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Das große OL-Leser-StreitgesprächFleisch – zwischen „Leichenteilen“ und schüt­zens­werter „Tradition“

REGION (jal). Was passiert, wenn sich zwei Fleischfans mit einer Veganerin an einen Tisch setzen und über Ernährung diskutieren? OL hat es ausprobiert. Lesen Sie hier das große Streitgespräch über den Sinn von vegetarischer Leberwurst, die Tradition des Tötens – und die Frage, ob Fleisch nur ein beschönigendes Wort für „Leichenteile“ ist.

Deutschland ist ein Land der Fleischesser. Je nach Umfrage essen zwischen 90 und 95 Prozent der Deutschen Fleisch. Doch der Anteil derjenigen, die auf Fleisch verzichten, wächst. Diese gesellschaftliche Entwicklung macht selbstverständlich auch vor dem Vogelsberg nicht halt.

Das zeigten die Reaktionen auf einen kleinen Artikel, den OL vor einigen Wochen veröffentliche. Darin ging es um ein Schlachtfest in Zell, das der Hard Rock und Heavy Metal Fan Club das vierte Mal veranstaltete. Binnen kürzester Zeit gab es unter der Meldung mit drei Absätzen mehr als 30 Kommentare.

OL hat daraufhin Vertreter beider Seiten gesucht – Fleischfans und -gegner – um mit ihnen gemeinsam zu diskutieren. Und es haben sich tatsächlich ein paar Mutige gemeldet.

Mit am Gesprächstisch saß auf der Pro-Fleisch-Seite der Zeller Arndt Planz, 51, SPD-Politiker, Finanzbeamter und Mitglied in dem Verein, der das Schlachtfest organsiert hatte. Ebenfalls für die Fleischfraktion angetreten war die Alsfelderin Marie Luise Keller, 56 Jahre, Tochter einer traditionsreichen Fleischerfamilie und selbst gelernte Fleischereifachverkäuferin.

Die Seite der Fleischgegner vertrat Astrid Muth. Die 61-Jährige lebt seit sie vor zehn Jahren nach Lautertal gezogen ist vegan, war vorher bereits Vegetarierin und verdient ihr Geld mit dem Austragen von Post und Zeitungen.

Das große OL-Streitgespräch zum Thema Fleisch

OL: Herr Planz, was gab es heute bei Ihnen zum Mittag?

Arndt Planz: Heute Mittag gab es gebratene Nudeln.

Ohne Fleisch?

Planz: Ohne Fleisch.

Sie sind Schriftführer in dem Metal-Fanclub, der schon des Öfteren ein Schlachtfest in Zell organisiert hat. Was ist der Antrieb dafür?

Planz: Wir machen das zusammen mit einem Zeller Direktvermarkter unter anderem mit dem Hintergrund, die Leute dazu zu bekommen, wieder bewusster Fleisch zu essen und auch dazu bereit zu sein, mehr dafür auszugeben. Also weg von der Massenware. Das ist die eine Sache. Wir sehen es aber auch als eine Art Traditionspflege an, denn viele können keine Hausschlachtung mehr vornehmen, so wie wir es als Kinder noch kannten.

Frau Muth, wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, vegan zu leben?

Astrid Muth: Ich bin vor zehn Jahren aufs Land gezogen, neben einen Bauern. Ich dachte die Kühe stehen auf der Weide, alles gut. Aber dann habe ich mich im Internet informiert und gelesen, den Kühen werden die Kälber weggenommen. Ich war geschockt. Ich war vorher schon Vegetarierin, aber daraufhin bin ich postwendend vegan geworden. Weil ich das als ein Verbrechen ansehe, an dem ich mich nicht beteiligen möchte. Die Kühe sind neun Monate schwanger, kriegen dann das Kalb und die Milch abgenommen und werden komplett ausgebeutet und getötet, wenn sonst kein Geld mehr rauszuholen ist. Ich finde, das geht gar nicht.

Haben Sie nicht kurz gezögert?

Muth: Doch, das habe ich. Ich dachte, dann habe ich gar nichts richtiges mehr zu essen, nur noch Salat. Das kommt gar nicht in die Tüte, und dann ist das so kompliziert und gefährlich, dachte ich. Aber ich bin ruhig geblieben und habe angefangen, bestimmte Lebensmittel auszutauschen. Honig, zum Beispiel, den esse ich eh nicht gerne, stattdessen gibt es ja ganz viele pflanzliche Süßungsmittel. Auch Milchprodukte sind bereits in allen Variationen auch in pflanzlicher Form erhältlich. Und so ging es dann weiter. Vegan zu leben funktioniert. Und es ist überhaupt nicht kompliziert oder anstrengend.

Unsere drei Gesprächspartner Astrid Muth, Arndt Planz und Marie Luise Keller.

Sie sagten, sie seien schon vorher Vegetarierin geworden. Wie kam es dazu?

Muth: Mit 30 Jahren ist mir plötzlich bewusst geworden, dass wenn ich Fleisch esse, dafür ja Tiere getötet werden. Im Nachhinein hat es mich auch total geschockt, dass mir das erst mit 30 Jahren bewusst geworden ist. Also, dass wir Tiere töten, habe ich natürlich schon vorher gewusst. Aber Wissen und Bewusstsein ist ein großer Unterschied.

Frau Keller, Sie sind gelernte Fleischereifachverkäuferin. Warum haben Sie den Beruf aufgegeben und arbeiten nun in einer Küche?

Marie Luise Keller: Es ist ein sehr schöner Beruf, doch das Handwerk klagt und ächzt. Ich habe zum Schluss in einem namenhaften Supermarkt an den Frischetheken gearbeitet und bin dann am Ende mit einem Stundenlohn von 9,80 Euro als gelernte Fachkraft mit 40 Jahren Berufserfahrung durchgewunken worden. Ich denke, das spottet jeder Beschreibung.

Können Sie nachvollziehen, warum Frau Muth kein Fleisch mehr isst?

Keller: Das ist Ihre Entscheidung. Ich selbst esse gerne Fleisch. Und ich weiß auch, dass dafür ein Tier gestorben ist. Wo wir alle aber wieder hinkommen müssen ist zu dem, was vor Hunderten von Jahren in der Region war. Es hat hier schon immer Landwirte gegeben, die ihre eigenen Tiere hatten. Ich rede konkret von der Hausschlachtung. Es wird einmal im Jahr ein Schwein geschlachtet, das wird vorher schon ganz anderes gefüttert und am Ende wird das Tier komplett verwertet. Heute gehen wir in den Supermarkt, finden lauter abgepackte, bunte Teile, die mal ein Tier waren, nehmen das mit – und wenn wir es dann doch nicht zubereiten, schmeißen wir es weg. So etwas gab es damals nicht.

Diese Unsitte, dass es morgens mit einem Schinkenbrot losgeht, mittags ein Schnitzel in der Kantine und Abends dann erst einmal noch einen kalten Hackbraten – das kenne ich so nicht und das mag ich ehrlich gesagt auch nicht.Arndt Planz

Werden Schweine denn heutzutage tatsächlich nur wegen wenigen Stücken geschlachtet?

Keller: Ein Schwein wird heute auch zu 99 Prozent verwertet. Aber das geht nur dank des Exports. Was wir nicht essen, das geht nach Osteuropa. Dass es keine kleinen, regionalen Schlachtbetriebe oder Hausschlachtungen mehr gibt, liegt auch an der EU, die hat das alles gekappt. Die Auflagen, die von dort kommen, sind für Privatleute kaum noch umzusetzen.

Herr Planz, wie war das mit dem Essen damals, als Sie großgeworden sind?

Planz: Im Garten meiner Eltern standen wenig Blumen, der war voll mit Kartoffeln, Salat und anderem Gemüse. Einmal im Jahr haben wir von einem Bauern ein Schwein bekommen, der hat das dann gleich geschlachtet. Und da gab es nicht jeden Tag Fleisch. Diese Unsitte, dass es morgens mit einem Schinkenbrot losgeht, mittags ein Schnitzel in der Kantine und Abends dann erst einmal noch einen kalten Hackbraten – das kenne ich so nicht und das mag ich ehrlich gesagt auch nicht. Sonntags gab es einen Braten, samstags gab es meistens Frikadellen, freitags Fisch und die Zeit dazwischen Eintopf und irgendwelche Reste. Und es hat funktioniert.

Keller: Jeder Arzt, jede Krankenkasse wird ihnen sagen: Unser Fleischkonsum muss runtergefahren werden, dann ändert sich auch am Tierwohl etwas. Ich habe hier die Fleischerzeitung dabei. In der Marktwoche 11/12 wurden 941.000 Schweine geschlachtet. Schweine, nur Schweine! Das waren aber 17.000 weniger als in der Vorwoche und 36.000 weniger als im Vorjahr. Nur, um mal einen Vergleich zu haben. Im Jahr haben wir einen Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch generell von 60 Kilo pro Person in Deutschland. Vor hundert Jahren waren es nur 30 Kilo.

Bio-Wurstwaren haben nur einen Anteil von etwa zwei Prozent in Deutschland, gleichzeitig sagen etwa 90 Prozent der Deutschen, sie würden für Fleisch mehr bezahlen, wenn es den Tieren dadurch besser gehen würde. Sind wir ein Land voller Heuchler?

Keller: Ja! Wer billiges Fleisch kauft, der bezahlt durch seine Steuern Subventionen, damit es überhaupt so billig sein kann. Laut der Fleischerzeitung lag kürzlich der Preis für ein Kilo Lebendgewicht bei einem schlachtreifen Schwein der besten Qualität bei 1,42 Euro. 1,70 Euro bräuchte der Landwirt, um kostendeckend arbeiten zu können. Das bedeutet: Wir werden uns umstellen müssen. Die Leute werden Amok laufen – wobei, ein Handy für 1000 Euro wird auch gekauft …

Planz: Das ist richtig, das ist ein super Vergleich.

Keller: … Wir werden mit Sicherheit beim Schwein von einem Kilopreis reden müssen, der zwischen 25 und 30 Euro liegt. In Skandinavien haben Sie diese Preise. Bei uns hat letzte Woche das magere Kotelettstück, der Schweine-Lachs, 4,99 gekostet.

Muth: Okay, wir reden jetzt die ganze Zeit nur über Gegenstände, über Fleisch. Aber Fleisch ist, um das mal genau zu sagen, ja ein Stück Leiche, Aß, Kadaver. Fleisch ist ein Euphemismus. Wir machen uns nicht bewusst, was es wirklich bedeutet. Das Töten ist für uns eine Selbstverständlichkeit, weil wir es gar nicht anders kennen. Selbst ich habe das im Enddefekt 50 Jahre nicht hinterfragt. Und jetzt reden wir über zerstückelte Leichen, was es kostet und dass es teurer werden muss. Ich habe da eine ganz andere Sichtweise.

Nämlich?

Muth: Mir geht es um das Tier. Ich will nicht getötet oder misshandelt werden, deswegen möchte ich auch nicht, dass andere getötet oder misshandelt werden. Einige Leute halten Hunde oder Katzen, aber diese Tiere essen wir nicht, Schweine hingegen schon, dabei sind die viel intelligenter. Diese Diskriminierung und Gewalt aufgrund der Art bedeutet Speziesismus, das ist vergleichbar mit Rassismus bei uns Menschen. Deswegen finde ich es sehr paradox, hier über Kilopreise zu diskutieren.

Keller: Das soll kein persönlicher Angriff sein, aber wie würden Sie denn dann das Problem lösen? Mal jetzt davon abgesehen, hundert Prozent vegan wird es nicht geben, das ist schon mal ganz klar.

Muth: Woher wissen Sie das?

Keller: Wie wollen Sie die Welternährung dann sicherstellen?

Muth: Es gibt Studien, die besagen, wenn wir uns pflanzlich ernähren würden, dann könnten wir noch vier Milliarden Menschen mehr ernähren.

Die Geschichte der Fleischesser

Keller: Sie werden kaum eines der noch wenigen Urvölker finden in Australien oder Amazonien zum Beispiel, das komplett auf Fleisch verzichtet. Unsere Gesamtentwicklung wäre glaube ich nicht so weit fortgeschritten, wenn wir nicht ab und an Fleisch zu uns nehmen würden. Das hat uns über Jahrtausende hinweg bis hierhin gebracht. Die Betonung liegt auf ab und an! Es muss nicht jeden Tag ein ganzer Zentner sein.

Muth: Kann ich da einhaken? Natürlich, ich würde diesen Urvölkern niemals vorschreiben wollen, was sie zu essen haben. Vielleicht wächst da gar nichts. Ich rede nur von uns, den reichen Ländern. Der Vorteil des Menschen ist: Wir sind Allesesser. Wir können alles essen, wenn wir es nötig haben – was gut ist – aber das trifft ja für uns heute nicht mehr zu. Wir schmeißen Essen weg ohne Ende, weil wir zu viel haben. Und wir in unserer Region haben die Möglichkeit und das Wissen, ohne Fleisch zu leben. Warum also sollten wir dann noch unnötig töten? Wir können wählen.

Keller: Ich würde gerne nochmal auf den vorherigen Punkt zurückkommen. Ich war selbst schon bei Schlachtungen dabei. Ich weiß, dass ein Tier getötet werden muss, damit ich es essen kann. Ich sehe es nicht als Leiche. Für mich ist es eine Kreatur, ein Lebewesen, das ich bewusst des Lebens beraube, um es mir zuzuführen.

Muth: Aber es ist dennoch eine Leiche.

Die Tradition, dass wir Fleisch essen, ist seit Jahrtausenden erhalten.Marie Luise Keller

Keller: Es ist in dem Moment eine Leiche, ja. Aber mein Körper, wenn ich sterbe, wird der Natur auch seinen Dienst erweisen. Manch einer sträubt sich, wenn er hört, man wird von Maden und allem möglichen aufgefressen, aber so fügt man sich in dieses System, in diesen Kreislauf, ein.

Muth: Der Unterschied ist, da ist keine Gewalt dabei. Das Tier wird gewaltsam getötet und wir nicht.

Keller: Wir werden das in Gänze nie ausmerzen können, so wie Menschen immer andere Menschen töten werden.

Muth: Das sehen wir aber als Verbrechen an.

Keller: Klar kann man jetzt die Frage nach dem Motto aufmachen „wen wählt man warum aus? Warum dürfen Tiere getötet werden und Menschen nicht?“ Aber ich sag es mal so: Die Tradition, dass wir Fleisch essen, ist seit Jahrtausenden erhalten. Wer vegan leben möchte, darf das gerne tun. Es sei denn, ich werde auf der Straße als Mörder beschimpft. Das möchte ich mir verbitten. Ich bin kein Mörder.

Muth: Das mit der Tradition als Argument ist so eine Sache. Die Spanier quälen Stiere in der Arena tot. Wir hier in Deutschland lehnen das vielleicht ab, aber die Menschen dort zahlen Einritt, um das zu sehen. Wobei Kinder glaube ich nichts zahlen müssen. Das ist einfach nur grausig – aber die Spanier möchten das als Kulturgut anerkannt haben. Tradition ist kein gutes Argument, etwas beizubehalten.

Planz: Warum bringen Sie Tradition immer mit dem Wort Mord in Verbindung? Wenn man sich bewusst macht, dass ein Tier stirbt, um uns zu ernähren, finde ich das verwirrend. Es geht was die Hausschlachtung betrifft um ein altes Handwerk, das gepflegt werden muss, um weg von der Massenware zu kommen. Bei unserem Schlachtfest ging es um ein Tier, was gestorben ist, damit wir es essen können.

Darf man Tiere töten, um Sie zu essen? Dabei gingen die Meinungen unserer Gesprächsteilnehmer auseinander. Foto: jal/Archiv

Muth: Es ist nicht gestorben, es wurde gewaltsam getötet. Und der entscheidende Punkt ist, dass wir das heute nicht mehr brauchen.

Planz: Aber das ist Ihre Meinung dazu: Dass wir es nicht mehr brauchen.

Muth: Ja, das ist ein Tatsache, dass wir nicht mehr zu töten brauchen, um gut zu leben.

Planz: Ich bin der Meinung, wir brauchen es.

Muth: Brauchen, inwiefern?

Planz: Diese Art der Tradition und auch diese Art der Ernährung. Nicht übertrieben Fleisch essen, aber bewusst.

Muth: Aber wofür brauchen wir das?

Planz: Um, zum Beispiel, ein glückliches Leben zu führen. Mir würde ohne Fleisch etwas fehlen. Für mich gehört das ganz einfach dazu.

Muth: Zu töten?

Planz: Ich töte das Tier zwar nicht, aber es gehört dazu. Ich kann mich damit anfreunden wäre das falsche Wort. Aber ich weiß, dass es passieren muss. Ich habe es selbst miterlebt in meiner Kindheit, bei den Hausschlachtungen. Es gehört einfach dazu.

Muth: Okay, Sie haben das so erlebt. Es ist für Sie eine alte Tradition. Ich habe ja auch Fleisch gegessen. Weihnachten gab es bei uns immer Pute – und ich habe mich drauf gefreut. Das war für mich in dem Sinne auch eine Tradition. Aber mit 30 ist mir bewusst geworden: Für mich wird getötet, ohne, dass ich es brauche. Ich habe so viele Lebensmittel, ich weiß gar nicht, was ich als Erstes essen soll. Wir werfen über die Hälfte unserer Lebensmittel weg und töten trotzdem. Das ist für mich ethisch nicht zu vertreten.

Wenn wir Tiere essen, die erst die Pflanzen essen, verbrauchen wir viel mehr Pflanzen und Ressourcen, als wenn wir direkt die Pflanzen essen.Astrid Muth

Planz: Das respektiere ich ja auch, um Gottes Willen. Ich erwarte nur, dass auch meine Sichtweise respektiert wird. Ich habe noch nie einen Fleischesser gesehen, der so massiv versucht hat einen Veganer oder Vegetarier dazu zu überreden Fleisch zu essen, wie die andere Seite es tut.

Keller: Diese Massen sind natürlich das, was überdacht werden sollte. In unserem allgemeinen Interesse. Es würde helfen, wenn wir uns darauf besinnen würden, mehr selbst zu kochen. In kann in 30 Minuten ein gesundes, gemüselastiges Essen auf den Tisch stellen. Es ist bedauerlich, dass es in den Schulen heutzutage keine Kochkurse mehr gibt.

Frau Muth, wie kann es gesund sein, komplett vegan zu leben, wenn man bei dieser Art der Ernährung auf Zusatzstoffe aus der Dose zurückgreifen muss? Ein sehr bekanntes Beispiel ist das Vitamin B12, was dem Körper sonst fehlt.

Muth: Es gibt auch Veganer und Veganerinnen, die sagen, sie brauchen das nicht. Es wird jedoch empfohlen. Für mich ist das B 12 eine Vitaminpille, die nehme ich und dafür brauche ich nicht töten zu lassen …

Keller: Die aber tierischen Ursprungs ist.

Muth: … Nein, Vitamin B12 wird von Mikroorganismen hergestellt. Und vor allem: Durch das B 12 muss ich nicht töten lassen. Das ist doch wunderbar, nur durch so eine kleine Pille, die ich da zu mir nehme. Das ist ein Entwicklungsfortschritt, dass wir heute nicht mehr zu töten brauchen. Im Übrigen ist B12 Mangel ein Problem unabhängig von der Ernährungsweise.

Aber ist nicht auch eine Pflanze ein Lebewesen, das getötet wird, damit Sie es essen können?

Muth: Die Argumentation kenne ich natürlich. Pflanzen haben kein zentrales Nervensystem und soweit wir wissen können sie keinen Schmerz empfinden. Das ist ein entscheidender Unterschied. Dazu kommt: Wenn wir Tiere essen, die erst die Pflanzen essen, verbrauchen wir viel mehr Pflanzen und Ressourcen, als wenn wir direkt die Pflanzen essen.

Planz: Mich würde mal interessieren, warum wir vegetarische Lebensmittel haben, die aussehen wie eine Leberwurst oder ein Schnitzel und auch so heißen.

Keller: Das würde ich auch gerne wissen.

Muth: Weil wir in dieser Kultur großgeworden sind. Das ist ein Schritt den Leuten entgegenzukommen, die den Geschmack vermissen, aber keine Tiere töten lassen wollen.

Planz: Dann macht man sich doch was vor.

Ihre Idee fürs nächste Streitgespräch
Sie sind der Meinung, auf OL sollten Leser öfter gesittet und von Angesicht zu Angesicht zu strittigen Themen diskutieren? Und Sie haben sogar schon einen Themenvorschlag? Dann freuen wir uns über Ihre E-Mail. Schreiben Sie uns einfach an redaktion@oberhessen-live.de.

Muth: Nein, warum? Es geht um das Töten. Alle sagen, wir wollen friedlich leben, dabei töten wir im Sekundentakt. Es geht darum auf Gewalt zu verzichten und da können solche Produkte helfen.

Planz: Dann kann man es aber anders nennen.

Muth: Das ist egal, wie es heißt.

Planz: Doch, das wäre für mich schon ein Unterschied. Es steht Wurst drauf, ist aber keine.

Muth: Wurst bedeutet einfach nur, dass es eine Schlange mit zwei Enden ist. Völlig unabhängig davon, was drin ist. Bei Sonnenmilch handelt es sich auch nicht um Milch und niemand regt sich auf.

Wenn es um Fleisch geht, spricht man auch oft von Qualen durch die Massentierhaltung. Aber was ist denn mit Bio-Landwirtschaft? Dort bemüht man sich, den Tieren ein möglichst artgerechtes Leben zu gewähren, bis sie dann letztendlich getötet werden. Könnte das nicht eine Art Kompromiss sein?

Muth: Ganz einfach: Ich möchte nicht getötet werden, also will es auch kein anderes Lebewesen. Da ist es egal, wie es vorher gehalten wird. Außerdem sind auch Tiere auf einem Bio-Hof gefangen und die Kühe werden auch dort für die Milch ausgebeutet.

Keller: Wenn wir alle Tiere artgerecht halten würden, dann wird es richtig schmerzhaft. Ich sage es nochmal: Dann haben wir Kilopreise zwischen 25 und 30 Euro.

Muth: Das nennen Sie schmerzhaft? Dass wir mehr Geld ausgeben? Das sind keine Schmerzen. Aber ich gebe Ihnen Recht, es würde vermutlich helfen, den Konsum zu reduzieren. Das war bei den Zigaretten auch so. So wie da könnten wir aber auch Anti-Werbung auf Fleisch drucken. Wenn die Leute sehen, wie so einem Tier der Kopf abgeschnitten wird, schreckt das bestimmt ab. Ziel ist, dass wir mitfühlender werden.

Gehört Fleisch zu einem glücklichen Leben dazu? Auch darüber lässt sich streiten. Foto: pw

Lassen Sie uns zum Abschluss kommen. Es ist mittlerweile möglich, Hackfleisch aus Stammzellen im Labor zu züchten. Ist das vielleicht etwas, worüber sie eine einhellige Meinung haben?

Keller: Dr. Frankenstein lässt grüßen. Das ist ja noch perverser.

Planz: ich würde es mal probieren, aber richtig essen, würde ich es nicht.

Muth: Ich bin da zwiegespaltener Meinung. Es ist ja ähnlich wie andere Ersatzprodukte, die helfen können, das Töten von Tieren zu vermeiden.

Okay, dann machen wir es anders: Was ist Ihrer Meinung nach der Punkt, auf den Sie drei sich heute einigen können?

Planz: Bewusst ernähren.

Keller: Ja.

Muth: Nein. Das ist nur ein Deckmäntelchen, um den eigenen Konsum zu rechtfertigen. Und wenn ich sage, man sollte Tiere nicht misshandeln, geht das auch nicht. Weil für mich jedes Töten schon eine Misshandlung ist – und für Sie nicht.

Dann stimmen wir in guter Tradition überein, dass wir nicht übereinstimmen?

Muth: Das finde ich gut, das stimmt einfach.

Keller: Ja, sehe ich auch so.

Videotipp: Die WDR-Sendung „Quarks“ zum Thema Fleisch – mit einem spannenden Experiment

15 Gedanken zu “Fleisch – zwischen „Leichenteilen“ und schüt­zens­werter „Tradition“

  1. Danke Astrid für deinen Mut, dich da hinzusetzen. Du hast sehr gut und gelassen argumentiert, ohne dich provozieren zu lassen.
    Auch wenn immer die gleichen Sätze kommen, die wir schon jahrelang immer wieder hören und diskutieren.

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  2. Es gibt mehrere strittige Themen,bei welchen es nicht möglich ist, die verschiedenen Ansichten zum Konsens zu bringen.Z.B.:
    Aktuell Impfgegner und Befürworter.
    Homöopathie und wissenschaftliche Medizin.
    Jäger und Jagdgegner u.v.m.
    Bei der hier erörterten Frage,ob Fleisch oder nicht sind (fast) alle vorgebrachten Argumente zu akzeptieren.Eine,oder überhaupt die Frage ist aber,warum essen wir überhaupt schon immer Fleisch ? Die Antwort ist eindeutig:
    Weil uns die Evolution zum Alles(fr)esser gemacht hat.
    Was man an unserem Gebiss erkennt und weil die Fleischverwerter eine Gallenblase haben.Ausserdem brauchen wir für unsre Entwicklung tierische Proteine.
    Ein vegan ernährter Säugling wäre ganz schlecht dran,wenn er überleben würde.( Etwas Polemik muss sein!)

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  3. Frau Muth hat richtig gut argumentiert und sich nicht auf heuchlerische Kompromisse runter reden lassen! Vielen Dank, Frau Muth! :)

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  4. Wer in unserer industialisierten Gesellschaft nach reiflichem Überlegen immer noch das gewaltsame Töten und Verschlingen von empfindungsfähigen Lebewesen als liebgewonnene Tradition bezeichnen kann,ist wohl irgendwo in seiner geistigen Entwicklung stecken geblieben.

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  5. Ich esse sehr gerne Hase und Tauben. Sehr sehr lecker. Hasenkopf in Reissuppe gekocht oder gebraten ist eine Delikatesse.Leider hat ein Hase nur einen Kopf, so dass wir uns schon streiten wer die Mahlzeit bekommt. Die Tauuben einen Tag vorher in Buttermilch gelegt, dann wir das Fleisch besonders geschmeidig und locker. Vorausgesetzt, die Tauben und Hasen sind natürlich gefütter. Ohne Zusätze und Antibiotika. Einfach klasse.

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    1. Hallo Herr Junge. Sie haben natürlich recht. Die Sätze waren in falscher Reihenfolge und ergaben so einen falschen Sinn. Wir haben das korrigiert. Grüße aus der Redaktion.

  6. Krankheiten, Aggressionen, Depressionen, Hoffnungslosigkeit, Kriege… viele große Geister haben es gewusst. Einer von denen hatte vor ca. 2500 Jahren gesagt:
    „Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Mensch wieder zurück.“
    Pythagoras (griechischer Mathematiker und Philosoph, ca. 582-496 v.Chr.)

    1. Was Menschen Tieren antun, ist wahrlich erschreckend. Aber dasselbe tun Menschen eben auch Menschen an. Die Gründe sind wohl dieselben.
      Sog. „Tierschützer“ haben hier aber oft eine verzerrte Wahrnehmung. Wenn man das „Feindbild Mensch“ hat, möchte man natürlich nur noch den „armen Tieren“ helfen, um als einziger ein guter Mensch zu sein.
      Richtig wäre es, allen Geschöpfen auf dieser Welt den größtmöglichen Respekt zu zollen. So betrachtet, dürfte man allerdings im wortwörtlichen Sinn keiner Fliege etwas zu Leide tun. Denn es gibt kein „Fluggerät“ auf dieser Welt, das es mit den Flugkünsten dieses vermeintlich „wertlosen“ (weil abermilliardenfach verfügbaren) Insekts aufnehmen könnte.
      Aber täuschen wir uns nicht: „Moral“ oder Werte wie „Gerechtigkeit“ sind nur Vorstellungen, mit denen der Mensch versucht, Hoffnung in (s)eine Welt zu bringen, deren vollständige Realität er weder verstehen noch ertragen kann. Jenseits dieser Vorstellungen gibt es weder Glück noch Moral noch Gerechtigkeit. Den Veganern kann ich nur wünschen, dass nicht irgendein Wissenschaftler demnächst nachweist, dass sie das biologische Gleichgewicht der Erde empfindlich stören, Schuld am Anstieg der Weltmeere sind oder mit dem Tofu die leidensfähigste Existenzform auf Erden überhaupt martern.

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  7. Die gleichen dummen Argumente von Keller und Pflanz, wie man sie tagtäglich von den Fleischessern liest. Selbstschutz, Beruhigung, nicht verstehen ?

    1. Warum gleich wieder beleidigend werden? Keine Argumente? Aber wer noch nicht mal den Namen richtig schreiben kann…

  8. Ich finde es ungerecht, dass Frau Muth dort alleine für die Seite der Veganer sass! Gleichzeitig fand ich es sehr mutig von ihr und danke ihr dafür. Ich kann mich ihr nur anschließen: für ein genussvolles Leben muss kein Tier für mich sterben oder ausgebeutet werden. Die vegane Ernährung ist so vielseitig und lecker und ich kann es jedem nur empfehlen!

    1. Ungerecht ist, wenn Menschen sich aufregen, dass Vertreter ihrer Gattung Tieren zum Opfer fallen. Aber das Tierreich schlägt massiv zurück (https://www.focus.de/panorama/welt/aktivismus-ausser-kontrolle-zuchtbulle-tritt-bauern-tot-und-tierschuetzerin-feiert_id_4436717.html). Erst tritt ein Bulle seinen Bauern tot. Anschließend wird er von einer Verganerin zum Freiheitshelden hochgejubelt (Wilhelm Tell, pardon Stall, lässt grüßen!). Das kommt dabei raus, wenn im Ansatz unvernünftige Diskussionen so lange angeheizt werden, bis sie eskalieren. Und jetzt schauen wir mal wieder, wie viele zur fleischlosen Ernährung gezwungene Menschen für ein genussvolles Leben der Industriestaaten ausgebeutet werden und sterben müssen. Trotz aller veganen Leckereien, die ihre gutmenschelnden Bewohner*innen sich tagtäglich liebevoll zubereiten.

      1. Uff, sprach der alte Häuptling der Veganer, wild ist der Westen, schwer ist der Beruf.

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