Gesellschaft3

Weltladen Alsfeld informiert über die Situation in den Ländern des SüdensKeine Sozialleistungen, Armut und wenig Gesundheitsschutz

ALSFELD (ol). Europa ächzt unter den Folgen von Corona: Gesundheitsversorgung, Sozialsystem, Wirtschaftsleistung – all das steht am Rand der Belastbarkeitsgrenze, und doch: Nur wenige Länder können der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderung in dem Maße trotzen wie die mittel- und nordeuropäischen. Ganz anders dagegen sieht die Situation in den ärmeren Ländern aus, Ländern, die oft schon vor Corona in großer wirtschaftlicher Not waren, deren Gesundheitssysteme für die zu erwartenden Ausmaße kaum ausgelegt sind und die ihren Menschen keinerlei soziale Absicherung bieten. Hier treffen die Folgen der Corona-Krise die Bevölkerung besonders hart, wie verschiedene Großhandelsgesellschaften – Partner des Weltladen Alsfeld – nun anhand des Beispiels von Nepal bekannt gaben.

In der Pressemitteilung des Weltladens heißt es, Nepal gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. 2015 wurde das Land von einem schweren Erdbeben erschüttert – jetzt bringt das Corona-Virus das Leben in dem kleinen Himalaya-Staat zum Stillstand. Von dem geschäftigen Treiben, das sonst in der Millionenstadt Kathmandu herrscht, ist derzeit nur gespenstische Stille übrig. Wie im Nachbarland Indien gilt hier eine Ausgangssperre, die Grenzen sind geschlossen. Aus Angst vor Covid-19-Erkrankungen lässt Nepal nicht einmal die eigenen Staatsbürger ins Land. Viele Nepalesen, die als Wanderarbeiter im Ausland arbeiten, sind dort gestrandet, vor allem in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Indien.

Ihre katastrophale Situation war bereits mehrfach Thema in den Medien. Wie in vielen anderen Ländern der Welt herrscht in Nepal völliger Ausnahmezustand: Die Menschen dürfen ihre Häuser nur einmal am Tag von 7 bis 9 Uhr morgens verlassen, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Da die Grenzen geschlossen sind, ist auch die Lebensmittelversorgung nicht mehr gewährleistet, die Preise klettern nach oben, und das, wo vielen Familien gerade jetzt die Einkommen wegfallen. In Nepal gibt es kein Kurzarbeitergeld, Soforthilfen vom Staat bleiben aus, die geringe Unterstützung von Nepalesen, die im Ausland arbeiten, fällt weg. „Nepal ist damit kein Einzelfall in den Ländern des Südens“, gibt Hildegard Maaß vom Alsfelder Weltladen an, „umso besser haben es in diesen Zeiten die Familien, in denen eine oder mehrere Personen für Fair-Trade-Kooperativen arbeiten, denn für sie gibt es sowohl eine Krankenversicherung als auch Lohnfortzahlung.“

Mindestens 10.000 Menschen arbeiten in Nepal im fairen Handel

Doch auch ihre Lage ist nicht die beste, wie Mitarbeitende der Fair-Trade-Gesellschaft Nepalaya aus ihrem Land berichten: „Die letzte Ware aus Nepal kam am 20. März zu uns“, heißt es vom Sitz des Unternehmens im schwäbischen Bötzingen, „danach durfte kein Flieger mehr abheben. Einige unserer Mitarbeiter sind jetzt auch in Deutschland in Kurzarbeit, und wir nutzen die Zeit für alles, was im normalen Geschäft liegen geblieben ist. Aber vor allem heißt es warten.“ Was in Deutschland zwar unbefriedigend ist, ist für die Menschen vor Ort eine Katastrophe: „Unsere Produktion in Nepal steht still, denn die Angestellten können aufgrund der Ausgangssperre nicht zum Arbeiten kommen. Wir hoffen, dass diese strengen Regeln bald gelockert werden, denn so können wir nicht einmal Wolle und Stoffe zu unseren Handarbeiterinnen nach Hause bringen.“

Ähnliches berichten die Verantwortlichen der Fair-Trade-Organisation „Frida Feeling“. Teil einer ihrer Lieferungen liegt derzeit in Kathmandu fest, und an eine Fertigung vor Ort ist nicht zu denken. Der Faire Handel spielt derweil eine große Rolle in der nepalesischen Wirtschaft: In Nepal arbeiten mindestens 10.000 Menschen im fairen Handel; gut 50.000 leben von diesem Einkommen.

„Man hört in diesen Berichten deutlich, dass die Lieferketten sowohl innerhalb der Länder, aber auch natürlich für den Ex- und Import unterbrochen sind“, verdeutlicht Hildegard Maaß ein Problem der Krise. In dessen Folge schwindet zum einen die Produktvielfalt in den hiesigen Läden, zum anderen werden auch die Einnahmen der Erzeugerinnen und Erzeuger geringer. „Und das in Ländern, in denen Menschen überhaupt keine Form von Existenzsicherung kennen. Umso wichtiger ist es für uns im privilegierten Teil der Welt, verantwortungsvoll zu kaufen und damit mehr und mehr sozialverträgliche Arbeitsverhältnisse zu begründen“, so Maaß weiter.

Shoppen mit Verantwortungsbewusstsein, Perspektiven für nach Corona schaffen

Die Produkte aus Nepal sind in erster Linie dafür verantwortlich, dass es im Alsfelder Weltladen so schön bunt ist: Viele der farbenfrohen Filz-Accessoires kommen aus Nepal. Sie und alle anderen Waren im Sortiment können die Kundinnen und Kunden nach den Lockerungen nun auch wieder selbst anschauen und natürlich kaufen. Der Alsfelder Weltladen hat dank des ehrenamtlichen Einsatzes der Vereinsmitglieder wieder geöffnet, und zwar von Montag bis Donnerstag von 10.30 Uhr bis 16.30, freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr. Es gelten die gesetzlichen Hygiene- und Abstandsregeln.

„Am kommenden Samstag ist ‚Tag des Weltladens’“, führt Maaß abschließend aus, „dann lohnt es sich ganz besonders zu uns zu kommen und sich von unserem großen Sortiment zu überzeugen. Und das Schöne: Bei der Gelegenheit kann man sich gleich in die Petitionsliste für ein Lieferkettengesetz eintragen, dass sicherstellen soll, dass in Geschäften der EU nur Produkte gehandelt werden, bei deren Fertigung sowohl die Menschenrechte als auch die Umweltstandards eingehalten werden.“ Auf diese Weise kombiniert man das Schöne mit dem Wichtigen, das Shoppen mit Verantwortungsbewusstsein und schafft somit Perspektiven für die Zeit nach Corona – hier wie dort.

3 Gedanken zu “Keine Sozialleistungen, Armut und wenig Gesundheitsschutz

  1. Das würde ich gerne korrigieren: Ein Lieferkettengesetz würde nicht „westeuropäische Maßstäbe“ anlegen. Die Basis wären die international anerkannten Leitprinzipien der Vereinten Nationen, auf die sich die Staaten dieser Welt geeinigt haben.

    Ein Lieferkettengesetz würde Produziernenden und Arbeiter*innen weltweit die Möglichkeit geben, sich gegen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu beschweren und damit ihre Menschenrechte zu verteidigen.

    Es geht dabei also nicht um die Einhaltung irgendwelcher abgehobenen Standards, sondern um grundlegende Menschenrechte.

    2
    2
    1. „Es geht dabei also nicht um die Einhaltung irgendwelcher abgehobenen Standards, sondern um grundlegende Menschenrechte.“
      Vollkommen naiv! Wem geht es denn um grundlegende Menschenrechte? Doch nur denen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind und allen sie einfordern (Kann man machen, nützt nur nichts!), aber zu machtlos sind, um sie durchzusetzen.

      2
      1
  2. Kann man ja alles so sehen oder so machen! Aber letztlich dient das vor allem eigener Gewissensberuhigung. Tatsache ist, dass wir in unseren relativ reichen und gut organisierten EU-Ländern die Einhaltung bestehender Vorschriften nur unter größten Mühen und oft nur unter Wahrung des äußeren Anscheins gewährleisten können.
    Nepal liegt auch aus Weltladen-Perspektive auf einem anderen Stern. Hier in irgendwelchen „Lieferkettengesetzen“ unsere westeuropäischen Maßstäbe anzulegen und verantwortungsbewusst zu kaufen, was man – wie etwa bunte Filz-Accessoires – so nötig braucht wie früher die mund- oder fußgemalten Weihnachtskarten – besagt überhaupt nichts. Vielleicht sollte man mal neue Unterstützungsstrukturen (z.B. Patenschaften für Kinder, Familien etc.) überlegen, wo doch die alten offensichtlich so störungsanfällig sind wie in dem obigen Artikel beschrieben.

    15
    1

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren