschluss möchte, auch einen Anschluss bekommt. „Allerdings ist es jetzt wichtig, dass die Anbieter die Bürgerschaft genauestens informieren, was genau wann geplant ist. Weiterhin muss von den Anbietern klargestellt werden, welche Vertragsmodalitäten angewendet werden. Schließlich haben zahlreiche Haushalte im Rahmen der Vorvermarktung bei beiden Anbietern Interesse signalisiert. Wir erwarten hier einen fairen Umgang“, macht der Bürgermeister klar.

Spielberger verweist zum Abschluss noch auf die Neutralität der Verwaltung. Die Gemeinde selbst könne keine Empfehlung abgeben, da allen Anbietern der Zugang zum Markt gleichermaßen zu gewähren sei. „Allerdings sind zum Beispiel im Tiefbau ganz konkrete Vorgaben einzuhalten, die für alle Anbieter und deren Tiefbaufirmen gelten.“ Ein Teil dieser Vorgaben sieht in der Regel vor, dass jede Firma, die Glasfaser verlegen möchte, die Gehwege und Straßen dazu aufreißen darf – sie aber auf eigene Kosten mindestens wieder in den Ursprungszustand zurückversetzen muss.

4 Gedanken zu “TNG und Goetel beharken sich in Freiensteinau

  1. Dieser Zirkus ist doch im System schon angelegt,es geht nur um das Geld nicht um das Internet.

    2
    2
  2. Das Problem sollte schon gelöst werden, denn Ulrichstein wird auch von beiden Firmen beworben. Es ist halt doch nicht gut, wenn öffentliche Infrastruktur an Privatfirmen geht. – Oder auch nicht, denn Telekom hat Garnichts hinbekommen. Schon ein Dilemma.
    Ich für mein Teil wurde von Goetel ohne Mängel gut mit Glasfaser versorgt. Schon lange bevor TNG im Vogelsberg rumvög……👷🏿‍♂️

    15
    6
    1. Konkurenz ist zwar gut, aber wenn beide Anbieter ihr eigenes Netz verlegen ist das nicht gut und wer bekommt die Förderung vom Staat ? beide ? Die Gemeinde sollte die Oberhand behalten und wer zu erst ausbaut /anfängt dann sollte kein zweiter Anbieter mehr ausbauen dürfen. Es kann aber auch nicht sein, dass die Anwohner von beiden Firmen einen Anschluss bekommen. Absprache und Information an alle Beteiligten durch die Gemeinde wäre sinnvoll gewesen.

      19
      4
      1. Beide Anbieter errichten das Netz im eigenwirtschaftlichen Ausbau. Es gibt keine Fördermittel für den unmittelbaren Ausbau des Netzes im Vogelsberg.

        Die Gemeinde hat rechtlich nicht die Möglichkeit einem Anbieter den Ausbau zu verweigern, während sie den Ausbau eines anderes Anbieters zulässt. Hier müsste auf Bundesebende Richtlinien getroffen werden. Da die Bundesregierung allerdings den freien Wettbewerb um den Glasfaserausbau nachweislich unterstützt, gibt es hier für die Kommune keinen Spielraum.

        Ich sehe im Moment aber auch viel Lärm um nichts. Der Weg von den Ausbauplanugen zu konkreten Bauschritten in jedem Ortsteil ist lang. Am Ende wird es eine Aufteilung der Stadtteile nach Götel oder TNG geben. Wenn in ein paar Jahren das Glasfasernetz dereguliert wird, ist es letztlich auch egal, wer das Glasfaser verlegt hat.

        3
        1

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren