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Drei Alsfelder starten Ideensammlung für Innovatives Wohnen Ü 60Kleiner wohnen, schön leben, nicht allein sein

ALSFELD (ol). Sich im Alter verkleinern und mit weniger Wohnraum zufrieden geben, gar glücklich damit werden, sich mit Gleichgesinnten auf einem gemeinsamen Terrain zusammenzutun, eine gemeinsame Infrastruktur, beispielsweise in der Pflege zu schaffen, und doch selbstständig zu bleiben, das ist der Wunsch von Margit Enderer, Hans-Dieter Lange und Volker Zellmann. Alle drei sind so um die Sechzig und denken nun vermehrt darüber nach, welche Wohnmöglichkeit im Alter für sie in Frage käme.

Schließlich sind die Häuser, in denen bis vor noch gar nicht allzu langer Zeit jede Menge Familientrubel mit entsprechendem Platz- und Rückzugsbedarf die Tage füllte, für zwei oder gar eine Person viel zu groß. Und natürlich darf man sich zumindest perspektivisch schon einmal Gedanken machen, wie man bis zu einem gewissen Maß an Hilfebedürftigkeit möglichst lange und möglichst selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben kann – es müssen ja nicht dieselben sein wie bisher.

Die Überlegungen führten die drei zu sogenannten „Tiny- und Modul-Haus-Projekten“, die insbesondere in größeren Städten mitunter schon am Start sind und deren Bewohner sich in einer Art Häusergemeinschaft zusammentun, um dennoch so unabhängig wie möglich zu leben. Ein solches Wohnen streben sie nun auch in Alsfeld oder zumindest in der Region Vogelsberg an: Auf etwa 3.500 Quadratmetern soll eine Art Tiny- und Modul-Haus-Siedlung entstehen, die nicht einheitlich bebaut ist, sondern von den jeweiligen Mitmietern, die Größe und Ausstattung ihrer eigenen kleinen Häuschen nebst Garten selbst festlegen, gestaltet wird.

„Wir haben schon viele Ideen dazu“, gibt Margit Enderer an. Sie hat sich intensiv mit Erfahrungen anderer Menschen in solchen Wohnprojekten auseinandergesetzt und bringt viele Ideen in die Gruppe: „Wir möchten beispielsweise kein gemeinschaftliches Wohnen“, so die Initiatorin, „sondern abgeschlossene Häuser mit eigenem Garten, sodass jeder wann auch immer allein sein kann. Das soll aber nicht heißen, dass jeder nur für sich selbst in der Siedlung leben soll“, ergänzt Enderer: Als Idee gibt es ein Gemeinschaftshaus auf dem Gelände, dazu eine gemeinschaftliche Küche und auch einen gemeinsamen Gartenbereich, für Gesellschaft und Geselligkeit, wenn sie erwünscht sind.

Für ein schönes Leben sorgen

Gemeinsam angehen könnte man beispielsweise auch Einkaufsfahrten oder eine Betreuung oder Grundversorgung, die man aus eigenen Mitteln sicherstellen kann – sei es aus privaten Einkünften oder aus Leistungen der Pflegekasse, falls sich dieses anbietet. Mit in die Überlegungen werden auch Möglichkeiten einbezogen, die eine Vermietung von kleinen Häusern an Menschen ohne das nötige Eigenkapital vorsehen, oder ein Mehrgenerationenwohnen zwar nicht explizit planen, aber auch nicht ablehnen.

Zusätzlich zum selbstbestimmten Wohnen im Alter geht es den drei Initiatoren auch um ein gewisses Maß an Gesundschrumpfung oder „Downsizing“, wie man auf Neudeutsch so schön sagt: „Ich habe Studien verfolgt, die bestätigen, dass derzeit ein großer Trend herrscht, sich von unnötig gewordenen Dingen zu trennen“, so Enderer, „Minimieren als Erleichterung, sozusagen, auch mit Blick auf die letzten Jahre.“ Bis die allerdings anbrechen, soll das Vogelsberger Tiny- und Modul-Haus-Projekt allerdings erstmal für ein schönes Leben sorgen.

Freude an neuem Denken mitbringen

Welche Ideen man dafür sonst noch braucht, wie man sie umsetzen kann und ob die Zeit im Vogelsberg überhaupt schon reif ist für ein solches Unterfangen, das wollen Enderer, Lange und Zellmann nun herausfinden und bei Bedarf bereits eine Interessensgemeinschaft gründen, die den Plan weiterverfolgt. Dazu bieten die Initiatoren ein erstes Treffen am 25. Oktober um 19.30 Uhr im Kinderhaus Panama an. „Wir würden uns sehr freuen, wenn wir mit unserem Anliegen das Interesse von vielen Menschen im Vogelsberg wecken“; so Hans-Dieter Lange im Vorfeld, der darauf verweist, dass die Planungen noch ganz am Anfang stehen und auch ein geeignetes Grundstück in einer kooperativen Kommune erst noch gefunden werden muss.

„Wer sich an dem Projekt beteiligen will, sollte auf jeden Fall Freude an neuem Denken mitbringen“, finden er und seine beiden Mitstreiter, „einen langen Atem sowie Lust auf alternative Wohnformen im Alter und Spaß daran, sich in ein innovatives Projekt einzubringen.“ Rückfragen kann man an Hans-Dieter Lange richten (0160 97738856 oder enwala@t-online.de).

16 Gedanken zu “Kleiner wohnen, schön leben, nicht allein sein

  1. Jetzt ist aber nun wirklich auch fast alles gesagt zu dem Thema (wenn auch vielleicht noch nicht von jedem; LOL). Mein Fazit: Für Leute, die ihr altes (großes) Haus noch günstig veräußern können und selbst noch vital genug sind, lohnt sich ein Neuanfang im kleinen, aber dafür in jeder Hinsicht optimierten Minihaus. Moderner Wohnkomfort und ein zukunftsfähiger Energiestandard kosten allerdings ordentlich Geld. Erst recht bewegliche Häuser jenseits der Doppelachser-Anhänger-Klasse. Letztgenannte ist nichts für Senioren (Problem: Barrierefreiheit!).
    Vorsicht beim Umzug in die Fremde. So schön die Landschaft auch sein mag: Nie als einzelner mutterseelenallein in irgendwelche Dorfgemeinschaften ziehen, deren Mentalität nicht der eigenen entspricht. Und nicht zu weit weg von der Zivilisation ansiedeln. Ganz wichtig: Das soziale Umfeld sorgfältig testen!!!
    Wer kein Eigenkapital für ein eigenes Minihaus hat, kann es mit genossenschaftlichen Wohnprojekten versuchen. Eine kleine Wohnung in einer Wohnanlage erfüllt fast denselben Zweck und macht weniger Arbeit. Besonders für Ältere ist „Green Care“ absolut empfehlenswert (siehe ZDF-Reportage oben).

  2. Was ist denn daran zu kritisieren, sich mit alternativen Ideen zum Wohnen „im Alter“ zu beschäftigen und diese mögliche „Wohnform“ der Öffentlichkeit zu präsentieren und zu diskutieren? Ich finde diese Idee durchaus praktikabel und auch durchführbar! Eine weitere Möglichkeit wäre auch, ein älteres Haus zu erwerben und daran einige kleinere Einheiten anbauen zu lassen, soweit es die Fläche zulässt. Die oberen Räume in diesem Haus könnte man an junge Familien vermieten u. in den ebenerdigen Anbauten könnten die „Senioren“ leben. Diese Möglichkeit ist fürs erste immer noch besser, als in ein Pflegeheim zu ziehen.

    1. Trick Ü60, was? „Sich mit alternativen Ideen zum Wohnen ‚im Alter‘ zu beschäftigen“, ist nicht zu kritisieren. Tut das hier jemand? Nein! Sämtliche Zuschriften beschäftigen sich hier mit alternativem Wohnen im Alter. Aber eben kritisch, wie sich das gehört, wenn man nicht nur Reklame für die eigenen Ideen machen will. Offensichtlich stört es Sie, dass hier kritische Informationen eingebracht werden. Da es daran aber ja wohl nichts zu kritisieren gibt, behaupten Sie einfach, es werde die Tatsache kritisiert, dass sich hier (siehe Artikel) jemand mit alternativen Wohnformen im Alter beschäftigt hat. Schuss ins eigene Knie, Madame. Wenn Sie trotz aller vorgebrachten Gegenargumente dennoch „finden“, dass die sehr vagen Vorstellungen in dem Artikel „durchaus praktikabel und auch durchführbar“ seien, ist das wohl auf Ihren Optimismus zurück zu führen, der aber, wie man weiß, nicht immer vernünftig ist.
      Sehr viel vernünftiger finde ich Ihren Vorschlag, ein älteres (vielleicht leer stehendes oder für die Wohnnutzung durch eine Einzelperson zu großes) Gebäude (idealerweise im Dorfkern) so auszubauen, dass mehrere kleine Wohnmodule für Senioren und dazu noch Raum für Mehrgenerationenwohnen oder Gemeinschaftseinrichtungen (Treffpunkt, gemeinsame Küche) entstünden. Im Grunde funktioniert „Green-Care“ ja nach diesem Prinzip (vgl. https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-bauernhof-statt-altersheim-100.html).

  3. „Drei Alsfelder starten Ideensammlung für Innovatives Wohnen Ü 60.“ Also ich weiß nicht recht. Muss ich das jedes Mal veröffentlichen, wenn ich anfange, über etwas nachzudenken bzw. mich mit anderen über ein Thema zu beraten?
    Wenn schon, dann gibt man so einem Vorhaben eine gewisse Struktur. Vorstellungen vom Wohnen im Alter gibt es unendlich viele. Und entsprechend groß ist die Anzahl der Modelle, Projekte und Angebote. Aber hier werden Fragen aufgerufen und miteinander vermengt, die man besser getrennt voneinander betrachten sollte. Sich im Alter zu verkleinern (gemeint ist natürlich der beanspruchte Wohnraum und nicht der Ü 60er selbst!) hat eine vollkommen andere Logik als das Zusammenleben „mit Gleichgesinnten auf einem gemeinsamen Terrain“. Wieder eine andere bezieht sich sich auf die Schaffung einer gemeinsame[n] Infrastruktur, um im Fall der Pflegebedürftigkeit versorgt zu sein. Und wieder ein anderer Zusammenhang ist die Erhaltung der Selbständigkeit – etwa im Gegensatz zu Pflege-WGs, Senioren-Wohngemeinschaften o.ä.
    Die „Vordenker“ Margit Enderer, Hans-Dieter Lange und Volker Zellmann sind gut beraten, sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wie man die letzten Lebensjahre verbringen will und wie nicht. Doch indem sie sich auf die Wohnform der Senioren- bzw. Mehrgenerationen-Kolonie nach dem Muster einer Kleingarten-Siedlung festlegen, in der „Gleichgesinnte“ (Hobbits?) auf eigene Kosten in kleinen Gärtlein winzige Häuslein errichten, legen sie sich bereits auf Lösungen fest, bevor entscheidende Grundfragen ausdiskutiert sind. Müsste man nicht die meisten Fragen offen halten? Ist es wirklich notwendig und erstrebenswert, fernab urbaner Strukturen (woanders könnte man sich ein 3500-m²-Grundstück wohl kaum leisten!) die Landschaft mit Mini-Häusern zu zersiedeln? Warum ein Neubauprojekt mit irrsinniger Planungszeit und Planungskosten, und nicht etwa eine Nachverdichtung dörflich/kleinstädtischer Leerstände? Wieso eigene Gemeinschaftseinrichtungen, statt vorhandene dörfliche Infrastruktur zu nutzen? Wie löst man das Problem haushaltsnaher Dienstleistungen, nach denen großer Bedarf besteht, lange bevor es nur einen Euro aus der Pflegeversicherung gibt, ohne dass dem ein Angebot an Dienstleistern gegenüber steht? Wer organisiert das Gemeinschaftsleben von Mittelerde? Ohne ein Quartiersmanagement geht es zumeist nicht. Fragen über Fragen…

    1. „Wenn schon, dann gibt man so einem Vorhaben eine gewisse Struktur.“
      Sie haben recht. Um „eine Ideensammlung zu starten“, muss man nicht im Vorfeld schon ein solches Bohai veranstalten. Besser wäre es gewesen, schon einmal vor zu sortieren, welche gesicherten Erkenntnisse und Erfahrungen zum Thema „Leben im Kleinhaus“ es gibt und welche Schlüsse hieraus für die Realisierungschancen eines alternativen Bauprojekts zu ziehen wären. Frau Enderer behauptet zwar, „Studien verfolgt“ und „sich intensiv mit Erfahrungen anderer Menschen in solchen Wohnprojekten auseinandergesetzt“ zu haben, doch außer einer Bestätigung des Minimalisierungs-Trends und der falschen These, dass persönliche Rückzugsräume nur ohne „gemeinschaftliches Wohnen“ in „abgeschlossene[n] Häuser[n] mit eigenem Garten“ möglich sei, ist dabei bisher wenig heraus gekommen.
      Grundproblem seitens der Logik des gesamten Vorhabens: Die Überlegung, „wie man bis zu einem gewissen Maß an Hilfebedürftigkeit möglichst lange und möglichst selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben“ könne, führen eben nicht zwangsläufig „zu sogenannten Tiny- und Modul-Haus-Projekten“. Freundeskreise, Wohn-Partnerschaften und eine gegenseitige Hilfe unter Einbeziehung von Lieferdiensten, ambulanter Pflege usw. sind durchaus preiswertere Alternativen, die zudem barrierefreie Lösungen eher ermöglichen.
      Bevor man einen alten Baum verpflanzt, die alte Wohnumgebung aufgibt und sogar – nach vielen Jahren „Projektplanung“ – noch ein neues Haus baut (wer von den heutigen und vor allem künftigen Rentnern kann das denn?), sollte jeder prüfen, ob es nicht andere Wege gibt, möglichst lange selbstbestimmt in einer eigenen Wohnung zu leben, als den Umzug in ein Hüttendorf im infrastrukturellen Niemandsland (Die Stuttgarter Zeitung spricht von „Pinterest-Baracken“).
      In dem Zusammenhang: Dass Kleinsthaus-Siedlungen „insbesondere in größeren Städten mitunter schon am Start“ seien, halte ich für ein Gerücht (siehe https://wohnglueck.de/artikel/alle-tiny-house-doerfer-deutschland-15877). Wenn hier Städte genannt werden, dann handelt es sich um irgendwelche entlegenen Randbezirke (wo Slums eben normalerweise entstehen!), aber nicht um zentrumsnahe Lagen, wo man um jeden Quadrahtmeter Bauland kämpft und vielgeschossige Bauten anstrebt, um zum Beispiel neue Sozialwohnungen zu errichten.

    2. Eine Hobbit-Wohnanlage in St. Nirgendwo ist a) nicht innovativ und schafft b) mehr Probleme als sie löst. Nach wenigen Jahren wird aus dem Ü60-Hüttendorf mit Leuten, die noch Bäume ausreißen zu können glauben, ein Elendsgebiet für Hochbetagte, die auch mit ihren Kleinhäusern und Kleingärten reichlich überfordert sind. Kommt dann „Gemeindeschwester 2.0? Die zuständige Kommune wird sich herzlich bedanken!

      1. Kommt dann „Gemeindeschwester 2.0“? Nein, und auch der Rettungswagen kommt vielleicht zu spät, weil er den Campingplatz bzw. die betreffende Parzelle nicht findet. Aber das Risiko hat der Goldsucher-/Holzfäller-Aussteiger in Canada oder Alaska ja auch. Es muss jeder selbst wissen, wie weit er sich mit zunehmendem Alter aus der Zivilisation verabschiedet. Blockhütte ey, tatütata, der Bär ist da, Kampf kurz und heftig, röchel, röchel… Schöner kann ein Tod nicht sein.

      2. Schon die fahrbaren Bretterbuden selbst sorgen für genügend Probleme. Der Herstellermarkt ist chaotisch und unübersichtlich. Firmen mit industriellem Fertigungsstandard stehen neben Gelegenheitsbastlern im Hinterhof. Kaum ein Tinyhouse-Bauherr (und vor allem unbedarfte Bauherrinnen!), der/die nicht bitteres Lehrgeld zahlen, z.B. wegen sich bananenartig krümmender (weil zu schwach ausgelegter) Fahrgestelle, unzureichender Bodendämmung, Schwitzwasser, Schimmel, nicht erteilter Straßenzulassung und, und, und! Preis und Leistung stehen oft in einem grotesken Missverhältnis, Gewährleistung – was ist das?
        Und der Witz am Ende: Kaum eine dieser rollenden Lifestile-Baracken wird nach dem Tag der Lieferung noch einmal bewegt. Mein Rat: Kauft euch ein größeres Gartenhaus von der Stange, bringt das durch Dämm-Maßnahmen auf Wohnstandard (man kann viel selbst machen oder sogar als Vollholz-Version oder zweischalig mit Zwischendämmung kaufen) und spart euch viel Geld und Ärger.

    1. Schön, dass hier ein Herr Großhaus kleine Häuser „gut“ findet. Wenn es nur so einfach wäre, für Ansammlungen von Mini-Häusern (Tinyhouse-Villages) die bestehenden Bebauungspläne zu ändern. Ganze Minihaus-Dörfer sind in Deutschland äußerst rar und nicht in regulären Wohngebieten zu finden (siehe https://www.youtube.com/watch?v=heOStykF__c&feature=youtu.be&t=311). Mehr oder weniger handelt es sich um (ehemalige) Campingplätze fernab herkömmlicher Versorgungsstrukturen, auf denen es aussieht wie bei Hempels. Was die Bewohner sich dort an Wohnraum zumuten, braucht der normale Eigenheimer nämlich eigentlich schon als Stauraum für Rasenmäher und Co. Im Tinyhouse-Village steht das ganze Gelump unter freiem Himmel herum. Persönliche Rückzugsmöglichkeiten kann man vergessen. Jeder hat zwar seine eigene Wohnschachtel. Die ist aber umgeben von allen anderen Wohnschachteln, und zwar im 3-m-Abstand. Bauartbedingt ist die Schallisolierung der große Schwachpunkt des Tinyhauses. Wer allerdings gern sämtliche verfügbaren Fernseh- und Rundfunkprogramme gleichzeitig hört und zusätzlich noch über die intimen Lebensäußerungen seiner Nachbarn inkl. Haustiere informiert sein möchte, kommt hier voll auf seine Kosten.
      Mein erster Eindruck: Nicht barrierefrei und für ältere Menschen in jeder Hinsicht ungeeignet.

  4. …schießen mittlerweile „alternative Wohnmodelle“ für ein schöneres Leben im Alter wie Pilze aus dem Boden. Der Boom hat, wenn ich es recht sehe, vor etwa 15 Jahren angefangen, als Berichte über Luxus-Wohnstätten für reiche Rentner in Florida („Sun City“) in unseren Medien erschienen. Mit „Tinyhouse“ hatte das allerdings nichts zu tun. Und von Gesundschrumpfen war in den vollklimatisierten Riesenvillen mit Extra-Parkplatz für das Golfcar unterm schattigen Vordach nicht die Rede.
    Als zweite Welle schwappte – ebenfalls aus den USA – die „Tinyhouse“-Bewegung nach Europa. Dort (in den USA) montierten Bastler merkwürdig eingeschrumpfte Wochenendhäuser auf Anhänger-Fahrgestelle. Die Freelancer-Behausung war geboren, mit der prekär beschäftigte Jungakademiker ihren befristeten Arbeitsaufträgen hinterher zogen. Apropos „zogen“: Gezogen wurden diese tonnenschweren Hexenhäuschen für den kleinen ökologischen Fußabdruck von Pickup-Monstern mit ebenso durstigen wie zugstarken Achtzylindern. Riesen-Fußabdruck. Umwelttechnisch ein Nullsummenspiel.
    Beide Modelle werden nun von der Generation Studenten-WG zusammengewürfelt bzw. zu einer Art romantischem Lifestile-Smoothie verquirlt. Die „Modulhaus-Siedlung“ oder die „Häusergemeinschaft“ sind geboren. Dahinter verbirgt sich (Trommelwirrrrrrbelllllll…): Ach, auch wieder nur ein Bauprojekt, für das Investoren gesucht werden. Das benötigte 3500-Quadratmeter-Areal muss allerdings noch gefunden und dann „beplant“ und erschlossen werden. Dann kann die alternative Schrebergarten-Kolonie auf der grünen Wiese entstehen. Gesucht werden eine Reihe einigermaßen finanzkräftige Lauben-Pieper, die auf einem winzigen Grundstück ein noch winzigeres Häuschen errichten. Ein harmonisches Miteinander ist immer mitgedacht, wird aber nicht mit verkauft. Im Zweifelsfall sitzen lauter eigenwillige, von diversen Zipperlein und Depressionen geplagte alte Leute dann pflegebedürftig sehr dicht aufeinander. Absehbarer Streitpunkt: Die Gemeinschaftseinrichtungen und die Betreuungskosten. Hat im ersten Vorzeige-Seniorendorf Meppen zum Zusammenbruch des Dorfkonzepts geführt (vgl. https://www.gn-online.de/region/wohnpark-fuer-senioren-in-meppen-gescheitert-136832.html). Aus dem „Dorf der zufriedenen Alten“ wurde das Dorf der zerstrittenen Alten. So schnell kann’s gehen.
    Und da wäre ja auch noch die „Betreuung oder Grundversorgung, die man aus eigenen Mitteln sicherstellen kann – sei es aus privaten Einkünften oder aus Leistungen der Pflegekasse“. „Falls sich dieses anbietet.“ Ja, ja. Aber wer bietet die Betreuung und Grundversorgung denn dann an – vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Pflege. Dieselben, die derzeit ein Kinderhaus betreiben? Abrakadabra… Und fertig ist das Seniorendorf Panama. Betreutes Wohnen im Laubenpieper-Format. Was wäre daran jetzt neu?

    1. Wenn von ökologischem Fußabdruck und Minimalisierung die Rede ist, ist zumeist auch eine Menge Ideologie im Spiel. Aber jenseits von freiwilligem Konsumverzicht und Surviving-Projekt als sich selbst versorgender Waldmensch gibt es harte Realitäten, die zur Beschränkung auf das absolute Wohn-Existenzminimum zwingen (siehe https://www.youtube.com/watch?v=EMFQNXUapM8). Entsprechen der Schere zwischen Arm und Reich teilt sich inzwischen selbst die Gruppe der Wohnminimalisten in oben und unten. Die einen hausen als im Grunde Wohnungslose im alten Camping-Anhänger, die anderen stylisch in edel designten und frisch gezimmerten Hybriden aus Zirkus- und Salon-Wagen. Der Boom für Edel-Kleinstbehausungen rettet inzwischen die deutsche Möbelschreinerzunft vor dem Aussterben (https://www.youtube.com/watch?v=FqTiU5ZJkMQ). Aber Wohnen auf kleinstem Raum bleibt ein Thema für Sonderlinge (siehe auch ZDF 37 Grad Sendung am 23.10.2019, noch kein Link verfügbar).

      1. „Entsprechend der Schere zwischen Arm und Reich teilt sich inzwischen selbst die Gruppe der Wohnminimalisten in oben und unten.“
        Es gibt inzwischen Edel-Kleinsthäuser mit allem Komfort und Zurück (zumeist auf der Basis von LKW-Anhängern (Circus-Wagen), in denen es den Bewohnern an nichts mangelt. Die Preise liegen allerdings auf dem Niveau kleinerer Einfamilien-häuser. Beispiele:
        https://www.youtube.com/watch?v=UaFq8MuLLuo
        https://www.youtube.com/watch?v=YutRn6fpcKo
        https://www.youtube.com/watch?v=b8p8M_Q1gXU
        Wer sich so etwas leisten kann, investiert in der Regel auch in ein eigenes Grundstück und entgeht damit dem leidigen Stellplatzproblem. Damit liegt man dann allerdings auch schnell oberhalb der 100.000 Euro Grenze. Es bleibt der Mobilitäts-Vorteil. Denn bei Arbeitsplatzwechsel oder Fernweh macht sich das rollende Gefährt mit seinem Besitzer auf den Weg.

      2. Sich einzuschränken, was den Wohnraum und vor allem die bewegliche Habe angeht, funktioniert auch ohne Ideologie, teure Umzüge und Neubauten von Kleinsthäusern. Jeder, der sich das Leben im Alter erleichtern will, sollte prüfen, ob er nicht Teile seiner Wohnung (z.B. großes Wohnzimmer) einfach still legt (nicht mehr beheizt usw.). Wasserleitungen können dort nicht einfrieren. Auch sonst überstehen solide Gebäude den Leerstand bei jedem Wetter völlig unbeschadet (siehe Wochenendhäuser, unbeheizte Schlösser usw.)! In kleinen Räumen kann man Infrarot- Wandheizungen oder Dunkelstrahler installieren, die völlig geräuschlos und wartungsfrei sind und eine gesunde, angenehme Wärme verbreiten. Natürlich ist Heizen mit Strom teuer. Aber man heizt ja nur noch ein Drittel seiner Wohnung. Ist die Wohnung groß genug, kann man eine Teilung überlegen (Innenausbau) oder mit einer jüngeren Person eine Wohnpartnerschaft (Wohnen gegen Hilfe) eingehen (am besten über einen gemeinnützingen Träger, der geeignete Personen vermittelt und nach dem Rechten sieht!). Ist eine Barrierefreiheit nicht herstellbar, kann man auch ein kleines Einraumhaus als Pflegemodul kaufen oder auf Zeit mieten, während das alte Haus anderweitig genutzt wird (Vermietung, Abgabe an Kinder). Wenn Geld fehlt, sollte man sich über Zuschüsse für Bau- und Umbaumaßnahmen informieren (https://www.pflege-durch-angehoerige.de/zuschuesse-erstattung/zuschuesse-und-foerdergelder-fuer-barrierearmen-umbau-oder-neubau/). Als Geldquelle kommt auch eine Verrentung der eigenen Immobilie bei garantiertem Wohnrecht in Betracht (https://www.n-tv.de/ratgeber/Mit-einer-Immobilie-die-Rente-aufbessern-article18581041.html).

  5. Nichts gegen innovative Projekte zu neuen Wohnformen im Alter. Da gibt es inzwischen eine regelrechte „Bewegung“ und ca. zwei Jahrzehnte Erfahrung. Auf das gesicherte Wissen, das da mittlerweile zur Verfügung steht, sollte man dann allerdings auch zugreifen. Natürlich kann jeder machen, was er will. Aber es erscheint nicht besonders „ökonomisch“, wenn jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, versucht das Rad neu zu erfinden und dann auf irgendeiner grünen Wiese mit „Planungen“ beginnt. Mit dem hierzu notwendigen „langen Atem“ ist es so eine Sache. Wer als älterer Mensch neue Wohn- und Lebensformen sucht, hat keine Zeit mehr für lange Selbsterfahrungs-Studien. Er muss auf Modelle zugreifen können, die bereits erprobt sind und funktionieren. Die alternativen Wohnprojekte, die ich kenne, haben/hatten vom Planungsbeginn bis zur Fertigstellung einen Vorlauf von 12-15 Jahren. Der durchschnittsdeutsche Mann stirbt mit 75,5 Jahren. Wer mit 60 anfängt zu „planen“, erlebt vielleicht gerade noch das Richtfest seines „Projekts“ mit.
    Das „Konzept“, von dem hier die Rede ist, erscheint mir in der beschriebenen Form absolut unausgereift. Ja, natürlich: Die Initiatoren, die sich hier vorstellen, stehen ganz am Anfang. Aber andere haben bereits lange vor ihnen angefangen. Und bereits so einige Erfahrungen gemacht/machen müssen.
    „Tiny- und Modul-Haus“-Besitzer, die „sich in einer Art Häusergemeinschaft zusammentun“ und „insbesondere in größeren Städten mitunter schon am Start sind“ (wo denn???), bleiben zumeist auch am Start stehen. Denn solche Dorfgründungen mit Dauerwohnrecht in Mini-Häusern sind nach deutschem Baurecht gar nicht genehmigungsfähig. „Tinyhouse“-Besitzer landen mit ihrem auf ein Doppelachser-Fahrgestell mit Zugvorrichtung montierten 17m²-„Haus“ (Vorsicht! Nicht barrierefrei und daher für Senioren ungeeignet!!!) regelmäßig auf Campingplätzen oder in Mobile-Home-Kolonien, d.h. in der Wallachei, obwohl sie gerade größere Nähe zu den gängigen Versorgungseinrichtungen und urbanere Strukturen brauchten. Kleinsthäuser, also Bauwerke mit max. 50 m² Grundfläche, werden in der Regel nur auf bereits regulär bebauten Grundstücken als Anbau, Gartenhaus o.ä. genehmigt. Kleinsthäuser-Kolonien dagegen sind weithin unerwünscht, weil derartige Bestrebungen den herrschenden raumplanerischen Doktrinen widersprechen, eine weitere Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden und stattdessen den oft durch die demografische Entwicklung gefährdeten Bestand (Leerstände in vielen Dörfern) durch neue Nutzung von Altbauten und Nachverdichtung im Bestand (Um- und Anbau, Aufstockung) zu sichern.
    Modulbau, um auch diesen Begriff hier noch aufzuarbeiten, hat mit der Größe des Bauwerks im Prinzip gar nichts zu tun. Hier geht es um industrielle Vorfertigung und damit Rationalisierung des Bauens. Natürlich kann man aus einem vorgefertigten Einzelmodul wie auch aus einem oder mehreren im Verbund aufgestellten seriellen See-Containern ein kleines „Haus“ errichten und je nach kommunaler Gestaltungssatzung äußerlich anpassen (Flach- oder Satteldach usw.). Derartige „Häuser“ erreichen aber nur selten ein gewisses architektonisches Niveau, sondern ähneln den ersten Fertighäusern aus den 1950er Jahren oder – schlimmer noch – den Behelfsheimen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit.
    Sehr kritisch sollte man sein gegenüber der Behauptung, es handele sich bei fiktiven Ansammlungen klein(st)er Häuser oder Wohnanhänger um „neues Denken“, „alternatives Wohnen für Senioren“ oder was auch immer. Wer nicht viel Geld hatte (wie heute auch die meisten Rentner, die nichts geerbt oder gespart haben), baute halt klein. In mittelalterlichen Städten erregen pittoreske Kleinhäuser, oft wie Schwalbennester an die Stadtmauer „geklebt“, oft große Erheiterung bei Touristengruppen. „Da soll eine ganze Familie gelebt haben?“
    Das „Altenteil“ (auch Austragshaus, Leibgedinge usw. genannt), das die Altbauern nach Übergabe des Hofes bezogen, war in der Regel ein separates „Mini-Haus“ auf dem Hofgelände. Und dass man sich im Alter von vielem trennt und schlimmstenfalls mit wenigen eigenen Möbelstücken in einem Zimmer im Pflegeheim landet („Gesundschrumpfung oder Downsizing“, siehe oben) ist kein neuer Lifestile, sondern für die meisten in der letzten Lebensphase der Regelfall. „Neu“ ist bestenfalls die frühe Einsicht, noch bei Vollbesitz der körperlichen und geistigen Kräfte erheblichen Ballast abzuwerfen. Man greift damit einem Prozess vor, der sich automatisch einstellt. Die Seniorinnen oder Senioren, die oft allein in ihren großen Fachwerkhäusern zurück bleiben, heizen am Ende nur noch die Küche und maximal noch das Schlafzimmer.

    1. Ja, völlig richtig: Im Zusammenhang mit den Wohnbedürfnissen älterer Menschen ist „Neues Denken“ dringend notwendig, nachdem im Vogelsbergkreis das „alte Denken“ praktisch nicht stattgefunden hat, und zwar weder von der Bedarfsplanung her noch im Hinblick auf die Frage, wer denn für die wachsende Zahl von immer älter und pflegebedürftiger werdender Senioren aufkommen soll (zuständig ist die Kommune), zumal wenn deren Rente für eine angemessene Betreuung nicht ausreicht.
      Super-Manfred, der bekannte Vordenker und Nestor der Daseinsvorsorge im Vogelsbergkreis, stellt sich das so vor: Wer (noch) kann, der kann (nämlich sich schlecht und recht im Alltag durchwursteln). Wer nicht mehr kann, kommt dann eben ins Pflegeheim (wie anno dunnemals), wo aber inzwischen die Marktkräfte (sprich Privatinvestoren) für ein (im Zweifelsfall eben auch mal nicht) ausreichendes Angebot sorgen und der eigene Kontostand darüber entscheidet, ob man sich ein „neu gedachtes“ Rentner-Wohnparadies à la „Sun City“ oder „Robinson Crusoe“ leisten kann oder sich bescheiden in das System von dürftiger Pflege-Teilkasko und Grundsicherung einfügen muss. Und die Städte und Gemeinden, die die steigenden Lasten für Hochbetagte, Menschen mit Demenz usw. nicht mehr bewältigen können, schlüpfen dann eben wieder unter irgendeinen Schutzschirm, unter dem Super-Manfred ja auch lange, von Daseinsvorsorge-Gedanken unbeschwerte, Dienstjahre verbracht hat. Und vom Goldhelg aus schaut man sich dann selbstzufrieden an, wie sich das alternative Seniorenwohnen unter den goldenen Regeln des Neoliberalismus so entwickeln tut. Schon der Lost Place „Neues Landhotel-Romrod“ wurde 1975 als luxuriöser „Senioren-Wohnsitz“ eröffnet (siehe https://www.oberhessische-zeitung.de/lokales/vogelsbergkreis/romrod/brandgefahrliche-lost-places-ein-beispiel-das-ehemalige-landhotel-in-romrod_20064478). Eine weitere Bauruine mit Luxuswohnungen für Senioren kann man in Mücke Nieder-Ohmen (Senioren-Residenz Falkenhorst) besichtigen (https://www.giessener-allgemeine.de/vogelsbergkreis/muecke-ort848786/millionengrab-rande-nieder-ohmen-11896031.html) besichtigen. Ein weiteres Romröder Projekt mit der Stadt als Verpächter und der Diakonie als Betreiber hat bisher auch noch nicht viel Freude bereitet. Und jetzt also Lingelcreek II für rüstige Privatinvestoren-Senioren in Lingelbach (oder irgend einer anderen Pampa). Wenn das Winntou noch erlebt hätte.

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