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KOLUMNE des Vermögensmanager Ralf ScheuerÜber FAANG-Aktien, Anlagenotstand und die Frage nach der Schuldenlast

ALSFELD (ol). Insbesondere die Aktienmärkte kennen derzeit nur eine Richtung: nach oben. Hervorzuheben sind hierbei die Technologiewerte, allen voran die sogenannten FAANG-Aktien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google). Eine Kolumne von Ralf Scheuer, Vermögensmanager bei Aurum Vermögensmanagement in Alsfeld, im Wortlaut.

So hat sich beispielweise der Börsenwert von Apple in den letzten 12 Monaten trotz des „Corona-Crashs“ weit mehr als verdoppelt. Ein Anleger, der sich das gesamte Unternehmen an der Börse kaufen möchte, müsste hierfür aktuell sagenhafte zwei Billionen Euro auf den Tisch legen. Das sind 2000 Milliarden Euro. Damit ist Apple wertvoller als der bedeutendste deutsche Aktienindex DAX (Marktkapitalisierung circa1,3 Billionen Euro). Wohl gemerkt: im DAX befinden sich die 30 größten Aktienwerte Deutschlands! Viele weltweite Aktienindizes, allen voran in den USA, haben ihre Niveaus vom Jahresbeginn fast wieder erreicht und zum Teil auch deutlich übertroffen, obwohl es dem überwiegenden Teil der Unternehmen heute deutlich schlechter geht als vor Corona.

Woran liegt das ? Der Hauptgrund für die Aktienhausse ist die monetäre Situation. So fluten die Zentralbanken dieser Welt mangels weiterer Alternativen in historischem Ausmaß die Märkte mit neu geschaffenem Geld, zum Beispiel durch Wertpapier-Ankaufprogramme. Gleichzeitig werden die Zinsen auf einem historisch niedrigem (Negativ-)Niveau gehalten. Hinzu kommen weitere monetäre Impulse der Staaten, wie zum Beispiel ein Helikoptergeld, großzügige zusätzliche Unterstützungen für Arbeitslose und massive Steuererleichterungen in den USA sowie Kurzarbeitergeld und Notkredite in Deutschland oder eine faktische EU-Schuldenunion zur Unterstützung der schwächeren Mitgliedsstaaten. Die Zentralbankbilanzen und die Staatsverschuldung zeigen einen steilen Anstieg, weit über das Niveau der Finanzkrise im Jahr 2008 hinaus. So liegt die US-Staatsverschuldung (gemessen an der Wirtschaftsleistung) mittlerweile auf ähnlichem Niveau wie in Italien.

Kann das gut gehen ?

Die Aufwärtsentwicklung in den Indizes wurde bisher hauptsächlich von einem relativ kleinen Teil der Aktienwerte (Technologie und Gesundheit) getragen, während insbesondere zyklische Branchen (zum Beispiel Maschinenbau) trotz der derzeitigen Konjunkturaufhellung sich noch weit von ihren Jahreshochs entfernt befinden. Dem Markt fehlt es per Saldo immer noch an sogenannter Breite, was ein wichtiges Kriterium für die Solidität eines Aufwärtstrends ist. Hinzu kommt, dass die stark gestiegenen Aktien nun deutliche Überhitzungserscheinungen und somit Rückschlagspotenzial zeigen, indem sie sich sehr weit von ihrer durchschnittlichen Wertentwicklung der Vergangenheit entfernt haben. Durch den pandemiebedingten Gewinnrückgang bei vielen Unternehmen haben sich zudem deren Bewertungen im historischen Vergleich verteuert.

Demgegenüber steht allerdings ein Anlagenotstand, ausgelöst durch die stark angestiegene Geldmenge und das negative Realzinsniveau, also das Zinsniveau nach Abzug der Inflation. Die Anleger stehen vor einem Dilemma: der Wert ihrer Einlagen wird nicht nur durch die Inflation, sondern oftmals auch durch ein Verwahrentgelt geschmälert. Für sicherheitsorientierte Anleger bleibt statt dem Wunsch nach einem einigermaßen risikolosen Zins also nur noch ein zinsloses Risiko, denn auch der mittlerweile weit überteuerte Anleihenmarkt bietet neben entsprechenden Kurs- und Bonitätsrisiken kaum mehr einen Kaufkrafterhalt. Somit bleiben nur noch sach- und substanzwertorientierte Anlagemöglichkeiten übrig. Diese sind vornehmlich Immobilien, Aktien und Edelmetalle. Hier trifft eine riesige Menge an Geld auf eine begrenzte Menge an Investitionsmöglichkeiten, so dass die Preise steigen. Solange die Geldmenge hoch und die Zinsen niedrig bleiben, wird sich an diesem Trend auch bei immer höheren Bewertungen vermutlich nichts ändern.

Beflügeln könnte zudem eine weiter fortschreitende Erholungstendenz der Konjunktur, insbesondere durch ein Ausbleiben eines zweiten Lockdowns sowie eine abschließende Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs. Demgegenüber stehen aber auch latente Risiken durch die hohe Verschuldung vieler Unternehmen. Für eine große Zahl dieser Unternehmen, die ohnehin bereits ums Überleben kämpfen, würde ein zweiter Lockdown ein Todesstoß bedeuten. Schätzungen zufolge könnte dies jedes fünfte Unternehmen betreffen. In einem solchen Fall würden die Insolvenzen explodieren und Banken durch hohe Kreditausfälle vor immense Herausforderungen stellen. Auch wenn Regierungen und Zentralbanken sich mit aller Macht nach dem Motto „what ever it takes“ dagegen stemmen würden, wäre eine weitere Finanzkrise denkbar.

Die Frage nach der Schuldenlast

Sollte dieses Worst-Case-Szenario ausbleiben, stellt sich immer noch die Frage nach der hohen Schuldenlast der Staaten. Solange das Vertrauen in eine Währung nicht verloren geht und die Zinsen niedrig bleiben, können Staaten sich insbesondere in der eigenen Währung nahezu unbegrenzt verschulden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Japan.

Doch eine hohe Schuldenlast belastet die Bürger eines Landes und deren nachfolgende Generationen. Eine Rückzahlung der Schulden durch Sparen ist unwahrscheinlich, denn dies hätte negative konjunkturelle Auswirkungen. Es bleibt als sozialverträglichere Lösung (gegenüber einer Staatspleite) für diese Misere nur noch der Abbau durch Inflationierung. Dies bedeutet, dass die Staaten ihre Schulden über einen längeren Zeitraum durch eine inflationsbedingte Geldentwertung reduzieren. Idealerweise wird die durch monetäre und fiskalpolitische Maßnahmen erkaufte Zeit zudem genutzt, um strukturelle Probleme zu lösen und somit den Weg zu mehr Wachstum, etwa durch Innovation, zu begünstigen. Dieses Wachstum würde zudem die Staatsfinanzen auf der Einnahmenseite stabilisieren.

Fazit:

Auch wenn im historischen Vergleich an den Kapitalmärkten, insbesondere am Renten- und Immobilienmarkt, bereits Blasen entstanden sind und ebenso die Preise von Aktien und Edelmetallen weiter steigen, kann sich dieser Trend durch die monetär begünstigende Situation und den Mangel an Anlagealternativen noch auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Zwischenzeitliche Rückschläge müssen jedoch einkalkuliert werden, etwa durch Meldungen über wieder steigende Infektionszahlen im Herbst.

Der Autor zählt sich mit nunmehr 27 Jahren Kapitalmarkterfahrung zum Lager der (vorsichtigen) Optimisten. Dennoch muss betont werden, dass wir uns mit unserer sehr fragil vernetzten globalen Welt in einem beispiellosen Finanzmarktexperiment mit ungewissem Ausgang befinden. Die Risiken sind zweifelsohne gestiegen, so dass dem Erhalt des eigenen Vermögens durch eine passende Strategie besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

 

Disclaimer: Der obige Marktkommentar gilt nicht als Finanzanalyse i.S.d. § 34 b WpHG und spiegelt lediglich die Meinung des Verfassers wider. -Insbesondere stellt der Marktkommentar weder eine Anlageberatung noch eine Aufforderung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten dar. Er dient ausschließlich zu Informationszwecken. 

Anmerkung der Redaktion: Die Kolumne spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung von Oberhesssen-Live wider. Der Verfasser und redaktionell Verantwortliche ist: Aurum Vermögensmanagement GmbH, Ralf Scheuer, Bürgermeister-Haas-Str. 5, 36304 Alsfeld

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