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GEW in Alsfeld sieht Stagnation im BildungsbereichKaum Verbesserungen in Hessens Schulbereich

ALSFELD (ol). Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Alsfeld sieht einen Stillstand in der Entwicklung im Bildungsbereich in Hessen. In einer Pressemitteilung erklärt der Kreisvorstand der GEW Alsfeld: „Die großen Themen werden verwaltet, ein Gestaltungswille ist nicht erkennbar“.

Die vielen Bereiche der Schulpolitik, in denen es offensichtliche Probleme gibt, werden, so aus der Pressemitteilung, auch im Schuljahr 2019/20 nicht wirklich angegangen. Integration, Inklusion und Ganztagsentwicklung werden pädagogisch nicht ausreichend gestaltet. „Bereits im vergangenen Jahr mussten wir eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte konstatieren. Eine Verbesserung ist dringend notwendig, aber nicht in Sicht“, führt Kreisgeschäftsführer Ralf Fei aus.

Die GEW fordere den Kultusminister dazu auf, die Aktivistinnen und Aktivisten der Fridays for Future Bewegung ernst zu nehmen. „Diese Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit Fragen, die von fundamentaler Bedeutung für die Menschheit sind. Den Anschein zu erwecken, die Bewegung habe bereits alle Ziele erreicht, weist die GEW zurück. Die Zukunft ist noch lange nicht gesichert, deshalb ist der Protest auch weiter legitim“, erklärte Fei im Namen des Vorstands der GEW Alsfeld.

Aus Sicht der Gewerkschaft biete die Umsetzung der Inklusion große Chancen für alle in Schule und Gesellschaft. Die Voraussetzungen, aus Inklusion eine Erfolgsgeschichte zu machen, würden durch das Kultusministerium nur unzureichend geschaffen. Um Bedingungen für einen inklusiven Unterricht, von dem alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse profitieren, zu schaffen fordere die GEW die konsequente Doppelbesetzung von Lehrkräften. Hierzu müssen selbstverständlich Koordinierungszeiten, die im Stundendeputat verankert sind, geschaffen werden. Fei führt hierzu aus: „Aus unserer Sicht könnte inklusiver Unterricht eine Bereicherung für alle Schülerinnen und Schüler sein. Dies gilt aber nur dann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Hiervon sind wir in Hessen weiterhin noch weit entfernt.“

Wirkungsmöglichkeiten des Digitalpakts müssen kritisch hinterfragt werden

Die Wirkungsmöglichkeiten der finanziellen Mittel des Digitalpakts, bei dem in fünf Jahren knapp 100 Millionen Euro pro Jahr an die Schulen verteilt werden sollen, müssen kritisch hinterfragt werden. So sollen laut Landesregierung unter anderem verstärkt Fortbildungsangebote für Lehrer im digitalen Bereich geschaffen, der Glasfaserausbau an Schulen vorangetrieben und die Erstellung von Medienbildungskonzepten gezielt unterstützt werden. Wie die Landesregierung wisse, sei die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung der Schulen eine leistungsfähige Infrastruktur.

Leider stünden für deren Unterhaltung an den Schulen im Schulamtsbereich Gießen-Vogelsberg nur etwa eine Handvoll IT-Servicemitarbeiter zur Verfügung. Dementsprechend könne die Auswechslung von Beamern in Unterrichtsräumen oder Ähnlichem schon mal ein Jahr oder länger dauern. Der Kreisvorstand der GEW-Alsfeld fordere deutlich mehr IT-Mitarbeiter für die Schulen, große Schulen sollten für eine sinnvolle Umsetzung der Digitalisierung einen eigenen IT-Mitarbeiter anstellen können. Mit rund 50.000 Euro pro Jahr, die jede Schule im Durchschnitt erhalte, seien diese Aufgaben nicht zu stemmen.

Land soll Verantwortung für Ganztagsschulen übernehmen

Die Entwicklung von Schulen zu Ganztagsschulen werde durch das Land Hessen weiter vorangetrieben. Schulträger seien mit der Bereitstellung adäquater räumlicher Bedingungen für diese neue Art der Schule teilweise überfordert. Die GEW fordere weiter, dass das Land Hessen hier Verantwortung übernehme. Wenn für Schulträger neue Aufgaben geschaffen werden, müssen diese aus Sicht der GEW auch mit den notwendigen Ressourcen – auch im Hinblick auf bauliche Maßnahmen – verknüpft werden.

Es sei auch nicht akzeptabel, dass Lehrkräfte zur Betreuung im Nachmittagsbereich herangezogen würden, ohne dass diese Stunden wie Unterrichtsstunden auf das Deputat angerechnet werden. Die Ausweitung der realen Arbeitszeiten bei der Entwicklung zu Ganztagsschulen würden zu weiteren Überlastungen für Lehrkräfte führen. Die GEW fordere, diese Praxis zu beenden.

Viele ungelöste Probleme nach den Sommerferien

Die Forderung der Gewerkschaft, die gestiegenen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer in Grundschulen anzuerkennen, sei nicht aufgegriffen worden. Man fordere weiterhin, dass Grundschullehrkräfte in ihrer Besoldung an die Besoldung der übrigen Lehrämter angepasst werden. Zum anderen müsse ihre Pflichtstundenzahl aufgrund der vielen neuen Aufgaben wie zum Beispiel der intensiveren Elternberatung, der Koordination mit Förderschullehrkräften oder den Gesprächen mit außerschulischen Partnern wie dem Jugendamt, spürbar gesenkt werden.

Die Beschäftigung von Lehrkräften, die keine vollständige Lehrerausbildung haben, bringe oftmals große Probleme mit sich. „Wenn Menschen ohne Staatsexamen unterrichten, leidet zum einen die Qualität des Unterrichts, zum anderen müssen ausgebildete  Lehrkräfte mehr arbeiten, weil sie ihre nichtqualifizierten Kolleginnen und Kollegen unterstützen müssen“, so aus der Pressemitteilung.

Die GEW Alsfeld sehe nach den Sommerferien wie im letzten Jahr viele ungelöste Probleme. Aus dem Kreisvorstand heißt es dazu: „Gute Bildung braucht gute Bedingungen auf allen Ebenen. Es gibt für das kommende Schuljahr reichlich Baustellen“.

2 Gedanken zu “Kaum Verbesserungen in Hessens Schulbereich

  1. …auf die Schule des sog. Pragmatismus in der Erziehungswissenschaft. Und denPragmatismus ion der Schule. Mein Favorit ist der leider inzwischen auch schon wieder emeritierte Prof. Dr. Jürgen Oelkers, ein Deutscher, der an der Universität Zürich gelehrt hat. Hier ein Video mit Empfehlungen an die deutsche Kultusministerkonferenz: https://www.youtube.com/watch?v=iTGwLKqHw2c
    Gute Bildungspolitik ist kein Hexenwerk. Aber ohne gute Bildungspolitiker eben leider auch nicht zu realisieren.

  2. „Gute Bildung braucht gute Bedingungen auf allen Ebenen. Es gibt für das kommende Schuljahr reichlich Baustellen“.
    Ich bin weiß Gott kein Choleriker oder sonstwie krankhaft reizbar. Aber bei dem Thema Bildung schwillt mir mittlerweile schlagartig die Halsschlagader, so dass Umstehende sich genötigt sehen, den Notarzt zu alarmieren.
    Die Voraussetzung „guter Bedingungen auf allen Ebenen“ wäre eine kompetente Bildungspolitik. Aber die hat es nie gegeben. Machen wir uns nichts vor: Sämtliche „Bildungsreformen“ der vergangenen Jahrzehnte waren Müll und sind im schlecht Gemachten des (vielleicht) gut Gemeinten stecken geblieben. Und deshalb ist unsere Bildungslandschaft in meinen Augen kein Land mit reichlich Baustellen, sondern ein endloses Ruinenfeld! Das ganze Geplapper und Geklapper hat zu nichts geführt.
    Ich kann mich noch der ersten Semester bei den Erziehungswissenschaftlern in Marburg erinnern. Das Lehrangebot ein atomisierter Haufen von unterschiedlichsten Bausteinen, aus denen sich kein sinnvolles Ganzes konstruieren ließ. Doch wo der Bauplan für das ganze Bauwerk fehlt, kann der beste Handwerker keinen sinnvollen Beitrag leisten. Erst recht kann der Studienanfänger im Grunde nichts lernen. Er bleibt ein im Nebel stochernder Blinder, der nie oder erst sehr spät den notwendigen Überblick über den Gegenstand seiner Studien gewinnt.
    Wo die Fachwissenschaft dem Fachmann keine Orientierung bietet und man den Pragmatismus einer „angewandten Wissenschaft“ verachtet, wie das bis heute in weiten Kreisen der „Experten“ chic zu sein scheint, darf man weder erwarten, dass die Politik Expertenwissen aufnimmt, noch wird sich aus dem politischen Diskurs heraus eine hinreichende Vorstellung von zeitgemäßer Bildung entwickeln, geschweige denn ein plausibler Bauplan eines Bildungswesens, dass diese Bildung vermittelt.
    Unerträglich die Auftritte des vor Selbstzufriedenheit und Überheblichkeit triefenden Wiesbadener Kultsministers Prof. Ralph Alexander Lorz, eines Juristen, dessen einzige bildungspolitische Qualifikation in seinem Eintritt in die Schülerunion im Alter von 12 Jahren gelegen haben dürfte. Als reine Provokation im Hinblick auf ministrable Qualifikation ist die Besetzung des Ressorts für Bildung und Wissenschaft im letzten Kabinett Merkel mit einer Reiseverkehrsfachfrau aus dem Teutoburger Wald. Der Name, glaube ich, war laut „Die Zeit“-Kommentar „Anja wer?“ (https://www.spektrum.de/kolumne/meinung-anja-karliczek-zur-neuen-ministerin-fuer-bildung-und-forschung-nominiert/1547083). Für diese Dame ist der Bildungsbereich in demselben Maß „Neuland“ wie einst (2013) das gesamte Internet für die Kanzlerin (siehe https://www.youtube.com/watch?v=DWqXsXR8h4E).
    Wäre dieses Neuland doch wenigstens Neuseeland, wo die Autorin Verena Friederike Hasel „den Traum von der beste Schule der Welt“ realisiert sieht, deren Beispiel in Deutschland dringend übernommen werden sollte (siehe https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-freiflaeche/audio-der-traum-von-einer-besseren-schule-100.html). Oder gäbe es doch wenigstens ein klares Bekenntnis zum Recht auf otimale Bildung für alle in einer Schule, in deren Qualität man jeden verfügbaren Euro investiert. Stattdessen werden staatliche Schulen systematisch kaputt gespart und entsteht eindeutig ein Klassensystem von schlechten Schulen für die Armen und guten Schulen für die Besserverdienenden, denen man zudem – beispielsweise im Grundschulbereich – entgegen eindeutigem Verfassungsgebot die Hintertür zur Privatschule immer weiter öffnet (siehe https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/marcel_helbig_1303nl_-100.html).
    So. Und jetzt wähle einer die 112, 116117 oder was immer. Ich eskaliere.

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